Pateli & Solka im Konzerthaus

Patricia Kopatchinskaja und Sol Gabetta mit einem wilden Programm vom Barock bis zur Moderne: Über Risiken und Nebenwirkungen des energischen Geige-Cello-Duos informierte Sie Hannah Kandinsky, Ihre Expertin vor Ort.

Streicherinnenharmonie /// Konzerthaus FB, Julia Wesely (c)

Wenn man das Brodeln des Saals beobachtet, hat man schnell das Gefühl einem sozialen, und nicht einem kulturellen Event beizuwohnen. Die Massen drängen langsam durch den Saal, Arme schwingen großzügig auf, Küsschen werden vergeben, es wird gewunken und geplaudert – Wiens High Society hat sich hier zusammengefunden, um das Wienerkind Patricia Kopatchinskaja und die Argentinierin Sol Gabetta zu hören.

Seit ungefähr zwei Wochen touren die beiden durch Europa, um ihr neues Album Sol&Pat zu zelebrieren – fünf Jahre dauerte die Entstehung der CD, wie der gedruckte Dialog der beiden (einander als „Pateli“ und „Solka“ benennend) im Programmheft offenbart.

Beim Wort genommene Musik 

Stampfend und scheppernd betreten Kopatchinskaja und Gabetta in mit Glöckchen bestickten Schuhen die Bühne: Ihr erstes Stück Tambourin von Jean-Marie Leclair leitet mit volkstümlichen Melodien in den Abend ein – natürlich bis zum Karikaturistischen ausgereizt, theatralisch und vor Energie strotzend. Leider wird im Laufe des Abends aber klar, dass eine Tournee ziemlich auslaugen kann – die nachfolgende Energie, die man sich nach solch einer Eröffnung erwartet, setzt mit ein paar Ausnahmen leider nicht mehr ein. Obwohl es ein gängiges Phänomen bei schwer beschäftigten Bühnenmenschen ist, ist es schade, dass die „Routine-Krankheit“ gerade in einer von Kopatchinskajas Heimatstädten einsetzt.

Es folgen zwei der 24 Duos Jörg Widmanns – der schelmisch-melancholische Valse bavaroise und die virtuose Toccatina (mit James Bond-Zitaten gespickt, welches zwar für Auflachen sorgt, aber die Originalität fragwürdig erscheinen lässt). Darauf im Kontrast: Johann Sebastian Bach, dessen Präludium in G-Dur einfach von den Klaviernoten gelesen, und sich damit nicht der Kopf über Arrangements zerbrochen wird. Genauso halten sie es übrigens bei Domenico Scarlatti und Carl Philipp Emanuel Bach.

Nach dem intensiven Rizoma von Francisco Coll hören wir Scarlatti, bevor die erste Hälfte mit der Sonate von Maurice Ravel beendet wird – für mich das Highlight des Abends. Spielerisch, aufregend und riskant wird das Stück fast schon abstrakt auseinandergenommen, jede Klangfarbe und jeder Charakter übertrieben. Die Musikerinnen nehmen sich derartige Freiheiten heraus, dass man fast schon protestieren könnte – aber mein Gedanke ist bloß: Wenn Ravel gewusst hätte, dass es auch so klingen kann, hätte er es nicht anders komponiert.

“Man sollte Duos so schreiben, dass man die dritte Stimme nicht vermisst” 

Die zweite Hälfte ist auch wieder im Wechsel zwischen Barock und neuerer Musik: von Bach zu Ligeti und Xenakis geht es sogar fast ohne Unterbrechung. Xenakis mit seiner ausgefeilten Musik ein Highlight fürs Ohr – und der folende Carl Philip Emanuel Bach ein Highlight für das Auge: sich einen Klavierhocker teilend, bezaubern die Damen mit einem fast unhörbaren Pizzicato-Dialog.

Danach das Finale: Zoltán Kodálys Stück, ein komplexer und vor allem ernster Brocken. Davor erzählt Kopatchinskaja, dass der Abend der verstorbenen Pianistin Mihaela Ursulaesa, einer langjährigen Freundin und Kollegin des Duos, gewidmet ist. Während der Abend sich mit eher intimen und spielerischen Klangfarben durchzogen hat, wird es hier ernst. Großer Klang, große Bewegung, große Emotionen – die Karikaturen schwinden etwas Tieferem. “Man sollte Duos so schreiben, dass man die dritte Stimme nicht vermisst.”, wirft Patricia in den Saal. Aber gerade im Kodály meint man zu merken, wie sehr die Musikerinnen ihre Freundin vermissen.

Als Zugabe werden der Schweizer Komponist Zbinden und eine Eigenkomposition eingeworfen – das eine lustig, das andere lustvoll, und der Applaus will nicht enden.

No risk, no fun

Eine riskante Aktion – eine ganze Tournee als Duo zu gestalten und in den größten Sälen Europas zu spielen ist eine Herausforderung. Den Saal vollzukriegen ist mit diesen Namen nicht schwer – ihn aber festzuhalten sehr wohl. Obwohl die beiden ein unglaublich interessantes Paar sind und einander ergänzen – Patricia mit ihrer sprunghaften Fantasie und Sol mit ihrer romantischen Bodenständigkeit – ist die Kategorie Violine/Cello nicht ohne Grund keine der Königsdisziplinen der Kammermusik.

Umso mehr kann man dieses Vorhaben bewundern, welches mit solch einem Charme und solch einer Bravour gelungen ist: ausverkaufte Säle, Standing Ovations, jauchzende Kritiken. Es wirkt, als ob alle auf diese Vereinigung gewartet hätten, denn sie spielen nicht nur gemeinsam, sondern erzählen die verschiedensten Geschichten. Die Spielart ist derart rhetorisch und menschlich, dass man jeden Tonfall, jede Geste und jeden Witz sofort erkennt  – als sprächen die beiden zusammen alle Sprachen dieser Welt.

 

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