So, wie wir miteinander sind…

Samantha Sogeder ist Fotografin, Mitglied im Atelier Analog und Young Curators Club Vienna. Vom 02. bis 22. März fand ihre erste Solo-Ausstellung Oberfläche mit dem Motto Erzähl mir von dir- ich höre dir zu statt. Hier bei Bohema wird Samantha selbst zur Erzählenden und wir zu ihren Zuhörer*innen.

Fotografin Samantha Sogeder /// © Bastian Reinprecht

[Samantha kommt mit einer Tasche voller Lego-Blumen-Sets ins Café rein]

Samantha Sogeder: Ich hab‘ jetzt eine Obsession mit Lego-Blumen. Ich wollte immer, dass mir die jemand zum Geburtstag schenkt. Dann hat das niemand gemacht. Letzten Freitag hab’ ich mir gedacht: Nein, heute ist der Tag. Schätzchen, wir gehen zum Lego-Store.

Bohema: [singend] I can buy myself flowers.

Samantha: Es stimmt. Ich warte nicht mehr, bis mir irgendjemand etwas bringt. Deswegen funktionieren meine Beziehungen auch besser. Wenn ich was will, dann sag‘ ich das auch. Das bestimmt mein ganzes Leben. (Funktioniert nicht immer, aber ich gebe mir Mühe.)

Der Weg zur Fotografie

B: Wie bist du zur Fotografie gekommen?

© Samantha Sogeder

S: Kunst hat mich eigentlich immer interessiert. Fotografie auch. Wir waren die glorreichen 7. Meine Großeltern, meine Tante, mein Onkel, meine Eltern und ich. Ich war die Jüngste. Einzelkind auch noch. Da haben’s immer ur viele Fotos gemacht. Als ich im Gymnasium war, hat das aufgehört und es gab keine Familienfotos mehr. Das war sooo ein Schalter bei mir: Warum macht’s ihr keine Fotos mehr? Haben diese Erinnerungen keinen Wert? Es gab nur noch Schulfotos, Instagram, Snapchat. (seufzt) Es gab schon eine Zeit, wo mir die Schulfotos peinlich waren, aber im Nachhinein bin ich so froh, dass es diese Fotos gibt, dass ich etwas hab, auf was ich zurückschauen kann. Im Lockdown hab‘ ich dann einen Fotografen kennengelernt und mir gedacht: Wow, ich find’ geil, was du machst. Wieso mach’ ich das nicht? Du kannst das sicher besser. Ur arrogant.

B: Seine Fotos haben dir nicht gefallen?

S: Oh doch. Das hab’ ich nur gesagt, weil ich keine Ahnung von Fotografie gehabt habe. Bei seinen Porträts hab‘ ich mir gedacht: Das kann ich besser. Street Photography hat mich nicht so interessiert, aber damit habe ich angefangen, weil ich’s von ihm kannte und er es mir vorgelebt hat. Da war der Einstieg leichter. So hab‘ ich gelernt, wie ich die Kamera handhaben soll. Ich war jung, bin jung, und wusste wie viele nicht, was ich machen soll. Ohne Matura war es ein bisschen komplizierter, etwas Passendes zu finden, behaupte ich mal. Ich hab‘ aber schnell gemerkt: Das Leute-Beobachten g’fallt mir voll. Ich wusste von Anfang an, dass es in Richtung Porträts geht. Nach drei Monaten Übung habe ich nach Fotografie- Ausbildungen gesucht und die Fotoschule Wien gefunden.

Die Kamera

B: Wie arbeitest du lieber: Digital oder analog?

Pati /// © Samantha Sogeder

S: Digital geht‘s halt schneller. Ich kann voll in den Moment reingehen und mit der Person verschwimmen. Bei analoger Fotografie muss ich aufpassen. Da hab’ ich im Hinterkopf immer Schiss wie viel ein Foto kostet. Zum Beispiel mach‘ ich gerade ein Polaroid- Projekt. Dort kostet mich ein Foto 2,50 oder 3 Euro. Was, wenn das Erste nicht passt? Dann ist’s scheiße, weil ich für jeden wirklich nur eines einplane.

