Dolphin Love: Wie Arctic Monkeys (bevor sie langweilig wurden)

Delulu meets 80s und spielerische Hans Zimmer-Sounds: Dolphin Love ist etwas Außergewöhnliches zwischen den ewiggleichen Lifestyle-Hymnen der Indie-Szene. Ein Gespräch über Abundance-Mindset, Leistungsdruck und absichtlichem Träumen.

© Emilia Germer

Es ist Oktober vor zwei Jahren, mein Weekly Discover ist ganz im Allgemeinen enttäuschend, und kurz bevor ich die Playlist wechseln will, ertönen die ersten Gitarrenklänge von Dolphin Loves ofnoone (2022). Ein düsterer Sound, einnehmend und schillernd und irgendwie berührend, aber schwer zu sagen, wo genau.

Es ist April im letzten Jahr, Dolphin Love, dessen Name eigentlich Constantin Kopp ist, sitzt im Café Menta und sieht nicht, wie ich zu spät zu unserem Termin komme. Neben ihm sind sein Gitarrenkoffer und Loopstation, die ihn wenige Stunden später bei einem Showcase in der Superbude im Prater begleiten sollen. Ich setze mich, entschuldige mich, er winkt ab, wir bestellen Aperol.

Klischeebefreite Indiemusik

Er sitzt gelassen da, fragt schelmisch, ob er sich an meinem Tabak bedienen kann, nippt am orangenen Gold und erzählt. Mit 12 Jahren hat er angefangen an eigenen Beats herumzuspielen, in seiner Teeniezeit war er Drummer einer Punkband, die er mit Freunden in Braunschweig gründete, aber dass er allein Songs produzieren will, kam erst „irgendwann während des Lockdowns“. 2022 hat er dann begonnen regelmäßig Songs unter dem Namen Dolphin Love zu veröffentlichen, bespielt seither deutsche Konzerträume und Festivals und bringt etwas Schwung in den Mainstream, der uns über Spotify in die Playlisten gespült wird. Während viele Indie-Newcomer*innen lediglich das zu transponieren scheinen, was in den 2010er Jahren gut funktionierte, lässt sich Dolphin Love nämlich nicht so recht einem spezifischen Einfluss zuordnen: Einerseits 80s, andererseits Postpost-Punk, hier und da ein bisschen Zimmer90 in weniger pretentious, dann wieder der zarte Anfall von Indie-Pop meets Arctic Monkeys (bevor sie langweilig wurden).

Cocos Sound lebt von intuitiver Impulsivität, so, als würde er „wie ein Kind alle Instrumente und Tools zum ersten Mal berühren, die Klänge zum ersten Mal hören.“ Im einminütigen und wundervollen Intro zu to me (2023) oder etwa im wunderbar spielerischen theatral-dramatischen Hans Zimmer-like EP-Opening feel you (2022) hört man ihn: den Zauber des naiv-neugierigen Herumspielen mit Gitarre und Schlagzeug – nostalgische Melancholie in Major, umhüllt von sanften Vocals auf warmen Synthesizern. Seine Texte sind, auch wenn sie manchmal im umliegenden Soundscape in den Hintergrund rücken, persönlich, wirr und trotz Abstraktion nachvollziehbar. In seiner letzten EP who speaks your mind (2023) etwa handelt er Themen wie Selbstfindung und Aufbruch aus und legt die Zeilen (die nicht im Geringsten so klischeehaft sind, wie man hier vielleicht annehmen könnte) auf pulsierende Drums und schrille Gitarrenriffs und erschafft damit schillernde Zwischenräume, die berühren. In Zeiten des Keta-Quietschpops eine ganz angenehme Abwechslung.

Abundance, aber irgendwie authentisch

In Sachen Schaffensprozess hat er kein richtiges Konzept und steht da auch entschlossen dahinter: „Ich finde, sobald man eine Idee zerdenkt und sich eine Richtung vorstellt, in die sie gehen soll, geht vieles verloren.“ Ein Satz, der sich gut auch auf das ganze Dasein übertragen ließe. Ob es ihm manchmal schwerfällt, das Gefühl der endlosen Sehnsüchte unserer Zeit zu greifen und in etwas zu verwandeln, das andere nachvollziehen können? „Es gibt mehr im Leben als geradlinige Wege. Das klingt irgendwie blöd, aber ich versuche die meiste Zeit im Hier und Jetzt zu sein, meine Intuition und Kreativität nicht zu hinterfragen und einfach zu schauen, was dabei herauskommt, wenn ich dem nachgehe.“

Abundance-Mindset also, ein typisches für unsere Generation: Alles manifestieren, vom Besten ausgehen und lernen, irgendwie der eigenen „Bestimmung“ zu folgen. Oft wirkt das sehr weit hergenommen und nur selten gelingt es, die Scheuklappen dank unserer leistungsorientierten Sozialisation tatsächlich abzulegen, sich nicht vom Kommerz der Masse einnehmen zu lassen oder gar ganz abzudriften. „Es ist schwer, in unserer Zeit daran zu glauben, dass irgendwie alles gut wird.“

Be delulu, schreit es aus dem Internet und das Musikprojekt Dolphin Love manifestiert ebenjenes Wunschdenken mit aller Ekstase, schlicht aus dem Grund, weil er Spaß daran hat. Dass er sich nicht ganz eingestehen will, wie hart er dafür wirklich arbeitet, ist verständlich: Trotz Abundance-Mindset ist auch er ein Kind seiner Generation und demnach nicht geweiht vor systemischen Erwartungshaltungen. „Es ist schon auch schwer, sich nicht vom Leistungsgedanken einholen zu lassen. Ich muss mich oft daran erinnern, dass Zahlen und Business und Management meine Karriere nicht gänzlich bestimmen dürfen, obwohl sie es ja eigentlich tun.“ Er lacht, nimmt einen Schluck von seinem Aperol und fährt fort: „Aber ich glaube, solange sich weiterhin die Dinge für mich irgendwie ergeben und gut anfühlen, ist das ein Zeichen, dass ich auf dem richtigen Weg bin, meine Kreativität nicht davon beeinflussen zu lassen. Es kommt schon alles so heraus, wie es soll.“

Im letzten Jahr hat sich für Coco allem Anschein nach alles recht gut „ergeben“, denn nun ist es April dieses Jahres und man kann sich, pünktlich zur Jahreszeit des Aufbruchs, über neue Musik von Dolphin Love freuen. Am 18. April erschien die dritte EP NOT FROM HERE des musikalischen Animagus auf allen gängigen Plattformen, und es ist mal wieder nicht zu vergleichen mit dem, was uns sonst so in die Weekly Discovers gespült wird.

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