No Name City: Intrigen in der Westernstadt
Florian Flicker erzählt eine Geschichte von damals, als der Wilde Westen noch in Niederösterreich lag.
Im Rahmen des Spezialprogramms FINALE wurde auf der diesjährigen Diagonale in Graz Florian Flickers Dokumentarfilm „No Name City“ (2006) über die gleichnamige österreichische Westernstadt gezeigt. Mit ihrer Kamera zeichnen Florian Flicker und sein Team das Portrait eines Erlebnisparks, der nur auf den ersten Blick wie ein idyllisches Westernstädtchen in der niederösterreichischen Prärie erscheint. Blickt man hinter die Fassade, offenbaren sich interne Streitigkeiten, Intrigen und ein vor dem Bankrott stehendes Gewerbe.
Hartes Leben
Das südlich von Wien und nordwestlich von Wiener Neustadt gelegene Dorf ist einer klassischen Westernstadt nachempfunden, so wie man sie aus dem Fernsehen und dem Kino kennt. Saloons und Souvenirgeschäfte sowie inszenierte Bank- und Eisenbahnüberfälle samt wilden Schießereien im Zentrum der Stadt dienen den Besucher:innen aus den umliegenden Städten und Ortschaften zur Unterhaltung. Es lässt sich durchaus erkennen, wie viel Herzblut in die Inszenierung der Westernstadt geflossen ist, denn für die Angestellten ist der Erlebnispark nicht nur Arbeitsplatz, sondern beinahe ein Zuhause. Mit den Arbeitszeiten, die früh am Morgen beginnen und teils bis in die Nacht hinein reichen, bleibt oft weder die Zeit noch die Energie, anderen Aktivitäten nachzugehen beziehungsweise sich am gesellschaftlichen Leben außerhalb des Parks zu beteiligen. Dadurch erscheint No Name City fast schon wie ein Universum für sich, abgeschottet von der Außenwelt und bevölkert von skurrilen Figuren.
Um den Alltag der Darsteller:innen so realitätsnah wie möglich abzubilden, übersiedelte die Filmcrew kurzerhand nach No Name City und verbrachte so mehrere Monate mit seinen Bewohner:innen. Wie der Co-Regisseur Florian Misch im Publikumsgespräch erzählte, entwickelten sich so Freundschaften, die auch noch lange Zeit nach dem Abschluss der Dreharbeiten bestehen blieben. Durch diesen sehr persönlichen Zugang beschränkt sich der Film nicht nur darauf, den Arbeitsalltag der Darsteller:innen zu zeigen, sondern schafft es darüber hinaus auch, ihre Emotionen und den wachsenden Frust und Ärger gegenüber der Geschäftsführung des Parks zu dokumentieren. Denn der ehemalige Hausmeister Armin Groß schaffte es sich bis zum Geschäftsführer hochzuarbeiten, und plant nun den Park ganz nach seinen Vorstellungen zu verwalten. Dieser Konflikt bleibt zu einem Großteil der Mittelpunkt des Films. Im Gegensatz zum echten Westernfilm bleibt der Showdown am Ende aber aus. Stattdessen fliegen nur leere Worthülsen, und so kommt, was kommen musste. 2008 schloss No Name City, zwei Jahre nach der Premiere der Dokumentation, ihre Tore. Zu groß waren die finanziellen Probleme und zu gering die Besucher:innenzahlen, als dass sich der Erlebnispark noch länger hätte halten können.
Österreichisches Kulturgut
Mit der Dokumentation setzten Florian Flicker und sein Team der Westernstadt ein Denkmal und schufen noch dazu einen Film, der großes Potential dazu hat, ein Klassiker des österreichischen Kinos zu werden. Allein die Winnetou-Interpretation des österreichischen Schlagersängers Waterloo machen den Film zu einem Must-See.