Älter ist nicht immer besser

Der junge finnische Stardirigent Klaus Mäkelä und sein Oslo Philharmonic begeisterten an drei Abenden mit allen Sinfonien von Sibelius das Konzerthauspublikum.

Klaus Mäkelä sieht beim Dirigieren oft extremer aus /// Lukas Beck (c)

Das Konzerthauspublikum ist an besseren Tagen durchschnittlich etwas unter 60 Jahre alt, die Musiker*innen auf der Bühne im Schnitt wahrscheinlich etwas jünger. Das Oslo Philharmonic, das uns in den letzten drei Tagen alle Sinfonien von Sibelius präsentierte, schien mir für ein Orchester recht jung zu sein, sehr viele von ihnen haben unter dem legendären Chefdirigenten Mariss Jansons in den 90-ern wohl nicht gespielt. Aber auch so noch sahen sie neben dem Star des Gastauftritts alt aus, und wir im Publikum erst recht: Dirigent Klaus Mäkelä ist nämlich 25.  

Daran ist an sich nichts Besonderes, alle Dirigent*innen waren mal jung (auch wenn das bei manchen kaum zu glauben ist...). Aber Mäkelä wird jetzt schon in den Himmel gelobt, führt zwei Spitzenorchester (neben Oslo das Orchestre de Paris) und wird zudem angeblich von mehreren noch größeren Orchestern aus München, Chicago und sonstwo umworben. Jetzt dirigierte er vor den neugierigen Augen und Ohren des Wiener Publikums zum ersten Mal, unter großer Medienaufmerksamkeit. Das Konzerthaus war an allen drei Abenden so gut wie voll, obwohl nebenan im Musikverein Riccardo Muti dirigierte. Das Interesse am jungen Finnen ist definitiv groß.

Berühmt aber bescheiden

Ich habe ihn noch im Februar als einen sehr eloquenten, sympathischen und bescheidenen jungen Musiker kennengelernt, so gut das über Zoom eben geht, und mich mit ihm recht gut unterhalten. Sich gut auszudrücken ist aber eine Sache, ein Orchester zu leiten eine andere. Und so war ich auch äußerst gespannt, was er bieten würde. Nun?

Über den ersten Abend habe ich in der ‘Presse‘ geschrieben, durchaus positiv. Was ich vorsichtig zu kritisieren versuchte, war Mäkeläs Hang zum Brachialen. Er feuerte das Orchester nur so an und begeisterte damit das Publikum auch durchaus. Mir fehlte manchmal aber ein wenig Ruhe, etwas mehr Piano. Der zweite Abend zeigte dann, dass Mäkelä am ersten entweder aufgeregt war oder sich besonders beweisen wollte. Mit der düsteren vierten Sinfonie überzeugte er mich noch mehr. Er schien lockerer, bedachter, dabei aber nicht weniger intensiv.

Die triumphale zweite Sinfonie direkt danach war auch Mäkeläs größter Triumph, zumindest beim Publikum. Es gab an jedem Abend starken Applaus, Jubel und jeweils eine Zugabe, am zweiten Abend gab es aber die meisten Standing Ovations. Das lag sicherlich auch an der Musik, dieses bombastische Finale war einfach der Hammer. Dabei saß ich diesmal ganz vorne seitlich, sodass ich Mäkeläs unglaubliche Ausdrucksstärke sehen konnte. Er dirigiert nicht nur mit seinen Händen, sondern auch mit seinen Beinen, seinen Augen, seinen krassen Grimmassen, seinem Mund und all das gerne auch gleichzeitig. Das Orchester folgt seinen Wünschen gefällig, kann ihn offensichtlich sehr gut leiden. Die Musiker*innen applaudierten nach jedem Konzert lautstark mit.

Toll war die Verteilung der Sinfonien auf die drei Abende. Mäkelä kombinierte sie geschickt, statt chronologisch vorzugehen. So gab es an jedem Abend Hits und schwerer verdaubare Werke, wie die 4. und die 6. Selbst die machten aber Spaß. Ich schrieb das schon in der ‚Presse‘ und stehe immer noch dazu: Wir spielen zu wenig Sibelius. Im Programmheft gibt das Konzerthaus immer an, wie oft ein Werk in der fast 110-jährigen Geschichte des Hauses schon aufgeführt wurde, keine Sibelius-Sinfonie hat mehr als 20 Aufführungen erlebt, die meisten weniger als 10. Dabei sind es bewegende, starke Werke.

Verfechter der zeitgenössischen Musik

In der nächsten Saison kehrt Mäkelä mit seinen Osloer*innen zurück, wird dann auch im Musikverein spielen. Fans hat er nach diesen drei Tagen jede Menge, er wurde sehr positiv aufgenommen. Anstelle, dass ihn seine Jugend hindern würde, hilft sie ihm scheinbar sogar. Er ist ein wirklich guter Musiker, das hat er an diesen drei Abenden eindrücklich bewiesen. Er hat Feuer, musikalische Ideen, eine Philosophie (er pflegt die neue Musik, möchte das Publikum ein wenig erziehen, wie er mir erzählte) und schafft es sehr gut, die Aufmerksamkeit eines Orchesters auf sich zu ziehen, es zu lenken. Noch dazu ist er eben auch jung und sympathisch. Ein bisschen Typ Ideal-Schwiegersohn. Und auf sowas steht man in Österreich bekanntermaßen...

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