Bohema Magazin Wien

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Der Preis des Geldes

Daniel Hoesl und Julia Niemann im Interview über ihren neuen Film Veni Vidi Vici, Journalismus und die Zusammenarbeit mit jungen Menschen am Set.

Mit einem klassischem Chor-Intro wird man vom Regieduo Daniel Hoesl und Julia Niemann irgendwo zwischen einem glatten Wien und typisch österreichischem Landleben abgelassen. Durch symmetrisch aufgebaute Bildkompositionen gleitet man in eine Welt, die vor Protzigkeit nur so strotzt. Eine Welt, die man als durchschnittlicher Mensch oft nur aus Erzählungen kennt.

Gelangweilt von Erfolg und Reichtum, sucht der Familienvater Amon nach einem Ausgleich, welchen er im Wald immer wieder findet. So gern er das Jagen hat, hasst er es jedoch Tiere zu schießen. Die Frage gilt in diesem sehr unkonventionellem Krimi nicht dem Mörder, sondern eher wie es sein kann, dass ein Mann und dessen Familie einen Freifahrtschein für alles bekommt.
 Zwischen Kindern, die diesen übermäßigen Konsum als Alltag leben, glatt geleckten Räumen und Autos, die aufgefädelt bereitstehen, um wie Unterhosen gewechselt zu werden, spielt Amon damit, dass die Menschen in seiner Welt ihn und vor allem seinen Status mit aller Macht schützen möchten. Mit einem ironisch-witzigen Ton zeigt der sozialkritische Film exzellent, wie sich alle aus Angst um ihren eigenen Nachteil vor Auseinandersetzung und Konflikt scheuen.

Gerald Kerkletz schafft gemeinsam mit dem Regieduo Stimmungen an schönen Orten eine Welt, in welcher die Kinder Amons lernen, den Balanceakt zwischen sich-nehmen-was-man-möchte und übertriebener Freundlichkeit nach außen zu perfektionieren.

Im Interview mit Bohema erzählen die Regisseur:innen über den Weg zum Film und die Grundlagen, diesen so entstehen lassen zu können.


Bohema (B): Ihr arbeitet bei Veni Vidi Vici nicht das erste Mal zusammen. Wie kam es dazu, dass ihr gerne als Regieduo arbeitet?

Julia Niemann (JN): Das verläuft fließend. Wir arbeiten seit 10 Jahren gemeinsam. Bei jedem Projekt ergeben sich andere Rollenverteilungen. In dem Fall hatte Daniel die Idee und hat das Drehbuch geschrieben, ich war dann Dramaturgin und habe den Schreibprozess begleitet. In der Vorbereitung hat sich das dann ergeben.
Wir haben den Film bereits vor 8 Jahren versucht vorzubereiten und er wurde damals leider nicht gefördert, aber so haben wir den Casting-Prozess schon einmal gemeinsam durchlaufen, die Motive gesucht etc. Mit der Zeit verzahnt sich das Ganze dann.

B: Wo lagen bei euch denn die Herausforderungen und wie habt ihr am Set zusammengearbeitet?

Daniel Hoesl (DH): Filmemachen ist ja sowieso eine Teamarbeit. Es ist da also sowieso eher der Fehler, als Regisseur:in da so sehr im Vordergrund zu stehen, es gibt ein komplettes Team, ohne welches ein wichtiger Teil des Filmes fehlen würde. Was ich an Regie gut finde, ist das englische Wort „directing“, denn das bedeutet, eine Richtung vorzugeben. Als Regie ist es also die Aufgabe einen Haufen an Leuten zu finden, die viel besser sind, als man selber, die dann die schwere Arbeit für einen machen. In Summe ist man da auch viel besser, als man es alleine je wäre.

JN: Man muss an der Stelle auch erwähnen, dass wir davor Low-Budget-Filme gemacht haben, in einem viel kleineren Rahmen. Als voll finanzierter Langfilm war das also schon eine Herausforderung, die wir bis dahin noch nie hatten. Es hat auf jeden Fall geholfen, eine 2. Person zu haben, mit der man einen double-check machen kann und eine kleine Sicherheit hat.

