Challengers in retrospect
Luca Guadagninos Tennisdrama: in Schweiß getränkte Gesichter, hektische Kameraumdrehungen, pulsierende Technobeats.
Lange heiß diskutiert in sämtlichen Sozialen Medien und als sexy Love-Triangle-Drama mit Tennisästhetik angeteasert, kam Ende April endlich Challengers (2024) von Luca Guadagnino in die österreichischen Kinos. Nach Call Me by Your Name (2017) und Bones and All (2022) – zwei meiner absoluten Lieblingsfilme – waren die Erwartungen an Guadagninos nächsten Film mit Star-Besetzung groß. Mike Faist und Josh O’Connor schlüpfen in die Rollen der beiden Kindheitsfreunde Art Donaldson und Patrick Zweig. Als sie die aufstrebende Tennisikone, Tashi Duncan (Zendaya), auf einer Party kennenlernen, beginnt ein Wettkampf um ihre Anerkennung. Überrascht wurde ich, trotz der vielversprechenden Besetzung, von recht flachen Figuren und einem Filmerlebnis, welches ich für lediglich ‚unterhaltsam‘ und für die 132 Minuten auch als ‚fesselnd‘ bezeichnen würde. Ironischerweise bleiben aber Call Me by Your Name und Bones and All emotional weitaus mehr ‚challenging‘ als Challengers.
Das, was vom Innenleben der Protagonist*innen gezeigt wird, beschränkt sich auf deren Verhältnis zum Wettbewerb - sei es im Tennis oder in der Liebe. Viel tiefer reicht es leider nicht. Dabei sind es eigentlich drei sehr spannende Hauptfiguren. Ihre inneren Konflikte, wie z.B. die Anziehung zwischen Art und Patrick oder Tashis Minderwertigkeitsgefühle nach ihrem Unfall werden zwar angedeutet, aber nie derart greifbar, dass man mit ihnen mitfühlt. Challengers versetzt die Zuschauer*innen in die Position von passiven Beobachter*innen eines recht oberflächlichen, aber feurigen Wettkampfes.
Besonders auffallend ist der fehlende Nachklang von Challengers. Kaum lief der Abspann über die Leinwand, verfiel ich relativ schnell in eine Gleichgültigkeit gegenüber den Schicksalen der von Tashi, Art und Patrick. Wenn ich an die Schlussszene von Call Me by Your Name denke, welche mich definitiv mit schwerem Herzen aus dem Kino gehen ließ, oder Bones and All, wo ich beim Verlassen des Kinos mit leichter Übelkeit zu kämpfen hatte. Das sinnliche Filmerlebnis, das ein wunderbares Merkmal von Guadagninos früheren Filmen darstellt, beschränkt sich hier größtenteils auf ein Gefühl von Hektik - unterstrichen durch den sehr präsenten Techno Score von Trent Reznor & Atticus Ross.
Das Dreieck
Luca Guadagnino beschreibt das Liebesdreieck in Challengers nicht als klassischen Kampf zweier Rivalen um eine Dritte, wie aufgrund des Trailers schnell vermutet. Es sei vielmehr ein Dreieck, in dem sich alle drei Ecken berühren. Zendayas Figur ist zwar wohl das primäre Objekt der Begierde für beide männlichen Charaktere, doch die Beziehung zwischen Art und Patrick ist mindestens genauso spannend. Bereits während der Kennenlernszene im Hotelzimmer verraten Zendayas Blicke, dass Tashi die Anziehung zwischen den beiden Freunden erkennt und auch einsieht, dass sie dieses Spannungsverhältnis ausnutzten kann. Sie erkennt ihre Macht innerhalb der Dreierkonstellation und entzündet mit ihren Reizen ein Feuer zwischen Art und Patrick - ein Feuer, welches gleichermaßen den Kampf um Tashi anheizt, als auch die Lust der beiden Freunde aufeinander.
Während sie in der Standford Kantine über Patricks Absichten mit Tashi reden und dazu Churros essen, manifestiert sich ein Mix aus pubertärer Eifersucht, Liebe und schelmischer Provokation. Erst streicht Art Patrick mit einer besänftigenden Geste Krümel aus dem Gesicht woraufhin dieser provokant von Arts Churro abbeißt. Wie heißt es nicht so schön: „was sich liebt, das neckt sich“, beide genießen das. Die Churro-Szene erinnert in mehreren Hinsichten an die Pfirsich-Szene aus Call Me by Your Name (2017). Sowohl beim Churro-Essen als beim Entspannen in der Sauna, kurz vor dem Challengers-Finale, reden die beiden Männer zwar sehr wohl über Tennis oder über Tashi, doch das Gespräch wird komplett überschattet von der sexuellen Spannung zwischen den beiden. Der homoerotische Subtext beginnt jedoch eigentlich schon mit der Szene im Hotelzimmer bei der Art und Patrick aus ihrer Vergangenheit erzählen und von Tashi gefragt werden ob sie jemals zuvor sexuelle Erfahrungen geteilt haben. Als die beiden Tashi gleichzeitig küssen, lehnt sich diese zurück und beobachtet zufrieden wie ein spontaner Kuss zwischen Art und Patrick entsteht.
