„Es ging alles Richtung einer Dirigentenlaufbahn“
Emmanual Tjeknavorian über seinen radikalen Wechsel ab der nächsten Saison, Klassikkonzerte als Idealdates und seinen Respekt für Currentzis - Bristolwürfel mit Schlag für einen Stargeiger, der immer schon Dirigent war.
Freitagnachmittag in der edlen und angenehm leeren Lounge des Hotel Bristol, direkt neben der Staatsoper. „Also 500 000 sofort, den Rest...“, überhöre ich zwei Anzüge im Foyer beim Hereinkommen. Emmanuel Tjeknavorian erscheint casual gekleidet und zum Scherzen aufgelegt, er trifft seit Jahren Freunde und Kollegen hier.
Bohema: Nach all deinen Interviews ist es gar nicht so einfach, schlaue neue Fragen zu finden...
Emmanuel Tjeknavorian: Soll ich mir neue Antworten überlegen? Skandalinterview, exklusiv auf Bohema?
B: Ooh, das würde uns in die Karten spielen... Außereheliche Kinder oder so...
T: (Plötzlich todernst) ich habe tatsächlich Kinder. (Wir schauen verblüfft) nein, nein (lacht).
B: Das wär’s gewesen! Pianist Aaron Pilsan predigt auf Insta ‚Mind, Body, Piano‘. Treibst du auch so viel Sport?
T: Aah, der Aaron... (lächelt ganz, ganz breit) ist ein lieber Freund. Wir hatten eine große italienische Tournee, kurz vor Corona, haben vor paar Tagen erst telefoniert. Ich finde, das sollte nicht so plakativ auf die große Glocke gehängt werden. Aber wenn ich 17 Konzerte in 30 Tagen habe, dann muss ich fit sein. Ich trainiere regelmäßig, in einem gesunden Körper ist ein gesunder Geist.
B: …Alter Spruch...
T: Ich bin ein ganz großer Fan von diesen 08/15 Sprüchen. Wie ‘aus der Ruhe kommt die Kraft‘, das ist einfach so.
B: Bist du ein Partylöwe? Die Mähne dafür hättest du schon…
T: Ich habe schon eine Phase gehabt, wo ich sehr oft fortgegangen bin. Das war vollkommen absurd, mit 18 und 23. Aber ich mache das nicht mehr, von 30 Partys waren vier wirklich lustig. Das sind Erfahrungen, die ich aber nicht missen möchte, in der Partyszene trifft man echt verschiedenste Charaktere. Für mich gibt es jetzt nichts Schöneres, wenn man in einer sehr kleinen Runde eine tolle Zeit hat.
B: Kommen wir zum Elefanten im Raum: Du sattelst gerade um, von Geiger auf Dirigenten. Würdest du deine Stradivari ganz auf den Nagel hängen, wenn du als Dirigent den ganz großen Durchbruch hättest?
T: Nein, das nicht. Es geht rein um die Fokussierung.
B: Wie wäre die ideale Aufteilung für dich in Prozent?
T: Das ist kalendermäßig ganz was anderes, als was in meinem Inneren vorgeht. Aber kalendermäßig hätte ich nichts dagegen, 70 Prozent zu dirigieren. Um das zu erreichen, muss ich jetzt aber drastische Maßnahmen ergreifen und das zu fast 95 Prozent machen.
Ab der Saison 22/23 nehme ich keine Einladungen als Geiger an.
Ich habe noch eine Tournee mit dem Scala-Orchester, die kann und will ich nicht absagen. Mit Riccardo Chailly zu musizieren, ist fantastisch. Außer zwei-drei weiteren schon vereinbarten Auftritten werde ich aber nur noch dirigieren. Mein großer Wunsch ist, als Dirigent eine musikalische Familie, also ein Orchester, zu haben. Wenn dieser Punkt kommt und viele Wochen dafür blockiert sind, dann kann man wieder zwischendurch Herzensangelegenheiten als Geiger planen. Aber mal schauen, ob ich dann wirklich die Kraft haben werde, Geige zu üben und wie es mit meiner geigerischen Form stehen wird. Es gibt nichts Schlimmeres, als unvorbereitet auf der Bühne zu stehen.
B: Was hältst du generell von dirigierenden Solist*innen?
