An der Schnittstelle zwischen Kunst und Besucher*in
Im Dialog und im Kontext erlebt man Kunst noch einmal ganz anders: Ein Gespräch mit vier jungen Kunstvermittlerinnen, die uns einen Einblick in ihre Arbeit an verschiedenen Wiener Museen geben.
Das Spektrum der Tätigkeit als Kunstvermittler*in reicht weit über die Führungen in Museen hinaus, wie wir sie wahrscheinlich alle mindestens aus der Schulzeit kennen. In der Kunstvermittlung als Teil der Kunstpädagogik informiert man durch verschiedene Methoden in Theorie und Praxis über Kunst und macht sie zugänglicher, schafft Dialoge und arbeitet an gestalterischen Prozessen, zum Beispiel der Kuration von Ausstellungen, mit. Im Gespräch erzählten uns Larissa Kopp (Queer Museum Vienna, Siegmund Freud Museum), Jasmin Ofner (KUNST HAUS WIEN), Michaela Pilat und Tabia Reinwald (beide am Mumok) von ihrer Arbeit.
Bohema: Wie seid ihr dazugekommen, Kunstvermittlerinnen zu werden?
Larissa: Ich habe schon sehr früh in dem Bereich angefangen. Ich habe, während ich in Nürnberg Kunstpädagogik studiert habe, Kindermalstunden am Germanischen Nationalmuseum gegeben. Ich bin auch Künstlerin und wollte das gern mit der Kunstvermittlung verbinden. In Wien habe ich dann am Freud Museum und im Kunsthistorischen Museum als Vermittlerin angefangen. Das Queermuseum ist ein Verein und dort bin ich unter anderem für die Vermittlung zuständig.
Jasmin: Ich habe eine Ausbildung als Graphikdesignerin gemacht und schon immer gern kreativ gearbeitet, gebastelt, gezeichnet. Dann habe ich begonnen Kunstgeschichte zu studieren und habe mich total in das Fach verliebt. Ich habe dann ein Praktikum in der Marketing- und Kunstvermittlungsabteilung im KUNST HAUS WIEN gemacht. Am Ende meines halbjährigen Praktikums war eine Stelle in der Kunstvermittlung frei und ich bin gleich am Haus geblieben. Seit Juni leite ich die neu strukturierte Kunstvermittlungsabteilung dort.
Michaela: Ich war zuerst bei der Kulturvermittlung in der Landesausstellung in Steyr, meiner Heimatstadt. Dort wollte ich einfach unbedingt Teil des Teams sein. Dann habe ich gemerkt, dass mir das wirklich liegt, vor allem das Arbeiten mit den Kindern. Als ich dann nach Wien gekommen bin, hatte ich sehr große Lust das weiterhin zu machen. Weil ich mich auch gern mehr mit moderner Kunst befassen wollte, habe ich mich beim Mumok beworben.
Tabia: Mir ist gestern Abend bewusst geworden, dass ich jetzt schon seit sieben Jahren dabei bin. Ich habe während des Studiums als Kunstvermittlerin bei der Albertina angefangen. Und dann habe ich nie wieder damit aufgehört (lacht). Ich war dann noch am Kunsthistorischen Museum und jetzt bin ich auch am Mumok tätig.
B: Was macht euch am meisten Spaß an eurem Job?
Michaela: Es ist einfach super, Infos teilen zu können und zu sehen, dass es die Leute interessiert. Man lernt immer viel Neues und kann mit den Besucher*innen Blickwinkel teilen.
Tabia: Ich habe davor eine Schauspiel- und Sprechausbildung gemacht und finde es super, dass ich das mit meinem Interesse an Kunst verbinden kann. Außerdem sehe ich es als große Verantwortung den Künstler*innen gegenüber, weil wir als deren Sprachrohr fungieren. Man versucht, den Künstler*innen gerecht zu werden, indem man den Leuten von ihren Gedanken und den Hintergründen der Werke erzählt.
