Oper mit Körper und Seele

Theater an der Wien Intendant Roland Geyer eröffnet seine letzte Spielzeit mit der ersten Oper überhaupt: Rappresentatione di anima et di corpo.

TAW, Werner Kmetitsch (c)

TAW, Werner Kmetitsch (c)

Mehr als 420 Jahre liegt die Uraufführung von Emilio de Cavalieris Musiktheaterstück zurück (Wir befinden uns hier vor Monteverdis Opern und vor Händel sowieso). In Anbetracht dieser Tatsache möchte man vielleicht meinen, dass der Stoff, der im Jahr 1600 das Publikum Roms begeisterte, heute nicht mehr wirklich aktuell sein kann. Doch da täuscht man sich. Rappresentatione di anima et die corpo (Darstellung der Seele und des Körpers) formuliert die ewig wichtigsten Fragen im Leben der Menschen, so Regisseur Robert Carsen.

Seele und Körper wollen Antworten

Alle beteiligten Darsteller*innen stehen auf der Bühne und warten. Worauf? – Dass es anfängt! Sie besprechen, worum es in den folgenden 90 Minuten ohne Pause gehen wird: Leben, Tod, Liebe, Gott (…). So gestaltet Robert Carsen den Prolog, der einen intensiven Abend verspricht.

Anima (Seele) und Corpo (Körper) sind durch verschiedene Anforderungen an das Leben getrennt und doch in Liebe verbunden. Ohne zu wissen, was sie suchen, begeben sich die Beiden auf den steinigen Weg nach Antworten, der sie zum Guten führen soll. Es fällt Anima und besonders Corpo nicht leicht, den Versuchungen, denen sie ausgesetzt werden, zu widerstehen. Sei es Piacere (das Vergnügen), der Reichtum und Macht versprechende Mondo (die Welt) oder Vita Mondana (weltliches Leben) in ihrer glitzernden Pracht.

TAW, Werner Kmetitsch (c)

TAW, Werner Kmetitsch (c)

Augen öffnend entlarvt ein Schutzengel jedoch die trügerisch schillernden Oberflächen und bringt den Verfall darunter zum Vorschein. Intelletto (der Verstand) und Consiglio (der gute Rat) erinnern nochmals anschaulich an das ewig schöne Schicksal im Himmel beziehungsweise an ein schreckliches Dasein in der Hölle, woraufhin Anima und Corpo erkennen, dass Gutes nicht aus Angst vor der Bestrafung, sondern um seiner selbst willen getan werden sollte. Diese Erkenntnis wird gefeiert!

Ein Meister am Werk

Robert Carsen ist ein großer Name in der Regieszene der Opernwelt und er wird seinem Ruf gerecht: Zuletzt begeisterte er mit Händels Oper Il trionfo del tempo et del disinganno das Publikum der Salzburger Festspiele. Parallelen zur Representatione sind natürlich nicht zu übersehen, da er in beiden frühen Werken des Musiktheaters mit personifizierten abstrakten Begriffen zu tun hatte. Die Darstellung dieser Allegorien erfolgt im Theater an der Wien durch monochrome Bilder, die vor großen Toren spielen. So treiben sich Anima und Corpo im Jeans-Partnerlook durch eine rote Szene des Vergnügens, einen funkelnd-goldenen Rausch der Welt und finden sich nach düsterer Überlegung zu Himmel und Hölle zuletzt all in white in der Schlussszene wieder.

Tosender Applaus für dynamisches Ensemble

Die Intensität und die Dichte dieser Oper fordern auf der Bühne nicht nur so einige Solisten, sondern auch einen Chor und Tänzer, denn in diesen 90 Minuten gibt es Einiges abzuhandeln. Der Arnold Schönberg Chor erweist sich als ideal für diese Aufgabe, zumal er sich nahtlos unter die Tänzer mischt, Schnellumzüge wie Choreographie (Lorena Randi) meistert und dabei auch noch herrlich singt. Besonderen Applaus bekommen Anett Fritsch (Anima), Daniel Schmutzhard (Corpo) und ihr Schutzengel Carlo Vistoli, ein brillianter Countertenor, sowie das preisgekrönte Barockensemble Il Giardino Armonico unter der musikalischen Leitung von Giovanni Antonini.

Die Unbeschwertheit, mit der die bunten Szenen zur Musik im Originalklang fließen, ist ebenso bewundernswert wie mitreißend. Es gibt tosenden Applaus für das einzigartig dynamische Ensemble.

Previous
Previous

Die Bühne, eine Geisterbahn

Next
Next

Wien wird zum Rotlichtviertel