A secret bubble making double trouble

Wiens Selberdenker*innen rüsten sich gegen chinesische Feministinnen mit Männervernichtungsfantasien: Verschwörungstheorien im Werk-X Petersplatz, wie sie kein INCEL abstruser hätte fantasieren können.

Just your everyday evil feminists /// (c) Bettina Frenzel

„Der erste Wiener Gemeindebezirk wird verkauft.“ Zu diesem Überthema haben die Autor*innen Barbi Marković, Thomas Arzt und Mario Wurmitzer drei Erzählstränge verfasst, die in der Inszenierung „The Secret Bubble: Eine Verschwörung“ von Susanne Draxler beinahe nahtlos ineinander übergehen und zu einer explosiven braunen Suppe verschwimmen. Es eint sie der Glaube an die feministische Weltverschwörung, die von Chinesinnen, die eine künstliche Gebärmutter entwickelt haben, vorangetrieben wird. All das unter dem Deckmantel eines Frauen-Vergnügungsparks unter dem Stephansdom.

Inszenierung mit Nachhall

Maria Fliri, Peter Bocek und Nikolaus Firmkranz brillieren in den ständig wechselnden Rollen: die „Selberdenker*innen“ Heinz, Manfred und Karen (pardon, Karin), Schwurbler*innen des Senders „aufRECH TV“ und „Crying Dude“, der langsam eins mit seinem übermäßig hässlichen Gamingsessel im Lederlook wird, während er sich in Hate-Threads verliert. Besonders beeindruckend war die Bierzelt-Rede von Peter Bocek. Beim Augenschließen andächtigen Lauschen kam der Gedanke auf: „HC, bist du das?“

Die Bühne wird dem Titel mehr als gerecht: Eine kreisrunde Leinwand wird mit einer Videoinstallation von Dirk Pfeifer bespielt. Die Fotos von zu Fratzen verzerrten Frauengesichtern und der Farbwechsel der fortlaufenden Matrix-Schrift im Gamerboy-Feed von grün auf blutrot verfehlen ihre magenumdrehende Wirkung nicht. Auch die Musik und Soundeffekte von Electric Indigo verstärken das langsame Abrutschen in die bodenlose Absurdität und Brutalität des Geschehens. Mit transparenten Bällen sind zudem sehr haptische „Bubbles“ auf der Bühne, die als Diskussionscouch, Fahrrad, und in einer absurd-abstrakten Sexszene zwischen Manfred und Karin als Hüpfbälle dienen. Insgesamt hat Elisabeth Gressel für eine sehr passende Ausstattung gesorgt.

Lachen oder doch lieber heulen?

Auch wenn sich in den Figuren und ihren Geschichten immer wieder tiefe und tragische Abgründe auftun, wurde am Premierenabend am 7.12. viel gelacht. Das liegt wohl daran, dass die Inszenierung durchaus Humor beweist und es schafft, durch sehr unterhaltsame performative Kniffe das erdrückende Thema aufzulockern. Oft blieb aber das Lachen im Hals stecken, denn die hier gewälzten Geschichten über das MM („militantes Matriarchat“) sind nicht unbedingt abstruser als Verschwörungstheorien, die tatsächlich im Umlauf sind.

Ist es angesichts dieser Tatsache vertretbar und sinnvoll, die Thematik so lustig zu behandeln? Natürlich, Satire ist ein legitimes kritisches Mittel, und echte Verschwörungstheoretiker*innen (gendert sie, das gefällt ihnen sicher nicht!) werden oft genug belächelt. Im Wissen um die eigene aufgeklärte und moralische Überlegenheit ist es leicht, sich von solchen Menschen abzugrenzen – So wie sich das Publikum des WERK-X wohl von den sehr extremen, teils gewaltbereiten und schablonenhaft wirkenden Figuren klar abgrenzen kann.

Vielleicht hätten dem Stück etwas nahbarere Figuren, die zum Hinterfragen der eigenen Einstellungen anregen gutgetan, denn so ganz immun gegen einfache Erklärungen für komplexe Probleme sind wohl die wenigsten. Am ehesten war dies noch in den sehr treffenden heteronormativen Prinzessinenerziehungsträumen der Figur Karin der Fall. Etwas gefehlt hat auch ein Elefant im Raum, der im Kern sehr vieler moderner Verschwörungstheorien steckt und der zwar durch Begriffe wie „Finanzkapital“ und „Elite“ angedeutet, aber nicht beim Namen genannt wird: Antisemitismus.

„The Secret Bubble“ leistet dennoch einen wichtigen Beitrag, denn die Thematik der Verschwörungstheorien gehört auf die Bühne. Die Inszenierung zeichnet ein Bild von Menschen, die in fatales Gedankengut abgedriftet sind, aber lässt offen, wie ein Umgang mit ihnen aussehen könnte. Andererseits: Wer hat schon Lösungen für dieses wachsende Problem? Und ist es die Aufgabe des Theaters, sie vorzulegen? Immerhin ist es eine sehr sehenswerte, unterhaltsame und gleichzeitig betroffen machende Inszenierung, die, wenn auch keine Lösungen, sehr viele Fragen aufwirft.

“The Secret Bubble” ist noch am 15. und 16. Dezember im Werk X Petersplatz zu sehen.

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