Jasmin: Das Strahlen in den Augen der Kinder, wenn man sie für etwas begeistern kann und wenn man sie wirklich erreicht. Dann übertragen sie ihre Energie auf einen, das gibt mir ganz viel Kraft. Auch die Fotografie ist eine große Motivation für mich, ich setze sie auch gern für die Vermittlung ein.
Larissa: Das Gefühl, dass man eine Arbeit macht, mit der man wirklich etwas bewirken kann. Man kann viele Leute erreichen und etwas in ihnen auslösen oder ihnen zumindest einen Denkanstoß geben. Mir gefällt auch sehr gut, dass man durch die Sonderausstellungen immer wieder vor eine Herausforderung gestellt wird und sich in neue Themen einarbeiten kann.
Die Arbeit mit den verschiedenen Altersgruppen und Gruppendynamiken sowie die große Abwechslung, die es nie langweilig werden lässt, sind für alle vier große Pluspunkte an ihrer Arbeit.
Wie entsteht ein Vermittlungskonzept?
Es erarbeiten immer ungefähr ein bis zwei Vermittler*innen gemeinsam ein Konzept, in dem beschrieben ist was genau erreicht werden soll, welche Methoden eingesetzt werden und wie der genaue Ablauf aussieht. Manchmal werden auch externe Kompetenzen dazu geholt, zum Beispiel für einen bestimmten thematischen Schwerpunkt, oder Pädagog*innen für die Vermittlungskonzepte für Kinder. Nach dem Feedback der Kolleg*innen und einem Probedurchlauf können alle auf das Konzept zugreifen und es durchführen.
B: Von wie viel Vorwissen geht ihr aus? Wie merkt ihr wie viel schon da ist?
Michaela: Es ist wichtig, die Begrüßung auszudehnen und konkret zu fragen, wer schon da war oder schon wie vertraut ist mit dem Thema.
Larissa: Ich frage auch immer gern nach, ob sie vielleicht aus einem bestimmten Grund in dieser Ausstellung sind oder ob sie sich für einen bestimmten Bereich interessieren. Nachfragen hilft immer.
Tabia: Menschenkenntnis ist sehr wichtig, die ersten Minuten sind entscheidend, von denen hängt ab, ob du die Gruppe insgesamt erreichst oder nicht. Wenn ich vorab schon weiß wer kommt, dann bereite ich mich ganz gezielt vor, um dann auf gewisse Interessensbereiche eingehen zu können.
Jasmin: Vor allem bei Schulen ist es wichtig, davor mit den Lehrer*innen zu sprechen, um zu erfahren was bereits zu der Ausstellung gelernt wurde. Dann frage ich die Schüler*innen auch nochmal konkret selbst.
B: Gibt es ein Alter, mit dem ihr am liebsten arbeitet?
Tabia: Am liebsten habe ich Teenager, zu hören was sie denken ist meistens am spannendsten.
Michaela: So 15- bis 16-Jährige, die dann unbedingt anecken wollen, da entstehen meistens die spannendsten Gespräche.
Am nervösesten war ich bei meiner ersten Kindergartenführung, die Kleinen alle zusammenzuhalten und alle gleichermaßen zu begeistern ist gar nicht so einfach. Aber ich habe von einer erfahrenen Kollegin einen guten Tipp bekommen: man kann eine Picknickdecke mit in die Ausstellung nehmen und alle Kinder müssen sie zusammen tragen. Dann hat jed*:r eine Aufgabe und niemand geht verloren, während man zum nächsten Werk geht.
Larissa: Ich könnte nicht sagen, dass ich ein Lieblingsalter habe. Es können mit allen Gruppen tolle Erlebnisse entstehen.
Jasmin: Je jünger sie sind, desto kreativer und offener ist die Arbeit. Das macht mir am meisten Spaß, aber es ist auch am anstrengendsten. An Erwachsenenführungen mag ich, dass immer wieder sehr spannende Diskussionen entstehen, obwohl die Hemmschwelle etwas zu teilen immer höher wird, desto älter sie sind.
