Wie man Hitler richtig entsorgt

Die Ausstellung Hitler entsorgen im Haus der Geschichte Österreich zeigt, wie mit NS-Relikten richtig umgegangen werden kann und was uns die Geschichte lehrt. Über die Ausstellung und das Gespräch mit der Kuratorin Laura Langeder. 

Klaus Pichler / hdgö (c)

Zu Beginn der Führung macht mich Laura auf ein Fenster aufmerksam. Wenn man sich davorstellt, blickt man auf den Heldenplatz, Teile der Ringstraße und das Rathaus. Denselben Ausblick hatte schon Hitler, als er vor 84 Jahren an eben diesem Fenster stand und den Anschluss Österreichs an das großdeutsche Reich verkündete. Heute finden sich im Haus der Geschichte Österreich, kurz hdgö, an genau dieser Stelle etliche Exponate aus der NS-Zeit. Unter Glasvitrinen liegen Mikrofone, Kinderwägen und alte Lampenschirme. Die Innenräume der Hofburg säumen währenddessen korinthische Säulen, und von der Decke strahlen Kronleuchter neben Skulpturen aus der Renaissance. Die Exponate der Ausstellung aber sind nicht etwa mit Samt unterlegt, um so mit dem restlichen Prunk des Gebäudes zu verschmelzen. Ein blauer Teppich nimmt den NS-Relikten die Erhabenheit und setzt sie in einen richtigen Kontext, weit weg von Verehrung und Anbetung.

Wenn sich samstags mal wieder die Ringstraße mit tausenden Menschen füllt, die gegen die (Corona-)Politik demonstrieren, teilweise angetrieben von antidemokratischem Idealen, werden hier die Räume der Hofburg genutzt, um aufzuklären und auch zu warnen vor dem, was sich gerade so unweigerlich über unser Leben zu legen droht. In meinem Gespräch mit Laura wurde noch einmal mehr deutlich, wie evident die Parallelen von damals und heute teilweise sind. Sie erklärt mir, wie die Besucher*innen innerhalb der Ausstellung über die vergangene Zeit reflektieren und ihr Bewusstsein und Wissen über den Nationalsozialismus erweitern können. 

“Wenn NICHT, bitte entsorgen”

So startet die Ausstellung mit einem interaktiven Teil. Nachdem man ein auf einer kleinen Karte aufgedrucktes Objekt aus der NS-Zeit zugewiesen bekommen hat, muss jede und jeder über dieses entscheiden: Verkaufen, vernichten oder behalten?

Im zweiten Teil der Ausstellung wird dann jener Entscheidungsprozess des Museums zu den jeweiligen Objekten transparent gemacht. Hier befinden sich die eigentlichen historischen Objekte. Sie liegen auf Arbeitstischen, um von den Besucher*innen analysiert zu werden. Laura deutet darauf hin, dass ihre Kolleg*innen vor genau solchen Tischen sitzen, wenn sie über den Umgang mit den ihnen zugesandten Objekten entscheiden. Ein Team aus Spezialist*innen entscheidet dann aus einer Multiperspektive heraus, ob und warum ein NS-Objekt in die Sammlung aufgenommen, vernichtet oder weitergegeben werden kann. Im Falle des Einstiegsobjektes fiel ihnen die Entscheidung leicht. Es dient der kritischen Geschichtsvermittlung und erzählt eine Geschichte, die des Aufbewahrens wert ist.

Klaus Pichler / hdgö (c)

Es geht um ein Presse-Kit, welches im Besitz eines Journalisten war, der den ersten Staatsbesuch Hitlers bei Mussolini begleitete. Auf dem Arbeitstisch befindet sich aber nicht, wie erwartet, das historische Objekt, sondern der Brief des ehemaligen Besitzers an das hdgö, welcher jetzt ausgestellt unter der Glasvitrine liegt. Der Absender ist anonym.  Bitte entsorgen steht dort in schwarzen Buchstaben. Das Presse-Kit erzählt also nicht nur etwas über Mussolinis Staatsbesuch, vielmehr steht es symbolisch für die Ausstellung selbst und durch die gewünschte Anonymität auch für die unvermeidbar unangenehme Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Auch jedes andere Exponat der Ausstellung erzählt eine Geschichte von Erinnerung, ambivalenten Gefühlen gegenüber der durch den NS belasteten Familiengeschichte und nicht zuletzt von der Rezeption des Nationalsozialismus der letzten Jahre.

Klaus Pichler / hdgö (c)

Hitler entsorgen ist keine Ausstellung über den Nationalsozialismus an sich, sondern über die Gegenwart und unseren Umgang mit den dunkelsten Stunden der deutsch-österreichischen Geschichte. Es muss also nicht immer die Variante entsorgen gewählt werden. In einen Ausstellungsraum verlegt, kommt selbst Propagandaware zu einem neuen Wert, der aufklärt und mahnend informiert.  

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