B: Was ist für dich das Interessante an analoger Fotografie?

S: Das Haptische. Dieses Entwickeln. Das Vergrößern find’ ich so geil. Ich könnt‘ das den ganzen Tag machen, obwohl’s im Dunkeln ist. Ich glaube, ich würd‘ da eingehen. Ich bin wie eine Pflanze, wenn ich keine Sonne hab’.

Herzensmenschen

B: Du bist seit 2021 Mitglied im Atelier Analog- einer Galerie mit dem Fokus auf analoger Fotografie. Wie kam es dazu?

S: Ich wollte einen Arbeitsplatz haben. Eigentlich wollte ich von zu Hause ausziehen. Ich hab’ mir gedacht: Na, es ist günstiger, wenn ich den ganzen Tag irgendwo bin und zu Hause nur schlafen und duschen gehe. Ich hab’ dann das Atelier Analog auf Instagram gefunden. Seit 2/3 Jahren bin ich on/off dort. Die Gründerin und Fotografin Alessandra Ljuboje war ganz wichtig für meinen Weg. Auch meine Freund*innen- ich sag immer Herzensmenschen- haben meinen Weg geprägt.

Wer mich auf meinem Weg begleitet, gehört irgendwie zu mir. Das ist eher meine Religion. So, wie wir miteinander sind. Ich merke, dass sich das auch in der Fotografie widerspiegelt.

Black-Spotlight

Samantha: Die Fotos mit dem schwarzen Hintergrund habe ich Black-Spotlight genannt.

Bohema: Wie kam es zu dieser Idee?

S: Es ist inspiriert von Marlene Dietrich. Das ist, wenn die Nase so einen Schmetterlingsschatten bildet. Marlene, die Schauspielerin, wurde nur so fotografiert. Irgendwie hat’s funktioniert und dann hab ich’s gemacht. Das ist so bei mir. Ich probier’s einfach aus. Wir Wiener*innen sagen: Was liegt, das pickt. Das ist mein Lebensmotto. Und: Ganz oder gar nicht. Dann hab’ ich das ausprobiert und mich gefragt: Warum fotografiere ich so, wie ich fotografiere? Ich glaub ich hätte gern- ist vielleicht auch mein inneres Kind- dieses Gesehen werden. Ich mach Psychoanalytische Therapie und da geht’s viel um Träume und Gedanken. Dort darfst du alles sagen, was du willst, einfach rausposaunen, ohne dass du drüber nachdenkst. Meine Therapeutin hat mich gefragt: Würden Sie meinen, Sie sind eifersüchtig? Dann hab’ ich gesagt: Um ehrlich zu sein, gar nicht. Mir ist wichtig, wenn ich bei Ihnen bin, dass ich das Gefühl hab’, dass sie mir die vollste Aufmerksamkeit schenken. Und genau das ist es, was ich versuche, meinen Klient*innen zu vermitteln. Dass sie das Gefühl haben, dass ich sie sehe, wenn sie vor mir sind. Wenn das nicht der Fall ist, sieht man das auch auf den Fotos.

Alex, Fariba und Betti für das Projekt Oberfläche /// © Samantha Sogeder

Das Fotoshooting

B: Wie gestaltest du das Fotoshooting?

S: Vor einem Shooting rede ich 10 bis 15 Minuten mit der Person, weil ich meine, wenn man sich ein wenig kennt oder irgendeine Gemeinsamkeit hat, sich das auf die Fotos transportiert. Ich glaube, ich mach sehr persönliche Fotografie.

B: Gibt es einen Dresscode?

S: Der Dresscode für die Shootings ist helle oder dunkle Kleidung, keine Muster oder Aufschriften. Make-up, Schmuck und Haare so, wie man sich wohlfühlt. Aber die Augenbrauen nicht vorher zupfen. (lachen)

B: Wieso grade Schwarz-Weiß-Fotografie?

