We need to talk about… unbezahlte Arbeit (im Kulturbereich)

Praktikum, Assistenz, dann wieder Hospitanz. Warum arbeiten wir ohne Bezahlung? Eine Kolumne über das, was schief läuft und wie wir dem Teufelskreis entkommen können.

(c) Foto: Emmett Kelly im Life Magazine 1953 /// Design: Lara Cortellini

Wie viele unbezahlte Praktika hast du bereits hinter dir? Manche nennen es lieber Hospitanz, Assistenz, Internship oder Ehrenamt. Letztlich bleibt es, was es ist: Unbezahlte Arbeit. Gerade, wenn wir im Kunst- und Kulturbereich tätig sind, wird unsere Leistung von außen gerne als Hobby abgetan. Wie viele Onkel und Tanten haben mir beim Familienessen schon mit den Worten „ich würde auch gern den ganzen Tag malen oder schreiben“ auf die Schulter geklopft. Das, was wir als Beruf ausüben, vergleichen andere gerne mit ihrem Zeitvertreib. Es ist nichts neues, dass das so nicht stimmt. Und trotzdem hält sich diese Auffassung hartnäckig in allen Bereichen.

Kill your darlings

Es fällt aber auf, dass es nicht überwiegend die Menschen sind, die keine Ahnung von kreativen Berufszweigen haben, die diese Vorstellung von einem traumhaft kreativen Berufsleben gegen uns verwenden. Von außerhalb der Bubble kommt meist nicht mehr als Unverständnis. Vielmehr ist es in den eigenen Reihen so, dass wir uns gegenseitig nicht ernst nehmen. Dabei ist es egal, ob man als Künstler*in doch bitte gratis auftreten soll - weil ja so viele wichtige Menschen zuschauen könnten und bestimmt ein paar neue Fans die letzte Platte kaufen möchten – oder ob man als Volunteer Bierbänke durch die Gegend tragen soll, um mit der Arbeitserfahrung dann eine Karriere zu starten. Gerade uns „Neulinge“ in der Szene trifft es, weil wir uns nicht auskennen – und noch nicht geübt haben, wie wir uns gegen dieses subtile Gaslighting wehren können und sollen.

Warum wollen mir so viele Arbeitgeber*innen im Kulturbereich immer das Gefühl geben, was es für eine Ehre ist, bei ihnen zu arbeiten? Ja, ich, ich (!) wurde auserwählt, um meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Ich soll dankbar dafür sein, dass ich überhaupt dabei sein darf. Ich könnte viele Jobs auflisten, die ich ohne Bezahlung gemacht habe, weil ich mir einen Vorteil davon erwartet habe. Einige davon waren wunderbare Erfahrungen, und andere weniger. In meinem letzten Festival”job” sollten wir 12 Stunden pro Tag anwesend sein – als Dankeschön gab es Verpflegung, aka Bohnen im Topf, ein paar Getränkegutscheine und einen schiefen Blick, wenn man zu spät kam. Kultur in all its glory. „Das Geld fehlt“ ist oft die Ausrede. Dann steht man neben der Bühne und beobachtet den halbprivaten Sektempfang der Vorsitzenden. Yes yes, I’m looking at you. Aber gebt mir eine Chance, ich schimpfe nicht nur in diesem Text…

Karriereleitern klettern

Praktika sind wirklich oft der einzige Weg, um einen Berufseinstieg zu erhalten. Ohne Vorkenntnisse oder Kontakte wird es schwer, etwas zu finden. Viele wissen oft gar nicht richtig, wo sie anfangen sollen mit der Suche. Wer es sich nicht leisten kann, für lau zu arbeiten, kann sich die Hospitanz mit einem Nebenjob selbst finanzieren. Nicht nur das ist unfair und verstärkt die Annahme, dass wirklich nur mit reichen Eltern ein entspannter Start in die Kulturbranche gelingt. Die Generation Z wird auch in anderen Kontexten gerne als „arbeitsscheu“ belächelt. Wir wollen Freizeit, gerechte Bezahlung und keinen Boss, der*die uns im Urlaub permanent anruft. Klingt logisch? Aber wehe, wir fordern das auch ein.

Das hier ist kein Plädoyer gegen Praktika und Hospitanzen. Alle dürfen sowieso das tun, worauf sie Lust haben. Aber bitte: Lasst euch fair entlohnen. Wenn nicht mit Geld, dann mit etwas anderem – neuem Wissen, das euch niemand sonst beibringen kann, der Teilnahme an wichtigen Veranstaltungen, geilem Essen und neuen Freund*innen – was auch immer. Können wir uns darauf einigen, dass wir niemandem etwas schuldig sind? Wir arbeiten in der Kultur, weil wir gut darin sind, und weil wir gebraucht werden. Und weil wir den ganzen Laden in nicht allzu ferner Zukunft übernehmen. Hoffentlich mit Format!

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