Über den Niedergang eines Berges

Alles Was Glänzt im Kosmos Theater: Über ein Dorf, vier Menschen, die Angst vor dem Vergessen, die Sehnsucht nach einem Neuanfang und die Bedrohung eines ausgehöhlten Berges.

Auf dem Gipfel /// (c) Bettina Frenzel

Nachdem der Blintelmann über die Landschaft flog und die Menschen bei ihrer Arbeit sah, beschloss er ihnen etwas Gutes zu tun. Er brach ein Stück von der Sonne ab und ließ es über einem Berg fallen. Von nun an strahlte der Berg, als würde in seinem Inneren ein Feuer lodern. Von diesem „Feuer“ sollten sich die Menschen noch lange Zeit nähren können, bis auch dieses langsam erlischt. Die Geschichte des Blintelmanns ist die Gründungssage eines namenlosen Dorfes, das mit Landflucht, der Bedrohung eines einstürzenden Berges und mit dem Vergessen zu kämpfen hat.

Ein Berg

Im Mittelpunkt der Handlung steht ein Berg, der Abbauberg, und seine Beziehung zu den Menschen im nahegelegenen Dorf. Lange Zeit spann sich das Leben der Dorfbewohner*innen um den Berg und die Schätze, die er in seinem Inneren verbarg. Die Gier der Menschen, die immer mehr und immer tiefere Schächte in den Berg hineinschlug, trug dazu bei, dass sich die Bedrohung des einstürzenden Abbauberges nun wie ein Schatten über die Leben der Dorfbewohner*innen wirft. Das Stück, das am 14. Oktober Premiere feierte, wie auch der gleichnamige Roman, erzählen die Schicksale von Merih (Dolores Winkler), Susa (Aline-Sarah Kunisch), Teresa (Nora Jacobs) und Wenisch (Michèle Rohrbach[1]): Vom Regionalmanager aus der Stadt, der wieder etwas Leben in den verlassenen Ort bringen soll, der Besitzerin des Espresso, die den Ort wie keine andere überblickt, dem jungen Mädchen, das unbedingt in die Stadt ziehen möchte und Wenisch, der das Vergangene nicht so ganz loslassen kann und hofft, dass seine Tochter irgendwann wieder aus der Stadt zu ihm zurückkehrt.

Wer spricht hier über wen?

Obwohl den vier Darsteller*innen klare Rollen zugeteilt sind und jede*r eine fixe Figur verkörpert, so war die gewählte Herangehensweise um die Geschichte der Figuren zu erzählen doch überraschend. Durch die uniformen Kostüme fällt es teilweise schwer, die einzelnen Figuren auseinanderzuhalten, da die Darsteller*innen die Figuren nicht direkt verkörpern, sondern in der dritten Person über sie erzählen und nur in gewisser Weise als diese auf der Bühne handeln. Hin und wieder wird das Erzählte durch die Gestik und das Einsetzen des Körpers kommentiert und von Clara Luzia und Catharina Priemer-Humpel musikalisch unterlegt. Besonders die Klänge von Clara Luzias Gitarre lassen den Handlungsort als eine verlassene Minenstadt irgendwo in der amerikanischen Prärie erscheinen. Thematisch und atmosphärisch schon sehr nahe dran.

Der Berg, der durch die Bedrohung bald einzustürzen allgegenwärtig ist, findet auch Ausdruck in der originellen Gestaltung der Kostüme und begleitet somit das Stück vom Anfang bis zum Ende. Wobei die großen gesteinsbrockenähnlichen Masken ein wenig den Anschein erwecken, als würden sich vier anthropomorphe Austern auf der Bühne bewegen.

Eine Verhaltenskritik

Wenn man die Romanvorlage von Marie Gamillscheg kennt, dann scheint es auf den ersten Blick, als würde die Inszenierung inhaltlich wenig Neues bieten. Allerdings fällt im Verlauf des Stücks und im nachträglichen Reflektieren darüber, auf, dass die Kritik am Umgang der Menschen mit den natürlichen Ressourcen des Planeten, die dem Text doch so sehr innewohnt, auf der Bühne umso deutlicher sichtbar wird. Auch wenn Zuschauer*innen inhaltlich wenig Neues geboten wird, bringen makemake und das Kosmos-Theater unter der Regie von Sara Ostertag eine Adaption auf die Bühne, die nicht nur buntes Licht auf die tiefgründigen Themen des Romans werfen und diese verständlicher machen, sondern auch eine Adaption, die der Vorlage mehr als gerecht wird.

Kosmos Theater /// (c) Bettina Frenzel

[1] Am Premierenabend wurde Wenisch von der Regisseurin Sara Ostertag (Körper) und von der Regieassistenz Mana Samadzadeh (Stimme) verkörpert, da Michèle Rohrbach aufgrund einer Covid-Erkrankung ausfiel.

Previous
Previous

Was der Bauer nicht kennt – zu R.M.N.

Next
Next

Viennale Survival Guide…