B: Um auf den Inhalt zu kommen, kann ich meinerseits erwähnen, dass mir beim Sehen des Filmes direkt internationale Persönlichkeiten einfallen, welche einen direkt an Amon, den Hauptcharakter, erinnern. Gab es im deutschsprachigen Raum eine Inspiration für diesen Charakter?

DH: Es ist eine Melange aus verschiedensten Menschen, die wir zum Teil auch getroffen haben. Aber Österreich ist ja ein tolles Exportland für Korruption mit Namen wie Marsalek und Benko. Zudem haben wir allgemein schon einige Filme gemacht, die sich mit dem „Preis des Geldes“ auseinandersetzen und dem liegt eine große Recherche zugrunde, wo wir als Arbeiter*innen-Kinder wir trojanische Pferde in dieses Milieu eingedrungen sind und dieses Wissen auch nützen können. Da wir keine journalistische Arbeit machen, sondern Filmschaffende sind, verdichten wir das zu einer Satire und überspitzen das in unseren Geschichten, um zum Denken anzuregen.

JN: Ganz konkret gab es aber schon ein Erlebnis, als wir bei einer einflussreichen Person im deutschsprachigen Raum waren, welche uns in ihrer Villa empfangen hat. Kinder mit ausgefallenen Vornamen liefen mit Kronen im Haar herum und die Nanny wurde von ihnen gejagt. Es war also ein sehr helles, schönes und familiäres Umfeld und gleichzeitig lief der Butler mit Gewehren durch den Raum. Erklärt wurde uns dann, dass dieser alles vorbereiten würde, um am nächsten Tag mit dem Privatjet am eigenen Grund, auf einem anderen Kontinent zu fliegen und jagen zu gehen. Diese Nähe der Jagt und der Familie hat uns fasziniert und ultimativ Daniel dazu bewegt, das Drehbuch für Veni Vidi Vici zu schreiben.

B: Weil das Thema des Journalismus von euch bereits angesprochen wurde: Wollt ihr näher auf die Bedeutung des Journalisten in der Geschichte eingehen?

JN: Ja, ich würde gerne etwas dazu sagen. Der Journalist versucht nämlich sein Bestes, sich Gehör zu verschaffen und er hat deswegen diese Verbissenheit, weil wir beide sehr an den Journalismus glauben und, dass es die 1% sowie die 99% gibt. Das ist kein Film der kritisch auf Journalismus blicken will, sondern eher im Gegenteil. Er ist eines der wenigen Mittel die wir haben, um diese Botschaft zu verbreiten. Nur hören die Menschen nicht hin oder sie wissen es schon und es kümmert sie dann aber nicht. Dieser Journalist lässt sich am Ende dann ver-korrumpieren und das ist nicht, weil wir glauben, dass Journalismus korrupt ist, sondern weil wir glauben, dass es sehr schwer ist, das richtige Leben im Falschen zu führen.

DH: Gleichzeitig gibt es einige Menschen, welche vielleicht Polit-Karrieren hatten und sich nach dieser dann genau in die andere Richtung gewandt haben. Ich glaube auch, dass der Journalismus wie jede andere Branche ist. Nämlich, dass es überall schwarze Schafe gibt, wo sich über SMS herausstellen kann, welche Nähe es zur Macht gibt.

B: Eine weitere wichtige Rolle spielt die älteste Tochter, die als erzählende Stimme durch den Film führt. Wie kam es zu der Stimme der Tochter und wie schnell konnte Olivia Goschler für diese Rolle besetzt werden?

DH: Ich fang mal mit der Olivia an. Wir haben eine tolle Casting-Agentin, Martina Poel, durch die wir direkt einige Vorschläge bekommen haben. Ihr ging zu Beginn direkt ein Licht an, welchem wir gefolgt sind und so kam Olivia sehr schnell zu uns, obwohl es auch viele andere Kandidatinnen gab, die sich gut geeignet hätten. Mit der Entscheidung sind wir heute aber auch sehr glücklich, da sie vor allem auch in einem beeindruckendem Tempo gelernt hat eine Kalaschnikow zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen und auch sehr schnell Polo gelernt hat, was ein sehr schwerer und auch gefährlicher Sport ist.