T: Ich finde Play-And-Conduct als Modeerscheinung furchtbar, es sind wirklich zwei verschiedene Berufe. Man muss eine gewisse handwerkliche Begabung zum Dirigieren haben und dann viel studieren. Eisschnellläufer*innen haben auch Trockentraining, wenn kein Eis da ist. Und wenn Dirigenten kein Orchester haben, gibt‘s auch Trockentraining. Der Chailly hat mal zu mir gesagt: Man darf als Dirigent*in bis 40 alle Fehler machen. Du musst das Handwerk erstmal irgendwie beherrschen und dann wirst du in den Ring geworfen. Aber gewisse Grundlagen müssen da sein und die fehlen bei Solist*innen oftmals massiv.
B: Und warum machen sie das?
T: Es gibt viele Gründe. Eine gewisse musikalische Unabhängigkeit, oder Ego-Geschichten. Manche bekommen im Alter Schwierigkeiten mit dem Instrument. Erpressung ist ein zu hartes Wort, aber manche sagen auch, ich komme nur, wenn ich auch dirigieren darf; dann bekommen sie auch höhere Gagen. Ich finde es auch sehr ungünstig, in einem Konzert gleichzeitig zu spielen und zu dirigieren, habe das immer vermieden. Ganz ehrlich, ich finde das schön, wenn da eine inspirierte Solist*in steht, man macht dann zusammen Musik.
B: Und was sagst du dazu, wenn man dich auch in diese Schublade steckt?
T: Für die Leute, die mich seit 2013 kennen ist es vollkommen selbstverständlich, dass ich dirigiere. Nachdem ich beim ARD-Wettbewerb 2013 als Geiger nicht ins Finale gekommen bin, saß ich im Zug, war enttäuscht, und habe meinem Vater geschrieben: Jetzt ist es so weit, wir fangen an mit dem langgehegten Dirigierstudium. Und dann haben wir mit der Theorie, mit den Trockenübungen und dem Partiturlesen systematisch angefangen. Wir haben das seitdem gemacht. Ich war auch bei Meisterkursen, habe schon früh Amateurorchester dirigiert.
Es ging alles Richtung einer Dirigentenlaufbahn.
Mein Plan wurde aber 2015 durch den Sibelius-Wettbewerb unterbrochen. Ich habe dort total übertrieben mit dem Ausdruck, mit der Leidenschaft, war sehr befreit, weil ich gewusst habe, ich werde Dirigent. Und dann habe ich den Preis für die beste Interpretation des Sibelius Violinkonzerts bekommen.
B: Seitdem ist das Konzert dein Signature-Stück...
T: Na klar. Und dann hatte ich unglaublich viele Auftritte als Geiger, die sagt man auch nicht ab. Es ist wunderschön, wenn du das Gefühl hast, du wirst als Geiger akzeptiert, bist technisch so frei technisch, dass du deine Gefühle einfach preisgeben kannst. Geige ist mein Instrument und wird’s immer bleiben. Aber es vergingen dann zwei Jahre und die Natur hat einfach in mir geschrien: Ich kann nicht mehr, ich muss dirigieren. Es geht nicht anders.
B: And now something completely different: Was hältst du von der Starkultur in der Klassikbranche? In den 80ern Ivo Pogorelich, jetzt Currentzis usw.
T: Es ist wie es ist... Ich glaube, es kann auch nicht anders sein, weil Dirigent*innen und Solist*innen das Verbindungsglied zwischen Komposition und Publikum sind. Ich finde, das ist nicht schlecht.
B: Wie stehst du konkret zu Currentzis?
T: Es gibt keinen Takt oder keine Note, die ich so empfinde oder so dirigieren würde, wie Currentzis.
Aber, anders als Kolleg*innen mit stark negativer Meinung, respektiere ich ihn sehr. Es wird heutzutage meiner Meinung nach weder Fisch noch Fleisch gelebt. Die Interpretationen gehen halt dahin. Und bei ihm gibt’s das nicht.
B: Und sowas hast du auch vor?
T: Ich möchte auch eine starke Handschrift entwickeln, aber nicht mit seinen Mitteln des Extremismus, des Gegen-Den-Strich-Bürstens, sämtliche Werte ad Acta legend. Tradition ist nicht immer was Schlechtes. Er erzielt ja seine starke Wirkung durch die Zerstörung dessen, was davor existiert hat. Ich muss das aber nochmal betonen, das ist zu respektieren, dass jemand das auch schafft.
B: Wer sind denn deine großen Vorbilder am Pult?
T: Es gibt so viele! Ich kenne Leute, die in ihren Zimmern Poster von Dirigenten haben, von Kleiber zum Beispiel. Das ist nichts für mich, gerade Kleiber. Ich bewundere ihn, aber ich fühle da keine starke Anziehung.
