Apokalypse verfehlt

Zwischen Schulchor-Ästhetik und Cringe-Faktor: Ein wichtiger Appell zur Klimakrise verliert sich in „Die Zukunft reicht (noch immer) nicht (Klagt, Kinder, klagt! Ein Update)“ im Schauspielhaus.

Die Zukunft streitet /// (c) Franzi Kreis

Schuldenkantate oder Nerd-Chor?

Die Idee des Stücks: Eine postheroische Schuldenkantate über den Klimawandel, die sich damit befasst, warum alte weiße Männer immer noch über uns alle bestimmen und die Kluft zwischen Gesellschaftssparten, wie zwischen Arm und Reich, immer mehr wächst. Ein elfköpfiger Chor betritt in uniformem Gewand die Bühne, sie streiten, schreien und singen. Eine zwölfte Figur, die eine Mischung aus allwissender Apokalypsen-Seherin und Millennial ist, tritt ebenfalls auf die Bühne. Sie lässt einen Vogel fliegen, während sie eine Reihe aus langen Monologen beginnt: Theoriefetzen und Ideen aus Politik und Gesellschaft, die selbst für wissende Zuseher*innen nur schwer schlüssig werden. Zwischen jedem kollektiv geschrienen Statement des Chors wird angeatmet. Durch die Menge an Personen klingt es so, als hätte jemand vergessen sich zu schnäuzen. Kein einfaches Unterfangen, den eigentlich wichtigen Statements zu lauschen.

Plastiksackerl, Farbexplosionen, Spätkapitalismus

Im sonst simplen Theaterraum liegen am Boden mehrere weiße Säcke, die sich bald als Leichensäcke entpuppen. Im Verlauf des Stücks werden jedoch auch Gegenstände aus ihnen herausgeholt, wie aus einem Aufbewahrungssackerl. Im Raum liegen sie verteilt wie benutzte Plastikbeutel. Die gewollte Message des Stücks ist immer dringlicher und wichtiger in der spätkapitalistischen Lebenswelt: Uns läuft die Zeit davon, die Klimakrise muss ernst genommen werden. Deshalb ist es umso enttäuschender, dass es die meiste Zeit extrem schwierig ist, den Aussagen der Darstellenden zu folgen. Die Schwierigkeit liegt jedoch nicht unbedingt an der Komplexität der Thematik, sondern in der Art wie die Sätze theatral verpackt werden. Das Anatmen, das Wechseln zwischen zwölf Stimmen und das viele Bewegen und der dennoch szenisch langweilige Zustand erschweren es, dass der Funken überspringt. Nach circa einer Stunde gibt es eine Farbexplosion und eine kurze Dialog-Sequenz - der einzige Höhepunkt.

Gemeinsam sind wir cringe?

Die Chormetapher der Gemeinsamkeit könnte durchaus Sinn ergeben. Letztlich erinnert das Ganze aber an die Schulaufführung, die das Interesse am Klimawandel im Keim erstickt. Die ersten verlassen den Saal. Wie eines der Chormitglieder einmal auswirft „Ist das Cringe?!“ - ja schon. Mensch hat das Stück danach definitiv nicht gleich aus dem Kopf verbannt. Leider bleibt aber nicht die politische Notwendigkeit und Emotionen zum Kampf gegen das Patriachat, den Klassismus und die aktuellen Herrschaftsstrukturen im Gedächtnis, sondern sorgt eher für Ermüden. Die Zukunft reicht noch immer nicht, mit dem Stück reichts mir schon.

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