Cool Girl - Kann Man(n) da überhaupt noch mithalten?

2012 machte Gillian Flynn das Konzept des Cool Girls in ihrem Roman Gone Girl bekannt, doch erst die gleichnamige Verfilmung machte es zum Kult.

“Being the Cool Girl means I am a hot, brilliant, funny woman who adores football, poker, dirty jokes, and burping, who plays video games, drinks cheap beer, loves threesomes and anal sex, and jams hot dogs and hamburgers into her mouth like she’s hosting the world’s biggest culinary gang bang while somehow maintaining a size 2, because Cool Girls are above all hot. Hot and understanding. “
Gone Girl, Gillian Flynn

Cool Girl ist nicht eines dieser Mädchen, das sich die Nägel lackiert, stundenlang über Jungs redet und nur rosa tragt. Cool Girl ist anders. Sie hat Tiefe, sie hat Dimensionen. Cool Girl trinkt Bier, rülpst vor den Jungs und kennt sich mit Autos aus. Sie ist dein bester Kumpel – verpackt in einen wunderschönen, femininen Körper.

Vom taubstummen Sidekick zum Männertraum

Gesellschaftliche Regulierungen und Vorstellungen, wie eine Frau sein soll gab es schon immer. Die Romantisierung der „perfekten“ Frau fand besonders im 20. Jahrhundert statt und spiegelt sich in Werbekampagnen, Popkultur und Gesetzeslagen wider. Die „perfekte“ Frau bleibt zu Hause, mit den Kindern, kümmert sich um den Haushalt und um das Wohlergehen des Mannes. Diese Idealisierung findet seinen Hochpunkt in den 1950ern und 1960er und wurde ein zentrales Thema der zweiten Welle des Feminismus, als Frauen Eigenbestimmung und Wahlrecht forderten. Sie wollten nicht mehr nur Hausfrau sein, nein, sie wollten sich entscheiden können zwischen traditionellem Rollenbild und Karriere. Mit diesem Wandel in der Gesellschaft kam auch ein Wandel der Repräsentation der Frau in Medien. In den 1980ern und 1990ern erschienen immer mehr „coole“ Frauen auf unseren Bildschirmen und in unseren Büchern. Bekannte Beispiele sind Ellen Ripley oder Sarah Connor. Plötzlich waren Frauen nicht nur verklemmte Nebenrollen, die dem Mann nur beistanden. Sie waren plötzlich selbst einer der Boys. Dies war der Grundstein für das spätere Konzept des Cool Girls, welches ein starker Kontrast zu dem idealisierten „perfektem“ Rollenbild der 50er Jahre war. Sie löste sich von den Klischees der Hyperfemininität und der stillen Toleranz ihres Umfeldes. Cool Girl hatte Meinungen, wusste aber, wann sie diese einbringen durfte. Anders als die „perfekte“ Frau der 1950er war sie zielstrebig und sehnte sich nicht nach Familie und Bindung. Sie war das komplette Gegenteil der perfekten Frau, wäre da nicht diese eine Sache: Sie war all dies nur, um dem Mann zu gefallen.

Das OG Cool Girl

Obwohl die zweite Welle des Feminismus eine große Rolle in der Popularisierung des Cool Girls gespielt hat, gab es ein schon lange zuvor eine literarische Figur, welche Eigenschaften eines Cool Girls hatte: Jo March.

Als Louisa May Alcott ihren Roman Little Women im Jahr 1868 publizierte, ahnte sie wohl kaum, dass sie möglicherweise das erste Cool Girl kreierte. Jo March ist nämlich nicht wie ihre Schwestern - sie sehnt sich nicht nach männlicher Anerkennung oder der Ehe. Stattdessen arbeitet sie fast schon verbissen an ihrer Karriere, während sie ungezwungene Freundschaften mit Männern pflegen kann. Denn anders als ihre Schwestern interessiert sie sich nicht für Äußerlichkeiten. Jo ist selbstbewusst und unabhängig – genau, warum sich Laurie in sie verliebt.

