Stadt, Land, Naturkatastrophe

Wenn eine Schlammlawine die Bühne grau färbt, dann hat es das Hochwasser auch auf die Bühne des Kosmos Theaters geschafft: Lost (Du weisst wieso) über Zukunftsängste, Klima und DIY-Projekte.

(c) Bettina Frenzel

Fast eine Woche lang hatten Starkregen, Schnee und Kälte weite Teile Österreichs fest im Griff. Diejenigen, die im Osten Österreichs wohnen, mussten hautnah miterleben, wie sich dahinplätschernde Bäche zu reißenden Flüssen verwandelten und jedes Haus und jede Straße schwemmten, welche sich in ihrem Weg befanden. In Wien hat es bereits aufgehört zu regnen. Langsam gehen die Pegel der städtischen Gewässer wieder zurück und es kann allmählich mit den Aufräumarbeiten begonnen werden und vielleicht wird das Hochwasser wieder vergessen werden. Zumindest bis zum nächsten Jahrhunderthochwasser in einem Jahr…

Mit Olivia Axel Scheuchers Lost (Du weisst wieso) eröffnete das Kosmos Theater die heurige Spielsaison und stellt somit nicht nur eine Inszenierung auf die Bühne, welche gegen genau dieses Verdrängen der Klimakrise anzukämpfen scheint, sondern beweist auch, dass das Behandeln von Extremwetterereignissen auf der Bühne leider niemals nicht aktuell sein wird.

Erbe Adieu! 

Die namenlose Protagonist*in des Stücks erbt das alte Haus der verstorbenen Großmutter irgendwo in der Steiermark. Doch bevor das Erbe angetreten werden kann, löst sich eine Mure vom Hang und verschüttet das gesamte Haus inklusive der Erinnerungen, Hoffnungen und Träume, die damit verbunden waren. Während das Dorf allmählich zur Normalität zurückkehrt und mit der Planung eines Murenbrechers beschäftigt ist, welcher von zukünftigen Murenabgängen schützen soll, versetzt der Verlust die Protagonist*in in einen Schockzustand, welcher sie dazu zwingt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzten. Dabei lässt sich gut mit der Protagonist*in mitfühlen, denn die Probleme, Ängste, Hoffnungen und Träume scheinen universell. Auch kultur- und gesellschaftskritische Themen schneidet Scheuchers hochaktuelle Inszenierung an. 

Mochs da söba 

Der mittlerweile weit verbreitete Do-it-yourself-Trend wird aufs Korn genommen, indem eine krasse Gegenüberstellung zwischen besagtem Trend und dem früheren Leben auf dem Land unternommen wird. In steirischem Dialekt erzählt eine ältere Dame (Heidi Scheucher) auf der Bühne über ihre Kindheit am Land, während die drei Darsteller*innen (Luca Bonamore, Nada Darwish, Lara Sienczak) Milch zusammen schütten um Butter zu stampfen. Die Frage, ob man sich seine Butter im Supermarkt kauft oder doch lieber zuhause selber herstellt, ergab sich früher oft nicht. Wenn man Wäsche waschen musste, konnte dies schon mal gern den ganzen Tag in Anspruch nehmen und auch die Erdäpfel musst man selber vom Acker aufsammeln gehen.

Es wirkt fast als würde das Stück teilweise versuchen, Sympathien für beide Seiten zu wecken. Verständnis für die Leute am Land, deren Lebensrealitäten mit denen in urbanen Zentren wohnenden Menschen nicht viel gemeinsam haben. Die es nicht gerne haben, wenn ihnen aus der Hauptstadt gesagt wird, wie sie ihr Feld bewirtschaften sollen. Verständnis für die Leute in der Großstadt, die sich oft nach einem Garten und der Flucht aufs Land sehnen.

Lost, weil?

Ausweglos erscheint die Situation. Der voranschreitende Klimawandel scheint jede Zukunftsplanung obsolet zu machen und das Gefühl lost zu sein, spiegelt sich im Titel des Stücks wieder und verweist auf den Zustand einer ganzen Generation. Lost, weil das Eigenheim, von dem man so viel Erwartungen hatte, fort ist. Lost, weil, wo gehör ich hin? Aber auch Lost, denn anstatt sich nachhaltig mit den menschengemachten Veränderungen des Klimas auseinanderzusetzten wieder nur kurzfristige Lösungen gesucht werden. Es gäbe viele Gründe lost zu sein.

Wie ein Pendel schwingt das Stück immer wieder zwischen Gefühlszuständen und gegensätzlichen Themen hin und her, schneidet sie kurz an oder parodiert sie gekonnt. Allerdings nimmt sich Scheucher mit der Inszenierung fast zu viel vor. Die Fülle an Themen, die auf der Bühne ausgehandelt werden, überschlagen sich beinahe, sodass sich die Inszenierung mit der Zeit etwas in die Länge zieht.

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