Stolpern mit sich selbst

Akrobatik-Show? Comedy? Monolog? Eine Selbstsuche? – Alex Schauer sprengt mit „Bewegtseinszustand“ in der ape academy Erwartungen und Genres.

Alex Schauer, der vielseitige /// Joel Eggimann (c)

Bei der Location denkt man zunächst nicht an Theater – „Kultur in der Schwitzbude“ klingt zunächst nach Turnsaal, stink zunächst nach Schulaufführung. Ich gehe durch den Eingang einer Lagerhalle in die Garderobe, schlüpfe in meine Turnschuhe, streife mein Schweißband über … nicht heute. Heute wird mir wieder einmal klar, wie wenig man für Theater braucht:

Ein paar Stühle, etwas Licht, eine Tonanlage, ein erwartungsvolles Publikum

Bevor es losgeht, wird man über Audioansage noch darüber informiert, dass man hier rauchen und trinken - äh nicht rauchen und trinken - äh nicht rauchen aber gerne trinken darf. Wobei das mit dem Rauchen natürlich nicht für den Performer selbst gilt. Widerstände und Brüche bleiben ein lustvolles Prinzip dieses Abends. Schon der Titel „Bewegtseins-Zustand“ ist paradox in sich, wie wir im Laufe des Abends noch hören werden, falls es uns noch nicht selbst aufgefallen ist – aber zunächst von vorne.

Das Bühnenbild besteht aus den Stangen, Matten und Kletterwänden der ape academy, eigentlich ein Trainingsraum für Parcours. Was offensichtlich nicht hierhergehört ist eine Parkbank, ein roter Knopf auf einem Hocker und eine an eine Vulva erinnernde rosa Matratzenkonstruktion. Viel mehr Requisiten braucht Alex Schauer auch nicht, der sich hier in seinem Soloabend merklich in seinem natürlichen Habitat befindet – unterstützt von seinen Kolleg*innen und Freund*innen, die ihm auf der Bühne Stichworte geben oder am Ton im richtigen Moment falsch einsetzen.

Das sportliche Versprechen wird auch gleich nach der Vulva-Sturzgeburt eingelöst. So eine akrobatische Fliegenjagd bekommt man nicht häufig zu sehen. Allein dafür und für die mit großzügigem Charme vorgetragen guten oder schlechten oder schlechtersten Witze würde sich der Abend schon lohnen. Falls dem Publikum das Lachen im Hals steckenbleibt, hat Alex seinen Knopf parat, um technisch nachzuhelfen. Der rote Faden des Abends wird für jene, die ihn suchen wollen, auch gerne auf die Kletterstange gehängt, wo er für den Rest der Stunde gut sichtbar bleibt. Erwartungshaltungen des Publikums werden hier gerne entgegengenommen und auch erfüllt, versichert Alex uns.

Verkleidungsspiel der Authentizität

Dann schlüpft Alex nacheinander in verschiedenste Rollen – einen vom rechten Gedankengut getriebenen Sportler, einen von TikTok Videos angeturnten Looser und einen aufbrausenden Inneren Kritiker. Die Figuren sind große Klischees und dürfen das auch sein, ohne dabei bloßgestellt zu werden. Der Abend spielt mit Biografie und Authentizität – etwa wenn der Performer aus einem (seinem?) Tagebuch vorliest. Das ist berührend ehrlich, und in anderen Momenten wieder zum Lachen: Der Abend nimmt sich selbst zum Glück nicht (immer) ernst. Ein Tagebuch kann schließlich auch in der Zukunft weitergeführt werden, warum nicht? Dadurch gewinnt der Abend eine Freiheit, die vielleicht noch nicht ganz ausgenutzt wird: Man hätte die einzelnen Figuren ruhig noch weiter in die Groteske treiben können, um noch mehr gesellschaftsrelevante Themen tabulos anzusprechen.

„Bewegtseinszustand“ ist ein unterbrochenes Stolpern zu sich selbst, eine Suche nach Themen, die uns bewegen. Der eigentlich naheliegende Sprung vom Turnsaal zum Theater macht Lust auf mehr - Ob uns Alex Schauer und die ape academy mit ihrem kulturellen Schwerpunkt „ape create“ auch diese Erwartungshaltung erfüllen werden?

Was Alex sonst so treibt…

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