Hin und Her
Justin Kuritzkes arbeitet für sein Drebuchdebüt mit exzessiv vielen Zeitsprüngen. Der Film beginnt mit dem Finale des Challenger-Turniers im Jahr 2019. Art Donaldson gegen Patrick Zweig. Dieses Turnier zieht sich als Rahmenereignis durch den Film und wird von zahlreiche Rückblenden, die bis zu dreizehn Jahre zurückreichen, unterbrochen. So wird den Zuschauenden nach und nach enthüllt, welche Vorfälle zwischen den Protagonist*innen zu der angespannten Stimmung beim Endspiel geführt haben und wie die beiden Freunde Tashi kennengelernt haben. Ähnlich wie in einem Tennismatch, indem sich das Blatt ständig wenden kann, wird deutlich, dass auch Tashis romantisches Interesse über die Jahre hinweg abwechselnd Art oder Patrick gegolten hat. Wie es dann kurz vor dem finalen Challengers-Match um das Trio steht, erfährt man erst relativ spät.
Mein erster Gedanke war: wieso diese Zeitsprünge? Wäre der Film in chronologischer Reihenfolge nicht viel eindrucksvoller? Die häufigen Wechsel der Zeitachsen begünstigen eine wachsende emotionale Distanz des Publikums zu den Charakteren. Dabei hat es etwas von dem krampfhaften Versuch mit einfachen Mitteln viel Spannung aufzubauen, ähnlich wie in billigen Teenie-Dramen. Meinem Empfinden nach wurde aber dadurch eher das Potenzial für Spannung gebrochen. Durch die Sprünge konnten Momente wie z.B. Tashis Schwangerschaft oder Patricks Kampf mit finanziellen Problemen grob übersprungen werden. Als Zuschauende nimmt man den Figuren ihre Entwicklungssprünge nicht so wirklich ab. Vor allem Zendaya plötzlich in der Rolle von Mutter, Ehefrau und Tenniscoach zugleich zu sehen, erlebte ich aufgrund der Nichtlinearität irgendwie als unglaubwürdigen Twist. Aber immerhin erinnert das zeitliche Hin und Her an den Takt und die Hektik eines Tennisspiels und ist in diesem Zusammenhang, wenn auch übermäßig ausgeschöpft, ein originelles Erzählelement.
Tennis, Tennis, Tennis
Nicht nur der Rhythmus des Films erinnert an ein Tennisspiel, sondern auch die Beziehungskonstellationen der Figuren. In Challengers werden die romantischen und einst freundschaftlichen Beziehungen zwischen Tashi, Art und Patrick in Begriffen von Gewinner*in-Verlier*in dargelegt und gemessen. Die Tennisthematik soll die Beziehungsdynamik zwischen den drei Leads versinnbildlichen. Der konkrete Vergleich des Tennisspiels mit einem Liebesakt wird von Tashi selbst eingeführt. Sie erklärt den beiden nach einem erfolgreichen Match: „You don‘t know what tennis is. It’s a relationship. (..) It was like we were in love.“ Doch auch abgesehen von diesem Zitat nutzt Guadagnino ‚Tennis‘ als offensichtliche Metapher für die Beziehungsdyanmiken in seinem Film. Ist Tashi also nun die Trophäe welche hin und her gereicht wird, oder repräsentiert sie den Tennisball - und wäre demnach ein Mittel zum Zweck des Spiels zwischen Art und Patrick?
So wie Tennis aus Duellen besteht, und keine Dreierkonstellationen möglich sind, steht auch in dem Beziehungsdreieck zwischen Tashi, Art und Patrick eine polyamouröse Lösung nicht zur Debatte. Es ist entweder Art oder Patrick, und es gibt diesbezüglich lediglich ein Abwechseln. Ein Tennismatch lebt ebenso davon, dass zwei Gegner*innen in eine Abhängigkeitsbeziehung treten. Denn auch alleine spielt sich kein Tennis. Trotz der Notwendigkeit eines Gegenübers, denkt jede*r dabei an sich selbst. So wie beide Spieler*innen in einem Match voneinander abhängig sind um überhaupt eine*n Gewinner*in und eine*n Verlierer*in hervorbringen zu können, sind auch Tashi, Art und Patrick von mindestens einem der anderen beiden abhängig, um ihre eigene Leidenschaft zu befriedigen. Tennis wird porträtiert als physischer Akt zwischen zwei Menschen, welche zum Zweck des Spiels in einer Art von toxischer Kodependenz voneinander abhängig sind.
Visuell sind die Tennisspiele erotischer und intimer als jede Sexszene. Anstatt objektiv mit einer statischen Kamera ein Spiel abzubilden, legt Guadagnino den Fokus auf Nahaufnahmen von verschwitzen Körpern und Gestöhne nach dem Ausholen mit dem Tennisschläger. Die wahrscheinlich aufwändigsten und ungewöhnlichsten Shots des Films lassen sich in den Tennisszenen finden. Hier wurde wild herumexperimentiert um das finale Match aus allen möglichen Blickwinkeln zu zeigen und bloß nicht in Langeweile zu verfallen. Einmal aus der Perspektive des Tennisballs, ein weiteres Mal von unterhalb des Spielfelds. Dann wieder Zendayas eiserner Blick von der Tribüne aus. Ein wilder Wechsel zwischen subjektiv und objektiv. Oder der Fokus liegt auf den Schweißtropfen, die in Zeitlupe von den Körpern tröpfeln. Die Ästhetik des Wettkampfs steht im Mittelpunkt, nicht der Sieg an sich. Es geht in Challengers nie um das Ende eines Spiels, sondern um die kompetitive Dynamik dazwischen. Einen endgültigen Sieger zu küren, würde die Spannung aufheben.