Abgesang mit spielerischem Ende
Es ist ihre letzte Ausstellung am Kunsthistorischen Museum, mit der sie es noch einmal richtig krachen lassen wollte. „Rembrandt – Hoogstraten. Farbe und Illusion“ ist der Abgesang von 16 Jahren, in denen Sabine Haag als Generaldirektorin das Kunsthistorische Museum geführt hat.
Seit über drei Jahrzehnten ist Sabine Haag nun schon im Museum tätig, in dieser Zeit ist viel passiert, die acht Standorte des KHM-Museumsverbands sorgten 2023 für Rekorderlöse und das erfolgreichste Jahr überhaupt. Dabei setzte sich Haag immer wieder für ein Museum als Ort der Diskussion und Auseinandersetzung mit den eigenen Werken und der institutionellen Geschichte ein, als Elfenbeinexpertin und Liebhaberin für ausgefallenen Schmuck schien der neuerliche Fokus auf der Kunstkammer mit Objekten der europäischen Schatzkunst wie ein persönliches Anliegen. Oftmals wurde ihr ein zu konservatives Vorgehen und mangelnde Frauenförderung attestiert (Blog “Artemisia” von Nina Schedlmayer, 14.04.2021), klimaaktivistische Akte verurteilt sie als Vandalismus (Der Standard berichtete, 19.11.2023) und kritisiert wurden ebenso die zu geringen Budgets für Forschung und ein mangelndes Verständnis der Kulturbranche. Das Jahr 2024, ihr letztes als Generaldirektorin, wusste sie mit drei abschließenden Ausstellungen auszufüllen, darunter eine Schau zur „Renaissance im Norden“, die die zwei Schlaglichter Dürer und Holbein gekonnt mit dem Augsburger Maler Hans Burgkmair in Beziehung setzte. Nach dem 31. Dezember wird der Amerikaner Jonathan Fine ihre Nachfolge antreten, die noch von Haag geplante Rembrandt-Ausstellung wird sie am Haus um knapp zwei Wochen überdauern.
(Anmerkung der Redaktion: Jonathan Fine hat bis Ende 2024 noch die Position des Direktors des Weltmuseums Wien inne, Der Standard berichtete, 28.07.2021. Das Weltmuseum Wien besitzt eine der größten ethnographischen Sammlungen der Welt mit zahlreichen Kulturgütern mit problematischer Herkunfts- und Beschaffungsgeschichte, darunter auch eine Anzahl der Benin-Bronzen. Es lohnt sich also ein Blick in Fines Zeit als Direktor am Weltmuseum und seine Haltung gegenüber Fragen über den Umgang mit Kolonialgütern und deren Restitution: Der Falter, 21.01.2022, Südwind Magazin, 22.04.2024.)
Rembrandt - Hoogstraten. Farbe und Illusion
Solltet ihr vorher einen Time-Slot gebucht oder die stark frequentierten Stoßzeiten gekonnt umgangen haben, erwartet euch eine dem Haus entsprechende Ausstellungspräsentation in gedeckten Farben, die mit den ausgestellten Gemälden korrespondieren. Werke wie „Junge Frau im Bett“ oder „Die Heilige Familie mit dem Vorhang“ mimen ein Versteckspiel mit den Betrachtenden und dem, was man hinter den drapierten und gerafften Stoffbahnen zu erkennen sucht. Illusionistisches Highlight sind dabei weniger die Augentäuscherbilder von Klemmbrettern und allerlei Alltagsutensilien. Vielmehr sind es Gemälde wie Hoogstratens „Türe mit Handtuch, Bürste und Brief“, die in die Wandpaneele eingelassen sind und dabei einen Raum imaginieren, in dem die Besucher*innen die Schranktüre öffnen und ein mit Waschzeug und Hausrat gefülltes Fach vor sich finden sollten. So kann man nachvollziehen, wie einst die Zeitgenoss*innen Rembrandts oder Hoogstratens von gemalten Gemälderückseiten oder Türöffnungen getäuscht wurden. Die Einblicke in private Zimmer und Häuserflure, wie es Pieter de Hooch oder Gabriel Metsu gekonnt praktizieren, beherrscht auch Hoogstraten trefflich und macht uns mit seinen perspektivisch ausgeklügelten Interieurs zum Mitwisser privater Treffen, die manchmal nur durch ein scheinbar achtlos platziertes Paar Pantoffeln angedeutet werden, und stellt uns mit seinem Spiel der imitierten Materialien auf die Probe.