Wäre Jo March ein modernes Cool Girl, wären sie und Laurie am Ende zusammengekommen und somit wäre eine perfekte, kleine Schleife um Lauries Glück gebunden worden. Das außergewöhnliche Mädchen bekommt den perfekten Mann. Jo March ist aber kein modernes Cool Girl. Sie wurde nicht geschrieben als männliche Fantasie, sondern als eine literarische Aufarbeitung von Alcotts Weltansicht. Statt Liebesglück entscheidet sie sich für sich selbst. Ob Jo March wirklich als Cool Girl abgestempelt werden kann oder ob sie lediglich nur Elemente von einem hat, ist also diskutabel. Ist es nicht möglich, dass eine Frau einfach gewisse Charakterzüge hat, die als „männlich“ gelesen werden, ohne dass sie damit ein gesellschaftliches Ziel verfolgt? Oder werden Frauen immer nur in Relation zu Männern betrachtet? Es scheint, als könne eine Frau in unserer Gesellschaft nur dann agieren, wenn dies für oder wegen eines Mannes passiert. Doch ist Jo nicht der beste Beweis dafür, dass eine Frau auch einfach nur sie selbst sein möchte – ganz unabhängig vom männlichen Blick?

Männerschwarm oder Psychopathin?

Eines der bekanntesten Cool Girls unserer Zeit ist Robin Scherbatsky aus How I Met Your Mother.

Son, a piece of advice. When you go on a first date, you really don’t want to say ‘smurf-penis’. Girls don’t ordinarily like that. But this was no ordinary girl.”
Ted Mosby, How I Met Your Mother

Bereits bei ihrem ersten Date mit Ted ist klar: Robin ist Teds absolute Traumfrau. Sie ist entspannt, liebt einen Scotch der alt genug ist, seinen eigenen Scotch zu bestellen und kann bei Ghostbusters mitsprechen. Im Laufe der Staffeln lässt Robins Coolness aber nicht nach. Sie steht auf Hockey und Waffen, kann mit Romantik nichts anfangen und ihr primärer Fokus liegt auf ihrer Karriere. Die Serie schafft es, Robins Attribute zu verstärken, indem sie sie in direktem Kontrast zu Ted stellt, welcher das komplette Gegenteil eines Cool Girls ist. Ted ist ein hoffnungsloser Romantiker, er ist emotional und komplex. Trotzdem sehnt er sich im ganzen Verlauf der Serie nach Robins Liebe und Anerkennung. Er weiß, dass sie niemals die Mutter seiner Kinder sein wird, trotzdem versucht er sie in diese Rolle zu pressen. Zahlreiche Trennungen später findet Ted endlich die Mutter seiner Kinder und somit auch seine Ehefrau. Alles, was er sich je gewünscht hat, oder? Nein. Denn Männer wie Ted wollen nicht das, was sie denken zu wollen, sondern sie wollen das Unerreichbare. Das Cool Girl. Teds Faszination mit dem Cool Girl geht so weit, dass er sogar nach dem Ableben seiner Frau sich trotzdem für Robin entscheidet.

Gillian Flynns Amy Dunne ist ein weiteres, ikonisches Beispiel des Cool Girls. Als Amy Nick kennenlernt, erkennt sie schnell, was dieser sich von der perfekten Partnerin wünscht. Sie presst sie sich also mühsam in eine Form, nur um ihm zu gefallen. Amy ist wunderschön und schlank, obwohl sie fettige Burger isst, sie liebt seinen schmutzigen Humor und verbirgt ihre wahren Emotionen. Ihre Fassade beginnt zu bröckeln als Nick trotz Amys Bemühungen fremd geht. Diese Erschütterung, trotz Perfektion immer noch nicht gut genug zu sein, treibt Amy zum innerlichen Zusammenbruch. Sie schwingt das Pendel in die komplett gegensätzliche Richtung und tut nun alles in ihrer Macht, Nick zu zerstören. Die Illusion, sie könnte seine perfekte Partnerin sein, ist nun zerstört und somit auch ihre Psyche. In ihrem Wahn macht Amy aber auch eine sehr wichtige Beobachtung.

