The power of the dog – toxische Maskulinität im Spätwestern

Jane Campions wuchtiges Familiendrama entführt ins Montana der 1920er Jahre und ist großes Schauspielkino.

Kirsty Griffin/Netflix (c)

28. Oktober, Gartenbaukino (Viennale)

ab 19. November, Burg Kino und Filmhaus

Die weiten Landschaften Neuseelands dienten schon einigen Filmen als eindrucksvolle Kulisse, man denke dabei nur an Peter Jacksons epochale Tolkien-Verfilmungen. Nun nutzt die renommierte Autorin und Regisseurin Jane Campion die malerischen Panoramen ihres Heimatlandes für ihr kammerspielartiges, intensives und berührendes Familiendrama The power of the dog, in dem Neuseeland für das Montana anno 1925 doubelt. Als Vorlage für ihren Spätwestern diente Campion der 1967 veröffentlichte gleichnamige Roman von Thomas Savage, der autobiografische Züge aufweist.

Cumberbatch als Raubein? Klar doch, kann er auch

Im Zentrum der Geschichte steht das Brüderpaar Burbank, das unterschiedlicher nicht sein könnte. Phil (Benedict Cumberbatch) ist ein raubeiniger, ungehobelter und herablassender Menschenfeind, während sein Bruder George (Jesse Plemons) ein sanftmütiger, liebevoller und verständnisvoller Zeitgenosse ist. Trotz aller Differenzen kommen die beiden Brüder gut miteinander aus, führen zusammen die familiäre Farm und teilen sich sogar ein Schlafzimmer. Konflikte brechen auf, als George sich in die verwitwete Gastwirtin Rose (Kirsten Dunst) verliebt und sie bald ohne Phils Wissen ehelicht und zu sich auf die Farm holt.

Phil begegnet Rose und ihrem jugendlichen Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee), den er als verweichlicht und nicht männlich genug erachtet, mit offener Feindseligkeit und macht besonders Rose das Leben auf der Farm zur Hölle. Zu Peter hingegen baut er mit der Zeit eine Beziehung auf und er nimmt den Jungen unter seine Fittiche, nicht ahnend, dass Peter, der in die Fußstapfen seines Vaters treten will und Medizin studiert, seine eigenen Ziele verfolgt.

Kodi Smit-McPhee /// Kirsty Griffin/Netflix (c)

Jane Campions Filme wurden bislang allesamt von starken und unabhängigen Frauenfiguren getragen, im besten Fall in The piano (1993), in dem die verstummte Ada (Holly Hunter) mit ihrer Tochter Flora (Anna Paquin) in den neuseeländischen Wäldern in eine verhängnisvolle Dreiecksbeziehung schlittert, im schlechtesten Fall in In the cut (2003), Campions missglücktem Versuch, Meg Ryan von ihrem Image als Sauberfrau zu befreien und auf ernstere Rollen vorzubereiten.

The power of the dog ist innerhalb Campions Filmografie ein ganz anderes Werk, stehen hier doch die unterschiedlichen Männer im Zentrum. Sie verhandelt stereotype Geschlechterrollen im Western in all ihren Facetten: da ist der übertrieben machohafte Phil, der sich eine raue Schale zulegt, damit niemand in seinem Umfeld seinen wahren Kern entdeckt. Erst Peter gelingt es durch Zufall, hinter die Fassade der toxischen Maskulinität Phils zu blicken und geht dadurch eine unruhige Allianz mit ihm ein. Peter selbst passt aufgrund seiner schmalen Statur und augenscheinlicher Unbeholfenheit nicht in die Welt der Cowboys.

Toxische Männerwelt

Bleibt als einzige aufrechte und moralisch integre Figur der simple George, der Einzige, der mit allen Figuren zurechtkommt. Diesen drei unterschiedlichen Männerfiguren wird als einziger weiblicher Gegenpol die zerbrechliche, unsichere und labile Rose gegenübergestellt, deren mangelndes musikalisches Talent – sie begleitet Stummfilme im Kino auf dem Klavier, schafft es aber nicht, den Radetzkymarsch fehlerlos zu spielen – von Phil, der selbst ein begnadeter Banjospieler ist, eiskalt ausgenutzt wird, um sie in den Alkoholismus und möglicherweise in den Selbstmord zu treiben.

Kirsty Griffin/Netflix (c)

Die Schauspieler, allesamt perfekt in ihren Rollen besetzt, brechen gar nicht erst in äberlebensgroße Gesten aus, sie schöpfen ihre Kraft aus den ruhigen Momenten. Besonders Cumberbatch, dessen bedrohliche Präsenz und charakteristische tiefe Stimme eine ungeheure Intensität ausstrahlen, beweist einmal mehr sein vielseitiges Talent. Dunsts reserviertes und mitunter verzweifeltes Spiel ist ebenfalls bestechend, während auch Plemons und McPhee zu hoher Form auflaufen.

Untermalt mit Jonny Greenwoods großartigem, atmosphärischem Score und wuchtig bebildert von Ari Wegners Kamera kehrt Jane Campion hier zu alter Stärke zurück und setzt ein erstes Ausrufezeichen in der noch jungen Award-Saison.

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