Vor allem in den ersten Räumen neigt die Doppelausstellung trotz der zahlreichen Exemplare hoogstratenscher Perspektivwelten unter dem Schlagschatten Rembrandts im direkten Bildvergleich immer wieder zur Einzelausstellung mit Vergleichswerken seines Schülers zu avancieren. Da hängt Rembrandts üppiges „Stilleben mit zwei Pfauen und Mädchen“ aus dem Rijksmuseum und zeugt vom freien, offenen Duktus des Malers. Daneben hängt Hoogstratens „Vogel-Stilleben mit Katze“, ungemein kleiner im Format und weniger spannungsvoll in der Definition sinnlich erlebbarer Stofflichkeit. Natürlich ist das matt glänzende Tischtuch in seiner Draperie fein ausgeführt, auch ist der unvermittelte Blick der Katze wie die Momentaufnahme einer ertappten Beuteaktion zu verstehen. Doch fehlt hier ein beherzter Bruch mit den sinnlichen Tafelbildern eines Willem Claesz Heda oder Jan Davidsz de Heem, wenngleich er ihnen dennoch schon einiges an düsterer Schwere nimmt. Der Vergleich hinkt. Nicht nur, weil wir es mit einem Lehrer-Schüler Verhältnis zu tun haben, in dem der Meister einen ungemein spielerischeren Duktus forciert und durch seine arrivierte Käuferschicht seinen oft kopierten und von seinen Schülern nachgeahmten Stil auch selbstbewusst präsentieren kann. Sondern auch, weil in beiden Werken unterschiedliche Arten von Räumlichkeit und Stofflichkeit verhandelt werden. Im Katalog ist davon die Rede, Hoogstratens Rolle zu Rembrandt „komplementär“ erkenntlich zu machen, dies ist zwar an diesen beiden Werken möglich, macht Hoogstraten aber zu einem eher regelkonformen Vertreter der Stillebenmalerei und Rembrandt zu einem gattungsübergreifenden Künstler mit dem Talent, profane Themen fast hieratisch aufzuladen. Dennoch zeigt sich auch an Hoogstratens Œuvre in dieser Ausstellung ein flexibles und stilistisch vitales Schaffen. Einige Meter weiter zeugen dann Highlights wie „Alter Mann am Fenster“ eindrücklich von der Qualität dieses vielleicht begabtesten Rembrandtschülers, der sich hier mit Witz und sublimierter Feinmalerei den Betrachter*innen präsentiert. Dieses Spiel vom Übergang des Realraumes hin zum Bildraum, bei dem sowohl Rembrandt, aber zuvorderst Hoogstraten diese Schwelle zu negieren suchen, wird in der Ausstellungskonzeption weitergeführt.
Nach den großen drei Schausälen steht vor allem eine interaktive Beschäftigung mit den Werken auf dem Programm, an die Stelle von Originalen treten daher Schautafeln und Modelle. Doch auch hier gibt es lohnenswerte Intermezzi wie den „Lesenden Philosoph“ Rembrandts, über dem sich der hohe, feingliedrig differenzierte Innenraum wölbt und damit eine Verschnaufpause von den didaktischen Versuchen des zweiten Ausstellungsteils bietet.
Auf ein Ende folgt ein Neuanfang
Wenn Sie sich dann vor dem Verlassen der Ausstellung im letzten Raum zu einem interaktiven Tumult versammeln, ist das spannungsreiche Vergleichsspiel zwischen zwei großen Malern größtenteils verschwunden. Der Charakter eines institutionell intendierten Jahrmarktes wird unterstützt durch eine beleuchtete Wand, vor der man wie die dargestellten Figuren ein Schattenspiel aufführen oder an einigen Stelen sein eigenes hoogstrateneskes Klemmbrett mit Tortenstück und Reisepass gestalten kann. Wie zur Belohnung wird dieses dann temporär an die gegenüberliegende Wand gebannt. Das mag zwar reizvoll und kurzweilig einige Aspekte der vorherig gezeigten Werke illustrieren, auch spielerisch eine Beschäftigung mit dem theoretischen Traktat Hoogstratens unterstützen. Jedoch bleibt beim Verlassen der Ausstellung hin in den Museumsshop und darüber hinaus weniger vom besonderen Geist der Zeit, in dem man Hoogstraten als einen der führenden Geister seiner Zeit und vielmehr noch als Erfinder des Trompe-l’œils erfahren kann.
Vom Nachfolger Jonathan Fine wird sich indes vor allem eine längst überfällige Sanierung des Museumsbaus mitsamt eines barrierefreien Eingangsbereiches versprochen. Ob er an die Prinzipien seiner Vorgängerin anknüpfen wird, die mit der Neuaufstellung der Kunstkammer und dem sammlungsbedingten Fokus auf den alten Meistern den konservativen Ruf sowie die Bonität des Hauses auf dem internationalen Parkett beweisen konnte, bleibt offen. Mit der im Frühjahr 2025 geplanten Ausstellung „Arcimboldo-Breughel-Bassano“ wartet jedoch ein Künstler-Trio, dass es im Dialog zu entdecken gilt und von dem sicherlich bislang unverhoffte Positionen zu erwarten sind. Und so scheinen die beiden ersten Bilder der Ausstellung von Rembrandt und Samuel van Hoogstraten fast wie ein Schlusswort und gleichsam eine Analogie auf die aus dem Amt scheidende Generaldirektorin mitsamt ihres Nachfolgers, die uns und die Scharen an Museumsbesucher*innen mit wachen, glänzenden Augen im Vorbeigehen mustern.
Die Ausstellung „Rembrandt – Hoogstraten. Farbe und Illusion“ geht noch bis zum 12. Januar 2025.