JN: Das Voiceover dazu ist dann im Nachhinein entstanden, im Schnittprozess. Da es ein Familienfilm ist, in dem innerhalb Generationen geerbt wird und „Legacies“ weitergegeben werden und es aber gleichzeitig ein Coming-Of-Age-Film ist, da es um das Erwachsenwerden eines Mädchens geht und in dieser Familie lernt, ihren Platz im Leben zu finden. Da war es für uns nur richtig, ihr durch das Voice-Over mehr Raum zu geben, um ihre Gedankenwelt zu verstehen. Auch, um zu verstehen, wie Menschen denken, die aus solchen Familien stammen und wie gefährlich das auch werden kann.

B: Worauf achtet ihr am Set, wenn ihr mit jungen Menschen zusammenarbeitet, vor allem auch den kleinen Schwestern im Film?

JN: Wir hatten am Set eine wunderbare Kinder-Coachin, Martina Poel war sehr eng mit den Kindern. Regie ist ein sehr anstrengender Job in dem man viele Entscheidungen treffen muss und man ist so eingespannt am Set, dass man dafür nicht immer das beste Auge haben kann. Deswegen ist es auch wichtig, sich Hilfe zu holen und dafür hatten wir auch die beste Hilfe gefunden. Wir hatten auch das Gefühl, dass alle jungen Menschen am Set echt Spaß hatten. Es war so schön mit ihnen zusammenzuarbeiten, weil sie gleichzeitig auch solch eine Professionalität mitgebracht haben und es im selben Moment so wollten. Wir mussten bei den allerkleinsten wirklich selten nachbessern.

DH: Wir können an der Stelle auch den Eltern danken, die uns da wirklich gut unterstützt haben und auch oft am Set präsent waren.

B: Es gab gerade rundum die Familie und deren Anwesen sehr eindrückliche Weitwinkel-Einstellungen. Wie lange wurde nach dem Haus gesucht? Und wie war die Zusammenarbeit mit Johannes Salat, welcher sich um das Szenenbild gekümmert hat?

DH: Das Szenenbild sowie das Kostümbild ist in unseren Filmen traditionell sehr wichtig und insofern wusste ich von der Existenz dieses Hauses schon sehr lange und hatte auch seit einiger Zeit bereits die Fühler ausgestreckt, um ein Naheverhältnis zu diesem Besitzer herzustellen, was nicht einfach war. Es ging vor allem darum, dass diese Familie ein Haus braucht, das auf der einen Seite nicht protzig ist, andererseits unübertrefflich ist. Und genau das verbindet dieses Gebäude. Es ist ja das Palais Rasumofsky, das ehemalige Anwesen des russischen Botschafters, des Zaren, und dementsprechend ist es sehr groß und war ideal, weil die Besitzer Kunstsammelnde sind und wir dadurch einige Werke von ihnen für den Film nutzen durften. Wir sind auf jeden Fall unglaublich dankbar dafür und es ist ein einzigartiges Gebäude, welches den Film ästhetisch auf eine internationale Ebene führt. Es ist damit nicht so stark in Wien verankert, da die Innenarchitektur das Haus irgendwo auf den Planeten setzt. Es ist kein austauschbares Haus, aber auch kein typisches 5-Sterne-Hotel-Stil. Was diese Besitzer schon haben, ist eine bestimmte Klarheit in der Einrichtung. Zudem natürlich auch schwierig während der Dreharbeiten, da man nichts kaputt machen sollte, denn das wird teuer.

JN: Haha and we did. Aber Scherben bringen ja bekanntlich Glück.

B: Das hat nun sicherlich zum einstweiligen Erfolg des Filmes geführt.

JN: Das können wir gerne so stehen lassen.