Electric Memories

12 Auftritte bis Morgengrauen: Eine musikalische Nacht als a vibrant Hommage an den verstorbenen Avantgarde-Musiker Peter Rehberg und sein Label Editions Mego im WERK.

Fennesz /// Ines Bacher (c)

Bald ein Jahr nach seinem plötzlichen Tod ist es wohl schwer, sich etwas Passenderes vorzustellen als eine solche Veranstaltung, um den vordenkerischen britisch-österreichischen Musiker Peter Rehberg und sein Label Editions Mego zu zelebrieren. Im Rahmen der Wiener Festwochen haben Isabelle Piechaczyk und Gisèle Vienne am 28. Mai ein fantastisches Line-up im Club Das Werk kuratiert. Rehberg alias Pita hatte unter anderem 2006 in Wien das respektierte Label für experimentelle, ambiente und elektronische Musik Editions Mego gegründet, um die Arbeit von Mego (1994-2005) fortzusetzen. Viele enge Vertraute des Verlags waren an diesem Abend anwesend.

An diesem Samstagabend öffnet der berühmte Club im nördlichsten Rand des 9. Bezirks seine Türen etwas früher als sonst, kurz vor Sonnenuntergang. Das Programm der Nacht ist phänomenal, alles ist vorhanden: von den störrischen digitalen Pads von Inou Ki Endo über den modularen Techno von Nik Colk Void bis hin zu den psychedelischen und ätherischen Tonsequenzen von Caterina Barbieri und ihren drei Live-Chorist*innen. Außerdem sticht auch das Set des in Berlin lebenden kenianischen Künstlers KMRU hervor, das sowohl durch seine scheinbare Einfachheit als auch durch eine subtile Kontrolle der Klangspannungen und deren Entwicklung in seinem Sounddesign beeindruckt.

Reise zum Mittelpunkt des Tons

Einziger Wermutstropfen ist die krankheitsbedingte Abwesenheit der genialen Electric Indigo, die kurzfristig durch eine andere Koryphäe der Wiener Technoszene, Pure, ersetzt wurde. Die 12 Auftritte folgen bis zum Morgengrauen aufeinander. Man hat das Gefühl, die ganze Nacht von einer Darbietung zur nächsten zu gehen, als würde man in einem rasenden Auto abwechselnd die Landschaften rechts und links anschauen. Sie sind einander äußerst ähnlich, ohne je identisch zu sein. 

Der Klang der Familie

Trotz der vielen Besucher*innen herrscht von Anfang an bis zum ersten Morgenlicht eine familiäre Atmosphäre im Club. Das Publikum weiß, wofür es da ist, niemand ist zufällig hergekommen. Hier und da unterhält man sich mit Jugendfreund*innen von Künstler*innen, die auftreten. Sie erinnern sich begeistert an den jungen Peter Rehberg, der schon damals ebenso neugierig wie kompromisslos mit seiner Musik umging. Man fühlt sich wohl und privilegiert, scheinbar eine umfassende Seite der elektronischen und experimentellen Musik des frühen 21. Jahrhunderts vor sich zu haben und so ein kleines Stück Geschichte zu teilen. Je länger der Abend dauert, desto mehr tauscht man sich auch anderweitig aus: Es wird getanzt. Der lange Klangpfad der Nacht führt uns auf natürlichste Weise von langen Tonabstraktionen zu einem tanzbareren Techno. So trivial es auch klingen mag, an diesem Abend fühlt man sich einfach heimisch. Alle lächeln, alle nehmen aufeinander Rücksicht und genießen die dargebotene Musik.

Le roi est mort, vive le roi

Ohne eine Debatte darüber anfangen zu wollen, wie eine ideale Hommage aussehen sollte, die es so auch vermutlich gar nicht gibt, stelle ich mir demütig aber gerne vor, dass sich Rehberg über die Begeisterung für ein so anspruchsvolles Programm gefreut hätte. Eine Hommage ohne unnötige Schwere, die einen musikalischen Lebensweg umspannt. Alles in allem ein schöner Erfolg. Nun hat sein trauerndes Label die Entscheidung getroffen, Rehbergs Arbeit fortzusetzen, bis die letzten Stücke, an denen er vor seinem Tod gearbeitet hatte, veröffentlicht sind. Der Atem seiner Arbeit wird in Rehberg noch lange weiterleben. Ein eleganter Abschied. Der König ist tot, es lebe der König.

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