Was Diddl mit Zigaretten zu tun hat
Ein Stück über Zigaretten ohne einer einzigen Fluppe auf der Bühne. Das Werk X Petersplatz präsentiert das Zigarettenreich: ein Refugium für Männer die nur mal schnell Zigaretten kaufen gingen und nicht wieder kamen.
Dass die frühen 2000er mitsamt ihren schrecklichen Reliquien wieder Einzug in die Popkultur erhalten haben, wird dem Publikum spätestens an dem Punkt (schmerzlich) bewusst, an dem einer der Figuren auf der Bühne erzählt, er sei der Erfinder der Diddl-Maus. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich bin schon so alt, dass ich mich an das Diddl-Fieber erinnere, selber die parfümierten Diddl-Blätter sammelte und Diddlina natürlich ganz bezaubernd fand.
Das Zigarettenreich waits for you
Aber zurück zum Diddl Erfinder und der Frage, wieso er mir das auf der Bühne des Werk X Petersplatz erzählt. Der Erfolg der Diddlmaus hat ihn wohl nicht erfüllt, sonst wäre er nicht an dem Ort gelandet, der Schauplatz des Abends ist: das Zigarettenreich.
Das Zigarettenreich ist ein unterirdischer Ort, beherbergt von allen Männern, die nur mal schnell Zigaretten holen wollten und nie wieder zurückkehrten. Wir treffen auf drei Männer - es spielen Martin Hemmer, Florian Tröbinger und Alexander Mitterer - die sich dem Paradox ergeben, ihre Freiheit in Gefangenschaft zu verbringen. Im Zigarettenreich, in das sie durch einen Code am Zigarettenautomaten hineingekommen sind, geben sie sich dem monotonen Alltag zwischen Abendgymnastik und Vergnügungen im Spaßraum hin - sogar ein bunter Abend steht auf dem Programm. Mit dem Weltschmerz allein und doch in Gemeinschaft, fristen sie ihr Dasein in aller Ruhe. Bis sich eine Frau (Karola Niederhuber) durch Zufall in das Zigarettenreich verirrt.
Jedes Stück hat ein Ende
Die Produktion Das Zigarettenreich (Jeder Traum hat ein Ende) ist die Uraufführung des gleichnamigen Stücks von Autor Marc Canal, in Kooperation mit dem Verein für gewagte Bühnenformen und in der Regie von Klara Rabl. Es ist ein spannender, moderner Text, fernab von großer Theatersprache oder Wortverwirrungen. Basierend auf einer Idee von Clemens Setz berührt der Text pointiert und aktuell menschliche Abgründe und gescheiterte Lebensmodelle. Doch in seinen eigenen Wiederholungen verbaut sich das Stück seinen Weg und nimmt weder in Wort noch Spiel so richtig Fahrt auf. Die ganze Inszenierung plätschert lange vor sich hin.
Eine Farbdramaturgie vom Feinsten
Die Ausstattung von Sophie Tautorus spiegelt die Tristesse und Monotonie des Zigarettenreichs wieder. Die Farben von Kostüm - und Bühnenbild entstammen alle einer Farbfamilie. Die 2000er Ästhetik findet sich auch in der Ausstattung, denn die drei Herrschaften tragen meiner Meinung nach eines der Fashion Faux-Pas schlechtin: Crocs. Die hellblauen Perücken helfen dabei die Männer niedlicher wahrzunehmen, als sie es vielleicht außerhalb des Zigarettenreichs sind. Und der Einschnitt, den die weibliche Gästin mit ihrem Eindringen in diese Männerwelt personifiziert, kommt in einem Jogginganzug in knallendem Orange daher. Eine Farbdramaturgie die mich an den Indiefilm Klassiker her erinnert.
Im Finale angekommen stellt sich die Frage, die mich eigentlich schon zu Beginn beschäftigte: Schafft die unerwünschte Gästin es je wieder aus dem Zigarettenreich? Wenn ja, wie? Wenn nein, wie überlebt sie in der Männerwelt? Und: was führt sie dann am bunten Abend auf? Nach dem langen Plätschern folgen die Schlusssequenzen. Da passiert es endlich und ich tauche mit fast allen Sinnen in diese Welt ein, die erst jetzt auf der Bühne spürbar wird. In dieses dystopisch-düstere Refugium, mit einer Video - und Kameraarbeit von Alexandra Braschel, die mich an die filmischen Werke von David Fincher erinnern (wer Mindhunter noch nicht gesehen hat, holt dies bitte nach).
Regieeinfälle dieser Art hätte ich mir schon viel früher gewünscht. Der Nebel kam ausnahmsweise nämlich auch erst zum Schluss. Neben der guten schauspielerischen Leistung hätte man zu etwas mehr Theaterzauber greifen können und wer weiß, vielleicht wäre das Zigarettenreich dann zu der Geburtsstätte einer Kultfigur geworden, die selbst Diddl in Vergessenheit geraten lässt.