„I waited patiently – years – for the pendulum to swing the other way, for men to start reading Jane Austen, learning to knit, making jam. No dice.“
Gone Girl, Gillian Flynn

Amy hatte Jahre ihres Lebens investiert, um Nicks Ideal zu entsprechen. Nick aber hatte sich keine Gedanken dazu gemacht, ob er genug für Amy war. Und genau das ist der Kern des Problems: Das Konzept des Cool Girls ist nämlich nur für Frauen vorbehalten. Männer verspüren nicht den Wunsch oder gar den Druck sich für eine Frau in eine Fantasie zu verwandeln. Sie brauchen nicht „cool“ zu sein, um begehrenswert zu sein. Die fälschliche Annahme, dass sie mit dem absoluten Minimum oder sogar mit Untreue durchkommen, ist eine Begleiterscheinung des Mann-seins.

Was man(n) wirklich will

Cool Girl ist nicht real - sie ist lediglich eine Verkörperung einer männlichen Fantasie. Im Grunde ist sie nichts anderes als dein bester Kumpel in einem wunderschönen, großbusigen Frauenkörper. Sie ist nicht ein Produkt ihrer eigenen Wünsche und Bedürfnisse, sondern biegt sich so, dass sie einem Mann gefällt. Ihr Verlangen „männliche“ Hobbys auszuüben, locker gegenüber ihrer Sexualität zu stehen, keine Ansprüche zu haben und sexy zu sein sind nur Begleiterscheinungen ihres eigentlichen Ziels: dem Mann zu gefallen. Dieses Konzept kann in Filmen und Büchern ganz unterhaltend sein, doch die Gefahr wird dann real, wenn Frauen glauben auch im realen Leben diese Frau sein zu müssen, um begehrenswert zu sein. Das Problem mit literarischen Tropes ist, dass Leser*innen sehen welche Auswirkungen diese auf die fiktive Welt haben und wollen diese nun in der realen Welt nachahmen. Junge Mädchen und Frauen beginnen sich also zu verstellen, um in das Idealbild der Männer zu passen. Doch wer ständig einer Fantasie nachrennt, verliert das Wichtigste: seine eigene Identität.

Ich bin kein Cool Girl und Spoiler: Du auch nicht!

Cool Girl ist eine spezifische Frau – und doch keine zugleich. Sie ist weder real noch greifbar, und trotzdem versucht man, uns Frauen diese Fantasie zu verkaufen: Wenn wir nur ein bisschen mehr, wie sie wären, könnten auch wir den Mann unserer Träume bekommen. Doch du wirst niemals Cool Girl sein – genauso wenig wie ich. Denn Cool Girl ist voller Widersprüche. Sie trinkt Bier und isst Pizza, und trotzdem behält sie die Maße 90-60-90 bei. Sie ist sexuell aufgeschlossen, ohne sich Bindung davon zu erhoffen. Sie ist „eine der Bros“, ohne dabei abstoßend zu wirken. Diese gegensätzlichen Vorstellungen davon, was eine Frau sein und aushalten soll, sind besonders alarmierend, wenn wir uns vor Augen halten, dass es kein männliches Gegenstück zum Cool Girl gibt. Niemand erwartet von Männern, dass sie Jane Austen lesen, Liebesbriefe schreiben, ein Sixpack haben und sich eine große Familie wünschen. Dieses idealisierte Bild des Mannes wird weder in den Medien aufgegriffen (zumindest nicht so wie das Cool Girl), noch versuchen Männer aktiv, ihm zu entsprechen. Der Druck, in eine bestimmte Rolle zu passen, ist einseitig – und bleibt allein Frauen vorbehalten. Wahre Cool Girls aber lassen sich von diesem Druck nicht manipulieren. Sie leben ihr Leben, wie sie es wollen – auch wenn das nicht den Vorstellungen eines Mannes entspricht.

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