Ich hoffe, ich bekomme keine Morddrohungen von Kleiber-Fans...
Es ist heutzutage tabu, Karajan gut zu finden, aber ich finde ihn zum Beispiel großartig. Es gibt immer einen Grund, warum jemand legendär wurde, selbst bei Solti mit seinen ruckartigen Bewegungen. Aber wie das Orchester klingt!
B: Und dann ist da noch deinen Vater, Loris Tjeknavorian.
T: Er ist halt mein Vater, eine Art Hero. In meinen ersten Konzerten habe ich noch Bewegungen von ihm nachgemacht, meine Mutter hat sehr geschmunzelt. Mittlerweile ist das eher verflogen. Ich werde in einer Woche die fünfte Sinfonie von Tschaikowski dirigieren (wir haben berichtet), das war sein Paradestück. Ich habe die Schallplatte und seine Partitur, werde aber Vieles nicht so machen. Auch wenn ich das nicht falsch finde.
B: Dein Vater, ist besonders in Armenien, im Iran, aber auch weltweit bekannt. Wie geht es dir damit?
T: Ich habe das ganz große Glück gehabt, dass er Ende der 80-er seine große Karriere als Dirigent in Europa aufgegeben, nach Armenien gefahren ist, um dort mehr oder weniger zu missionieren. Es gibt de facto keinen einzigen Armenier, der meinen Vater nicht kennt, weil er beim Wiederaufbau des Landes nach dem Zerfall der Sowjetunion eine gigantische kulturpolitische Rolle gespielt hat, ab 2001 dann im Iran.
Ich habe Kindheitserinnerungen aus dem Iran oder aus Armenien, du konntest dich kaum mit ihm auf der Straße zeigen, weil ihn alle irgendwie berühren und fotografieren wollten. Aber da er seine westliche Karriere aufgegeben hat, ist hier sein Name als Dirigent und Komponist nicht mehr omnipräsent. Und das ist mein Glück. Ich will gar nicht wissen, wie es ist, immer ‘Sohn von‘ zu sein, das bin ich nur in Armenien oder im Iran. Da spiele ich momentan aber nicht.
B: Wie nah steht dir der Iran?
T: Ich verstehe die Sprache, kann aber nicht wirklich sprechen. Meine Mutter kann russisch und mein Vater kann kein Russisch, dafür persisch. Da war irgendwann eine Entscheidung pro Russisch und contra Persisch.
B: In der Welt der Musik durchaus vorteilhaft...
T: Ein Segen! Wenn du mit Russ*innen auf Russisch sprichst, sind sie ganz andere Leute. Mit einem Temirkanov kannst du höchstens Smalltalk führen auf Englisch.
B: Gibt es ein Teil des Repertoires, eine Komponist*in, worauf du als Dirigent mehr Wert legen möchtest?
T: Man könnte mehr russisches Repertoire machen, aber nicht nur Tschaikowsky. Es gibt herrliche Sachen von Borodin, von Rimski-Korsakow, nicht nur Scheherezade. Sibelius wird eher selten gespielt und oft nicht verstanden. Ich finde auch Aram Khatschaturjan toll, wird aber fast nie gemacht. Zeitgenössische Musik ist auch wichtig, aber da muss ich Kompositionen finden, die mich wirklich berühren, damit ich das mit Herz und Leidenschaft aufführe. Was ich nicht mache ist Barockmusik. Nicht nur, da ich nicht gut darin bin, ich brenne auch nicht dafür.
B: Ich habe das Gefühl, dass Interpretationen in den letzten Jahrzehnten immer schneller werden. Früher gab es auch Dirigent*innen, die für ihre langsamen Tempi bekannt waren, heute fällt mir da kaum jemand ein. Was meinst du dazu?
T: Das ist ein guter Punkt. Ich glaube, es wurde in der Vergangenheit oft langsam dirigiert, weil man sehr viel eigene Persönlichkeit reinbringen durfte. Im konkreten Fall von Tschaikowski 5 zum Beispiel: Mein Vater hat sich an die rasant schnellen Tempi von Tschaikowski gehalten (er singt, tatsächlich flott). Das ist irre schnell, auch der zweite Satz (er singt wieder schnell). Dann Mozarts g-Moll-Sinfonie, zweiter Satz (singt auch den). Der ist in 6 notiert und wurde immer so gespielt (singt jetzt langsam und buchstabierend). Aber wir wissen jetzt unter anderem aus Leopold Mozarts Violinschule: Ein Sechsertakt hat immer einen Fluss.