S: Farbe lenkt ab. Schwarz-Weiß nicht. Eine Banane in Farbe schaut interessant aus. Eine Banane in Schwarz-Weiß, die musst du schon anders positionieren, damit sie interessant wirkt. Bei Schwarz-Weiß fokussierst du dich auf etwas. Daher auch der Dresscode. Das Muster lenkt ab und stimuliert das Auge. Das will ich nicht.

B: Und wie lange dauert ein Fotoshooting?

Dave /// © Samantha Sogeder

S: Eine Stunde mit viel Reden. Es ist gefühlt auch mehr reden als shooten, aber dieses Reden, diese Aufwärmphase- manche brauchen mehr, manche weniger- ist so wichtig, damit ein authentisches Foto rauskommt. Für mich ist Fotografie etwas Normales. Das darf man auch nicht vergessen. Für jemanden, der noch nie fotografiert wurde, ist das sicher ur besonders. Du ziehst dich ja seelisch aus. Nicht nur äußerlich. Für mich ist diese Arbeit sehr emotional, wirklich charakterbildend. Letztes Jahr hab‘ ich 100 Leute fotografiert. Hirnf*ck...Aber auch geil. Ich bin einfach eine Sammlerin. Projekte mit ur vielen Leuten machen mir Spaß. Ich brauche das.

B: Gibst du Anweisungen bezüglich Posen etc.?

S: Bei dem Oberflächen-Projekt hab’ ich wenige Anweisungen gegeben, weil ich herausfinden wollte, wie weit ich gehen kann, wenn ich den Raum biete- ob man sich wohl fühlen kann. Es funktioniert, aber es kommt immer drauf an, wer vor der Kamera sitzt. Kein Shooting ist wie das andere.

B: Andere Frage: Wie ist es, wenn jemand Fotos von dir macht? Bist du da mit einem fotografischen Auge dabei oder kannst du das beiseitelegen?

S: Das hab‘ ich glaub ich gar nicht. Manchmal würd’ ich sagen, ich bin gar keine Fotografin. Ich mache einfach Fotos. (lacht) Ich sage Basti (siehe Titelbild) schon meine Schokoladenseite und schau‘, dass meine Stirnfransen sitzen und dann ist’s mir eigentlich wurscht. Je mehr ich der Person vertrau‘ oder je mehr ich mit ihr reden kann, umso besser wird das Foto, umso wohler fühle ich mich.

Kreative Blockaden

B: Hast du manchmal kreative Blockaden?

S: Fix. Ich habe 60 Leute, denen ich bearbeitete Fotos schicken muss und mich hat’s nicht gezaht. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, das ist keine Arbeit, zu der ich mich zwingen kann. Das Bearbeiten braucht einfach Zeit, das braucht Kreativität, sonst geht’s nicht...Ich bin mir selbst nicht mehr so böse, wenn etwas nicht funktioniert.

Über Veränderungen

B: Wenn du an den Anfang deiner Fotokarriere denkst: Was hat sich im Laufe der Zeit bei dir verändert?

S: Dass ich zu mir steh‘ und mir vertraue. Selbst wenn’s scheiße ist, ist’s OK. Ich wollte, dass etwas unbedingt fertig ist und dass ich etwas fürs Portfolio verwenden kann. Ich wollte z.B. die ganze Zeit eine Website, hatte aber noch nicht genug Sachen. Ich kann die Fotos nicht Black-Spotlight-Fotos nennen, wenn ich das erst zehn Mal fotografiert hab’. Jetzt hab‘ ich das über hundert Mal fotografiert und kann sagen: Ja, das hab’ ich jetzt zu meinem Stil gemacht. Jetzt steh’ ich dazu und hab durch die Ausstellung genug Material für eine Website. Man muss sich die Zeit geben, um Sachen auszuprobieren.

Man muss machen, machen, machen und irgendwann merkt man, was funktioniert.

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