Herausforderungen
So spannend und bereichernd das Dasein als Kunstvermittler*in auch ist, gibt es, wie überall, auch einige Schwierigkeiten und Herausforderungen, mit denen man in diesem Bereich immer wieder konfrontiert wird. Es gibt viele Aspekte, die unterschätzt werden. Das passiert besonders schnell, wenn die Leitung der Abteilung der Kunstvermittlung selbst keine Erfahrung mit der Vermittlungsarbeit hat.
Das Dienstverhältnis
Als Kunstvermittler*in ist man nur selten fest angestellt, meistens arbeitet man als freie*r Dienstnehmer*in. Das bedeutet unter anderem, dass man sich nur schwer auf jede Gruppe individuell vorbereiten kann, da man diese extra Einarbeitungszeit nicht bezahlt bekommt und dies in seiner Freizeit machen müsste.
Außerdem muss man sehr flexibel die Arbeitszeiten betreffend sein und sich immer spontan danach richten, für wann ein Vermittlungsprogramm gebucht wurde.
Zusammenarbeit der Vermittlung mit den anderen Abteilungen im Museum & Zugänglichkeit der Museen und des Vermittlungsprogramms
Wie sehr die Vermittlungsabteilung in die Konzeption der Ausstellung eingebunden wird, hängt stark von den jeweiligen Kurator*innen ab. Es kann sein, dass Vermittler*innen sogar bei den Wandtexten mitarbeiten können, es kann aber auch sein, dass sie überhaupt kein Mitspracherecht haben. Es scheint das Vorurteil zu bestehen, dass die Ausstellung zu kindgerecht und zu wenig anspruchsvoll wird, wenn die Vermittlung mitarbeitet. Aber kann eine Ausstellung jemals zu verständlich sein? Eigentlich sollte doch genau das das Ziel sein.
Auch wäre es wichtig die Vermittler*innen in die Raumplanung mit einzubinden. Oft wird übersehen zu planen, wie Werke am besten für eine Führung angeordnet sein sollten oder es wird kein Raum für die Vermittlung eingeplant, zum Beispiel Platz für einen Sammelpunkt größerer Gruppen.
Barrieren durchbrechen
Auch die Zusammenarbeit mit der Marketing- und Presseabteilung ist sehr wichtig, damit das angebotene Vermittlungsprogramm vielseitig beworben werden kann. Leider fehlt oft die interdisziplinäre Arbeit und die Vermittlungsangebote werden nur selten, zum Beispiel auf Social Media, ausreichend angekündigt. Das gilt insbesondere für die kostengünstigen Angebote, die kaum bekannt sind. Die Zugänglichkeit von Museen wird durch viele Barrieren erschwert, die Eintrittspreise sind extrem hoch, die Inhalte wirken auf bestimmte Personengruppen zu anspruchsvoll, das Ambiente schreckt durch einen elitären Eindruck ab.
Das Marketing spricht meist nur bestimmte Zielgruppen an, die sowieso ins Museum gehen würden. Es ist wichtig, gemeinsam mit der Vermittlungsabteilung Werbekonzepte zu erarbeiten, die alle Wiener*innen auf einer Ebene abholen.
Die Zusammenarbeit mit Vereinen kann dafür sehr hilfreich sein, da es oft schwierig ist, einzelne Menschen anzusprechen.
Die Vermittler*innen müssten auch für verschiedene Zielgruppen geschult werden, beispielsweise bedarf es einer konkreten Vorbereitung für Führungen mit integrativen Klassen.
Sprache im Museum
Die Sprache spielt eine entscheidende Rolle bei der Kunstvermittlung. Sie bestimmt über Barrierefreiheit und Verständlichkeit, Grundvoraussetzungen für ein bereicherndes Kunsterlebnis. Es ist wichtig nicht zu vergessen, wie groß die Belastung für die Stimmen der Kunstvermittler*innen ist, wenn sie den ganzen Tag sprechen. An der Albertina gibt es beispielsweise eine Sprachtrainerin. Die Vermittler*innen wärmen vor dem Dienst ihre Stimmen auf, um Entzündungen zu vermeiden.
Die Förderung von Gebärdensprache und Mehrsprachigkeit ist besonders wichtig. Dafür wäre ein Austausch zwischen den Häusern wünschenswert, so könnten unterschiedliche Sprachkompetenzen genutzt werden.
