Konzerte für Demenzkranke und ein Löffel von Beethoven
Wie der Musikverein in der Saison 2022/23 sein traditionell hochkarätiges Programm erweitern will.
Christian Thielemann, Daniel Barenboim, Jewgenij Kissin. Die Topstars der klassischen Musik sind natürlich weiterhin Fixpunkte im Programm des Traditionshauses, ebenso wie die Wiener Philharmoniker, Symphoniker, das Cleveland Orchestra und das LSO. Die Liste ließe sich natürlich noch deutlich länger weiterführen. Und dass selbstverständlich das klassisch-romantische Repertoire im Kern des Spielplans bleibt, wurde Musikvereinsintendant Stephan Pauly bei der Pressekonferenz zur Programmpräsentation ebenso nicht müde zu betonen.
Neue Schlaglichter
Genauso will der Neointendant (die laufende Saison ist zwar seine erste, aber noch deutlich von der Pandemie geprägt) den Musikverein aber auch „jünger, zeitgenössischer, vielfältiger“ machen. Und das auf programmatischer und gesellschaftlicher Ebene. So stehen Künstler wie Igor Levit oder die Dirigentin Elim Chan im Mittelpunkt eigener Portraitreihen. Ob Levit mit seinen 35 Jahren noch immer ein junger, aufstrebender Künstler ist und „für Aufbruch stehe“ oder nicht eh schon längst ein Star am Pianist*innenhimmel, sei dahingestellt...
Aber eben auch die zeitgenössischere Musik soll vermehrt in die Säle des Hauses einziehen, und so wird nicht nur der Franzose Mark Andre „Komponist im Fokus“ sein, sondern auch moderne Musik in die großen Programmreihen u.a. eines Barenboim miteinbezogen.
In gleich drei Festivals im Laufe der Saison werden dann ungewöhnliche Programmzusammenstellungen vorgenommen, so zum Beispiel beim Festival „Paris tanzt“ mit François-Xavier Roth und seinem Orchester Les Siècles, welches die Musik der Ballets Russes in den Mittelpunkt stellt. Oder eben im „Musikverein Festival“, das sich ein Objekt aus der reichhaltigen Sammlung der Gesellschaft als Ideengeber aussucht. Nächste Saison dient also Medizinlöffel Ludwig van Beethovens dazu, Musikstücke zum Themenkomplex Krankheit, Heilung, Arznei, Rausch, Verwandlung auf den Programmzettel zu setzen.
Divers und modern?
Diversität als omnipräsentes Schlagwort kann auch an einer Institution wie dem Musikverein nicht vorbeigehen. So wird die Kooperation mit der Brunnenpassage fortgesetzt, um neue Publikumsschichten anzusprechen und ein Projekt mit der Caritas entwickelt, um Menschen mit Vergesslichkeit den Musikgenuss zu ermöglichen. Auch eine neue Partnerschaft mit Unitel soll es geben, um mehr Konzerte aus dem Musikverein aufzuzeichnen und für Streaming und Fernsehen zugänglich zu machen. Eine eigene Webseite à la Digital Concert Hall sei dabei aber nicht zu erwarten.
P.S. Unser wackerer Chefredakteur Dávid Gajdos hat dem Intendanten persönlich unseren offenen Brief mit der Forderung nach ermäßigten Restkarten für junge Leute übergeben. Herr Pauly sicherte zu, eine Antwort folgen lassen zu werden. Stay tuned!