Es geht eigentlich nicht so sehr ums Tempo, sondern wie du es führst. Den Satz wirkt zu schnell, wenn die Kolleg*innen im Orchester das flottere Tempo buchstabierend spielen. Aber wenn sie im Fluss bleiben (er singt schnell, aber smooth), ist das perfekt. Aber du hast recht, es wird oft schnell gespielt, es verschwinden Details.
Ich werde daran denken, wenn ich die Pathetique nächstes Jahr mache.
Ich habe Celibidaches Aufnahme geliebt (singt den dritten Satz, langsamer, als das vorgeschriebene Allegro, aber sehr intense)
B: Aah, das geht schon auch so, oder?
T: Das ist ein Wahnsinn! Aber sehr weit entfernt davon, was Tschaikowsky wollte. Für mich macht das total Sinn, dann wird der Satz plötzlich zu einem Marche Funèbre. Ich glaube, bei so einem Tempo würde auch niemand vor dem letzten Satz schon klatschen, wie sonst oft. Du brauchst allerdings unfassbar tolle Musiker*innen, um die Spannung zu halten. Ist eine Herausforderung, aber ich werd’s probieren.
B: Hast du eigentlich schon Oper gemacht?
T: Nein, noch nicht, aber ich würde sehr gern. Das geht wirklich nur ab 22/23, als Geiger ist es schwer, sich sechs Wochen Zeit zu nehmen. Aber das ist ein Kapitel, das bald aufgehen wird.
B: Wie gehst du das an?
T: Um das gescheit zu machen, darf man nicht sofort in Covent Garden dirigieren. Man sollte erst an kleineren Häusern die Kilometer machen.
B: Oder wie Philippe Jordan erstmal korrepetieren und sich dann hochkämpfen?
T: Philippe Jordan ist ein hervorragender Pianist, ich kann nicht auf dem Niveau Klavier spielen. Zubin Mehta ist ein hervorragender Operndirigent, kann auch nicht Klavier spielen.
B: Aber du hast auch schon in jungen Jahren gerne Oper gehört?
T: Ja! Ich glaube, Oper kann bewegen, wie nichts anderes. Wenn man das Bedürfnis hat, unbedingt zu weinen, dann geht man in die Oper.
B: Eher italienische Oper, doch Wagner, oder alles?
T: Italienische auf jeden Fall, die sollte man nicht ignorieren. Ich müsste in den nächsten Jahren in Italien leben und perfekt Italienisch sprechen...
B: ...sprichts du es schon?
T: Ich verstehe viel, in der Oper aber bei weitem nicht jedes Wort, wie auf Russisch oder auf Deutsch. Das könnte ich mir gut vorstellen, mich in der russischen Oper zuhause zu fühlen. Onegin, Fürst Igor von Borodin, tolle Stücke.
B: Wir versuchen mit Bohema, junge Leute für Kultur zu begeistern. Was müsste man deiner Meinung nach tun, um die nächste Generation von der klassischem Musik zu überzeugen?
T: Wir können leider weniger tun, als wir glauben. Für mich ist jede Musikrichtung eine Sprache. Wie geht’s dir dabei, wenn jemand zum Beispiel auf Koreanisch zu dir spricht? Du verlierst schnell die Konzentration, es interessiert dich nicht, kommt dir fremd vor. Es ist genauso, wenn ein*e 15-Jährige*r ins Konzert kommt und davor nur Deutschrap gehört hat. Deswegen müssen wir die Kinder in den Volksschulen erreichen, weil sie da noch offen sind und die Sprache der klassischen Musik schnell lernen können. Bei Teenagern ist das schwerer.
Aber mir hat zum Beispiel Franz Welser-Möst erzählt, dass sich in Cleveland bei jungen Leuten ein Trend entwickelt hat, beim ersten Date in ein klassischen Orchesterkonzert zu gehen. Sowas ist doch schön! Jeder Mann schaut doch besser in einem Anzug aus.
Man müsste es hier auch verbreiten, dass ein Konzert ein super Ort für ein Date ist.
Ich mag aber nicht, wenn man versucht, mit irgendwelchen neuen Formaten absichtlich cool zu sein. Das Philadelphia Orchestra spielt zum Beispiel nicht mehr in Frack. Ich finde zum einen Fracks ästhetisch schön, zum anderen gehören sie einfach zur Tradition, verleihen dem Konzert etwas Feierliches. Unsere Fans mögen solche Traditionen. So verlieren wir auch noch sie.