In Gebärdensprache zu übersetzen ist eine große Kostenfrage, für die zunächst Ressourcen freigemacht werden müssen.
Im Kunsthistorischen Museum Wien gibt es beispielsweise den Barriere*FREI*Tag mit Führungen in Gebärdensprache, einfacher Sprache und Tastführungen. Auch einfache Sprache muss gelernt sein, am schönsten ist es, wenn bereits für die Texte mit den Zielgruppen zusammengearbeitet wird. Am Mumok gab es für die Ausstellung Enjoy ein Projekt, bei dem Kinder Texte zu den Kunstwerken geschrieben haben. Wenn Kinder für Kinder schreiben, ist die Verständlichkeit der Inhalte fast schon garantiert.
B: Euer schönstes Vermittlungserlebnis:
Tabia: Ich hatte einmal in der Albertina mit einer Schulklasse aus Deutschland eine sehr coole Führung. Drei Jahre später habe ich eine Klasse im KHM geführt und es sind ein paar der Schüler*innen zu mir gekommen und haben mich mit Namen angesprochen. Das war dieselbe Klasse wie vor drei Jahren und sie hatten sich an mich und die Führung damals erinnert. Das war so ein schöner Moment, Jahre später und nicht einmal im selben Museum, das hat mich extrem berührt. Da habe ich gemerkt, dass ich echt etwas hinterlassen habe.
Michaelas schönste Erinnerung: Das war, als ich das erste Mal das Format Kunst und Musik geleitet habe. Da gehen wir mit den Kindern mit Musikinstrumenten in die Ausstellung. Dann musizieren wir mit ihnen vor den Kunstwerken. Ich hatte einmal eine Gruppe, die super zusammengespielt hat, das hat sich wahnsinnig schön angehört. Danach gehen wir immer ins Atelier und die Kinder malen zu Musik und dürfen nicht reden. Das war so eine großartige Gruppe, die haben sich komplett fallen lassen, sie haben zur Musik getanzt und gleichzeitig gemalt und sich wirklich nur durch Zeichensprache verständigt. Es war ur schön, ihnen zu zusehen.
Jasmin und Larissa waren sich einig, dass sie so viele tolle Erlebnisse hatten, dass sie zu einer wunderschönen Erinnerung verschmelzen.
B: Zum Schluss noch eine kreative Frage, bei der ihr eurer Fantasie freien Lauf lassen könnt. Was wäre euer Traum-Vermittlungsprojekt? Mal ganz unabhängig von finanziellen Mitteln und allen anderen herkömmlichen Einschränkungen?
Larissa: Ich würde gern mal wieder ein Projekt machen, bei dem man eine Schulklasse über einen längeren Zeitraum begleitet.
Tabia: Eine Art Kunstvermittlungsexkursion, bei der man europaweit reisen könnte und die Vermittlungskonzepte verschiedener Länder verknüpft.
Michaela: Ich würde etwas mit Student*innen gut finden, Austausch mit ihnen, auch von der Angewandten oder Akademie zum Beispiel.
Jasmin: Ich würde mich über ein Projekt, das mehrere Museen verbindet, freuen. Dabei könnte man verschiedene Sparten und Schwerpunkte zusammenbringen. Man könnte auch noch mit Schulen zusammenarbeiten und das Ganze mit den Lehrinhalten abstimmen.
Insgesamt wünschen sich alle vier mehr Austausch unter Kunstvermittler*innen und zwischen den Museen. Es wäre schön, auch österreichweit Konzepte auszutauschen.
Jördis für Bohema: Vielen Dank an euch vier für das tolle Gespräch!
Es lohnt sich, sich die Veranstaltungsprogramme und angebotenen Führungen in Museen, Galerien und Ausstellungsräumen anzuschauen und daran teilzunehmen, um die Chance zu erhalten, die Kunst im Dialog, intensiver und aktiver zu erleben - und mit etwas Glück begegnet man dabei vielleicht Michaela, Jasmin, Larissa oder Tabia.