Die Letzte Fahrt der Demeter – Das Ding aus unserer Welt auf Schifffahrt

Nach The Invitation (Dracula heiratet) und Renfield (Dracula als schlechter Arbeitgeber) wird im dritten Dracula-Film innerhalb von 12 Monaten der berühmteste Vampir der Literatur- und Filmgeschichte von Regisseur André Øvredal auf ein Transportschiff losgelassen. Blöd nur, dass dessen Besatzung allesamt 2 Tage vor der Pensionierung steht.

Monster auf Schiff /// (c) Universal

Der Transport mehrerer Kisten von Rumänien nach England soll die letzte Fahrt des Kapitäns der Demeter (Liam Cunningham) werden. Danach ist angedacht, dass sein erster Maat Mr. Woyzech (David Dastmalchian) das Ruder übernehmen wird. Da die Demeter-Crew etwas unterbesetzt ist, wird noch der arbeitslose Arzt Clemens (Corey Hawkins) mit an Bord genommen. Als plötzlich alle Tiere an Bord verenden, findet Clemens in einer der Kisten eine halbtote Frau (Aisling Franciosi), welche die Seeleute vor einer blutsaugenden Kreatur namens Dracula warnt. Doch damit nimmt das Unglück seinen Lauf, denn der Vampir nimmt sich einen Matrosen nach dem anderen vor. Und der Seeweg nach England ist ein sehr langer…

Die Letzte Reise ist das Ziel

Nach 20 Jahren in der Development-Hölle (u.a. war Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky als Regisseur im Gespräch) ist diese Teilverfilmung von Dracula endlich in den Kinos. Teilverfilmung deshalb, weil der etwa zweistündige Film nur einen Teil des 7. Kapitels des Gruselromans (weniger als 19 Seiten des 552-seitigen Buches) thematisiert, nämlich die Auszüge des Logbuchs des Kapitäns des Schiffes.

Und das führt uns zu einer interessanten Ausgangslage: Wir wissen, was passiert! Das Schicksal der Demeter und ihrer Crew ist bekannt. Warum sollte uns ein Film darüber kümmern? Hier muss dann gleich mit einer Gegenfrage geantwortet werden: Warum sieht man sich Titanic an? Das Schicksal des Schiffes und seiner Mannschaft bleibt dasselbe. Um ein wenig Rätselraten zu generieren,  wurden ein paar unbekannte Variablen in die Gleichung gesetzt: Arzt Clemens wird mit seinem rationalen Kalkül schnell zum Protagonisten des Filmes; Rumänin Anna und Schiffsjunge Toby kommen in der Vorlage auch nicht vor, sorgen aber für wichtige emotionale Bindung zum Publikum. Darum ist es nicht möglich, im Vorhinein etwas zum Schicksal der drei zu sagen und es kann nur gehofft werden, dass jemand von ihnen doch überlebt.

Ratio trifft auf Mythos /// (c) Universal

Wir schauen Filme, deren Ende wir bereits kennen, schlussendlich für die emotionale Bindung zu den Figuren, und was dadurch in uns ausgelöst wird. Wir kennen das Ziel der Reise bereits, aber gerade darum ist die Art des Weges umso wichtiger. So ist es hier mit Die Letzte Fahrt der Demeter, und ähnlich ist es auch mit Stoffen, die demselben Genre bzw. demselben Narrativ angehören.

Der Vampir aus einer anderen Welt

Es herrscht eine gute Gruselstimmung den gesamten Film über, in Sachen Furcht stolpert der Film dennoch der kurzen Szene aus Nosferatu hinterher. Der erste Maat untersucht nach dem Verschwinden der Mannschaft den Frachtraum, und erlebt dabei, wie sich Graf Orlok (Max Schreck) aus seinem Sarg erhebt. Die Szene ist kurz, pointiert, und absolut furchteinflößend. Viel mehr wird nicht über die Ereignisse auf der Demeter erzählt.

Durch die Berichte des Kapitäns im Buch und dem Cold Opening des Filmes ergibt sich auch eine gewisse Erwartungshaltung, was das Ende und den Heldenmut des Kapitäns betrifft. Hier fühlt man sich an Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt erinnert, als die norwegische Forschungsstation untersucht wird. Äxte in den Wänden, verkohlte Leichen von…Etwas draußen vor dem Schnee. Diese Hinterlassenschaften dienen dem World Building, da sie davon zeugen, dass an dem Ort etwas passiert ist. Was man hierbei aber nicht vergessen darf, ist, dass die Imagination des Publikums immer die kreativste Geschichtenerzählerin ist, und das auf der Leinwand Gezeigte selten damit mithalten kann. Statt der bekannten Devise bei Filmdramaturgie, „show, don’t tell“ (zeige, anstatt dass du darüber redest), sollte es hier stattdessen eher heißen: „tease, don’t show“ (deute an, statt dass du zeigst).

Die letzte Fahrt der Demeter zeigt die Dinge. Und vielleicht gerade deswegen können gewisse Erwartungen nicht ganz erfüllt werden. Carpenter hatte bei The Thing wohlweislich darauf verzichtet, die Geschichte der norwegischen Station zu erzählen, sondern die Bilder für sich sprechen lassen als Vorbote der Dinge, die kommen würden.

“Es herrscht eine gute Gruselstimmung” /// (c) Universal

Auf dem Meer hört dich niemand schreien

Dracula ist in Die Letzte Fahrt der Demeter nicht der Gentleman-Vampir, den wir aus diversen Verfilmungen kennen. Vielmehr ist er hier lediglich ein Monster, intelligent zwar, aber alles andere als elegant. Sein Aussehen ist mehr an Graf Orlok angelehnt als an Bela Lugosi. Und diese Kreatur ist nur schwer in einem feinen Anzug mit Zylinder vorzustellen. Dadurch wird dem Film auch eine potenzielle Dimension genommen, dafür darf man sich noch mehr an Ridley Scotts Alien erinnert fühlen. Ein fremdes, unmenschliches Wesen, dass ein vertrautes und isoliertes Gebiet Stück für Stück übernimmt und pervertiert, und dabei einen Menschen nach dem anderen tötet.  Die Demeter ist ein wundervolles Schiffset, und bietet verschiedene individuelle Räume. Klaustrophobische Stimmung kommt dann auf, als Dracula nach und nach in all diese Räume eindringt. Nirgendwo ist es sicher.

Selbst die Andersartigkeit des Wesens wird nach und nach weniger, und uns Menschen immer ähnlicher. In einem alternativen Ende von Alien tötet der titelgebende Xenomorph Protagonistin Ripley, und macht einen Logbuch-Eintrag in ihrer Stimme. Scott wollte damit zeigen, dass diese Alien-Rasse in der Lage ist, das Menschsein nachzuahmen. In ”Demeter” hat auch Dracula eine Stimme, kann sich dadurch als Mensch ausgeben und in der zivilisierten Welt verstecken.

Diese Schifffahrt, die ist schaurig, diese Schifffahrt, die hat Blut

Die Letzte Fahrt der Demeter ist ein solider Dracula-Film, der sich mehr auf den Horror-Suspense von Alien fokussiert, dabei aber vom Gruselfaktor hinter der allerersten Verfilmung um den Vampir hinterherhinkt. Auch wenn man den Ausgang der Reise kennt, so bleibt die Frage im Hinterkopf, ob so manche Figur die Überfahrt überleben wird. Dracula wird leider eher monströs als Gentleman-like portraitiert, wodurch seine Identität als Dracula-Film in Zweifel gestellt werden kann.

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