B: Manche fühlen sich von diesen Traditionen aber abgestoßen, bekommen vielleicht doch Hemmungen, ins Konzert zu gehen...
T: Schau lieber nach St. Petersburg, in die Philharmonie gehen junge Leute, und vor allem Kinder! Die Eltern, die in der Sowjetzeit ebenfalls so erzogen wurden, nehmen ihre sechsjährigen Kinder mit, schön angezogen, mit Mascherl. Das ist dann праздник, ein Fest. Das gehört dort zur Bildung dazu. Und was wird hier gemacht? Man vertraut hier Sechsjährigen zu wenig an und erfindet deshalb Formate mit beispielsweise Vögeln und Giraffengeräuschen. Bei adäquater Vorbereitung bin ich mir sicher, dass auch Kinder in Westeuropa ein ganzes symphonisches Konzert durchstehen könnten.
B: Zum Schluss unsere Standardfrage: Welche Musik hörst du gerade gerne?
T: Ich liebe Filme, ein ganz großer Favourite ist Stanley Kubricks The Shining. Da kommt diese Musik der 30er vor, Ray Noble und seine Band. Das finde ich klasse.
֎֎֎
Epilog: Wir haben viel zu lang gequatscht für ein Interview… Hier noch ein paar weitere Highlights für die, die immer noch nicht genug haben.
B: Hast du andere Leidenschaften außer der Musik?
T: Ich versuche, alles mit Leidenschaft zu machen. Auch diesen Tee werde ich mit Leidenschaft trinken. Ich kenne mich zum Beispiel in der Kinowelt gut aus, weil mein Halbbruder Filmregisseur ist. Und Literatur gehört einfach dazu. Wenn du bei der Vorbereitung zum Dirigieren die dazugehörende Literatur liest, dann ist das Erlebnis umso stärker. Es gibt zum Beispiel Theorien, die Beethoven und Goethe in Verbindung bringen. Es klingt primitiv, aber wenn du seinen Faust liest und in diese Sprache reinkommst, das ist schon eine Inspirationsquelle zum Beispiel für die Große Fuge.
B: Kochst du gerne?
T: Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben irgendwas gekocht, habe meine Küche noch nie benutzt. Im Kühlschrank sind auch nur geschenkte Weine...
B: Du bist jetzt 26 und wir sitzen in Bristol. Wie jung fühlst du dich?
T: Ich mag es nicht, wenn sich 70-Jährige wie Fünfjährige benehmen. Ältere Leute, die junggeblieben sind und Schmäh führen, das ist was anderes. Nur bitte nicht überspielen. Wir sitzen im Bristol, ich habe aber keinen Dreiteiler mit Krawatte an, keine zurückgegelten Haare. Auch als junger Dirigent sollte man aufpassen, nicht wie ein Klemperer oder Celibidache zu dirigieren.
B: Verfolgst du eine Sportart als Fan?
T: Fußball. Ich habe die Kicker-App und muss über alle Ergebnisse Bescheid wissen. Das fing in der Volksschule in Armenien an. Mein Großvater ist ein Fußballfan, der schaut sich wirklich alle Spiele auch an, auch wenn die wegen der Zeitverschiebung irgendwann nachts beginnen. Ich wurde von ihm mit dem Fußballvirus infiziert.
B: Welchem Verein bist du besonders verbunden?
T: Real Madrid. Im Juni war ich in Madrid, zum ersten Mal im Bernabeu, im Museum und natürlich im Shop und da habe mir Real-Manschettenknöpfe gekauft. Ich habe tatsächlich kein einziges Konzert seitdem mit anderen Manschetten gespielt. Und ich muss sagen, ich dirigiere und spiele wirklich besser mit ihnen. Ein völliger Quatsch... (lacht) Aber ich trage sie einfach gern.
Als meine ganze Laufbahn begonnen hat, habe ich in den ersten großen Interviews aus Naivität viel über Fußball gesprochen, weil mich das begeistert. (Kurze Unterbrechung, Bristolwürfel mit Schlag wird serviert und bewundert) Die anderen Interviewer haben dann immer gleich gefragt: So, Sie sind ein Fußballfan? Dann hatte ich bald genug davon. Aber mittlerweile habe ich wieder Lust, drüber zu reden.