Kinda trashy… in the best way possible

Nerd meets Virtuoso oder ein Match made in Heaven? Yuja Wang und Víkingur Ólafsson mischen American Contemporary Music mit Schubert & Rachmaninoff… Und es funktioniert!

Yuja Wang und Víkingur Ólafsson /// Julia Wesely, Wiener Musikverein ©

Es war ein einzigartiger Abend, der auf mehreren Ebenen wirkte: Da war zunächst der Event-Charakter: Zwei Superstars der jungen Klassikszene, die selten zusammen auftreten. Dann die visuelle Komponente: Wangs charakteristische Bühnenpräsenz, Ólafssons konzentrierte Ausstrahlung.

Es hätte wirklich schlecht ausgehen können. Es hätte ein übertrieben kitschiger Mix aus Showpieces werden können (wie vor einiger Zeit mit Khatia Buniatishvili), oder es hätte, wie bei Víkingurs letztem Klavierabend in Wien, eine zweistündige, intensive Session an enorm anspruchsvollem Repertoire werden können, bei dem das (bei jungen, auf Social Media sehr aktiven Weltstars immer stark vertretene) junge Publikum droht, einzuschlafen. Noch dazu brauchte man ein Programm, das - auch typisch für junge Weltstars - zu einer Tour, die quer durch Europa und bis nach Nordamerika führt, immer passend bleibt.

The answer: American Contemporary Trash mit ein paar Prisen Klassiker.

Was am Anfang ziemlich unpassend klingen könnte, entpuppte sich jedoch als perfekte Mischung. Erstens bestand der Abend aus einigen Stücken, die der Großteil des Publikums in Wien noch nie zuvor live gehört hatte und es auch wahrscheinlich nie wieder tun wird. Ein frischer Wind aus neuem Repertoire, American Contemporary Werken von John Cage, John Adams und Conclon Nancarrow u. a., wehte durch den dazu sehr stark im Kontrast stehenden Goldenen Saal des Musikvereins, dem Mekka der klassischen Musik. In dieser Hinsicht also ein wahres Once-in-a-lifetime-Event.

Ein weiterer Effekt dieser Werkauswahl war, dass die traditionell so strenge Miene der Wiener*innen einer relaxteren, aber dennoch konzentrierten Atmosphäre wich. Immer wieder war im Zuschauerraum leises rhythmisches Mitklopfen und -wippen zu sehen, was auch zu dem Mitnicken und leisem Mitzählen Wangs und Ólafssons passte. Man hat schon gemerkt, dass dieses Genre, vor allem für den sonst so ernsten Víkingur, etwas Neues war.

Bei den witzigen Finalen oder plötzlich auftauchenden Ragtime-Themen der amerikanischen Stücke waren bei Jung und Alt außerdem viel Geschmunzel, Kichern und einige leise „Na Hawidere“-Kommentare dabei. Die zwei Pianisten schauten sich danach eher mit einem 😮‍💨🤪 („Na bumm, das war mal was, aber phew, geschafft!“-Blick) an.

Bei Schuberts Fantasie für Klavier zu vier Händen (D 940) und Rachmaninoffs Symphonischen Tänzen (Fassung für 2 Klaviere) wurde dafür wieder Kampfstellung eingenommen. Technisch waren die beiden ohnehin sensationell, und einem klassischen Publikum muss nunmal auch etwas Traditionelles, Anspruchsvolles geboten werden, damit das Ganze nicht als komplettes Experiment abgestempelt wird.

Und Boom - everyone’s satisfied

Dazu kamen dann noch ein paar kitschige Walzer als Zugaben und Boom - everyone’s satisfied. Das Konzertgenre „Weltstars präsentieren American Trash intermingling with All-Time-Classics“ war in Wien also ein völliger Erfolg. Das Konzert zeigte eindrucksvoll, dass sich Tradition und Innovation nicht im Weg stehen müssen. Es gelang, Jung und Alt gleichermaßen für frische Sounds zu begeistern – und das ganz ohne das klassische Erbe über Bord zu werfen. Ist es ein Modell für die Zukunft der klassischen Musik? Mal sehen, ob und wann wir so etwas wieder zu erleben bekommen.

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