Ein Traum wie jeder andere

Im Burgtheater kommt Shakespeares Ein Sommernachtstraum nicht besonders ideenreich über die Bühne. Ein dystopischer Anklang auf die Klimakrise bleibt im Bühnenbild gefangen.

Dystopie oder Klischee? /// (c) Matthias Horn

Ein Sommernachtstraum ist ein echter Klassiker für ein Werk Shakespeares, das sich immer wieder auf der Bühne wiederfindet. Dass das renommierte Theaterfestival Ruhrtriennale in Kooperation mit dem Burgtheater dieses Werk auserkoren hat, weckt hohe Erwartungen. Besonders, wenn die Regie von der Intendantin der Ruhrtriennale, Barbara Frey, und die Bühne von Martin Zehetgruber übernommen wird, der sich in der Theaterwelt schon lange mit überdimensionierten und vielschichtigen Bühnenbildern durchgesetzt hat.

Bis sich die Bühne endlich dreht

Vorhang auf, die Spannung ist hoch: Es passiert nichts, nur ein leerer nebelschwadender Container mit Glasscheibe, der wie ein Wintergarten wirkt. Meike Droste als Hermia liegt am Boden, im Container spielt sich eine Gruppenszene ab, aber das Getuschel ist kaum zu verstehen. Der Beginn dieser Inszenierung fällt überaus schwer, doch als sich das Bühnenbild als Drehbühne entpuppt, nimmt das Geschehen Fahrt auf. Große verrostete Autokarosserien kommen zwischen einzelnen halbnackten Bäumen zum Vorschein und deuten auf das im Programmheft angeteaserte dystopische Szenario hin. Leider fehlt im Stück, bis auf kurze Erwähnungen der Klimakrise, jeglicher Bezug auf das eindrucksvolle Bühnenbild. Es hätte mehr inhaltliche Interaktion damit stattfinden müssen, um dieses sinnvoll zu bespielen.

Auch wenn das dystopische Thema nicht gut zum Publikum durchdringt, unterhält die eigentliche Shakespearethematik des Sommernachtstraums alleinig durch die Textgrundlage, kombiniert mit dem großartigen Ensemble des Burgtheaters. Kurzgefasst: Vier Verliebte im Elfenwald. Zuerst Hermia, die ihren Lysander nicht heiraten darf. Stattdessen ist sie Demetrius versprochen. Fügt sie sich ihrem Schicksal nicht, so droht ihr Vater ihr mit dem Tod. Demetrius ist vernarrt in Hermia, diese lehnt ihn trotz drohenden Todesurteils ab. Die schöne Helena begehrt Demetrius und so nehmen die Liebesverstrickungen ihren Lauf. Die Thematik der unerwiderten und tragischen Liebe wird durch den Zauber des Magiers Puck mit einem Zaubertrank durcheinandergebracht. Dieser mischt sich aufgrund Befehls des Elfenkönigs Oberon ein, um der Elfenkönigin Titania eins auszuwischen. In dem ganzen Wirrwarr probt ein Handwerkerensemble im Elfenwald ein Theaterstück und kreiert zwischen dem Liebeschaos eine urkomische Komödie.

Schön sein reicht nicht aus

Auch ein philosophischer Unterton ist nicht zu unterschätzen: Ästhetik und Schönheit in Verbindung mit dem menschlichen Begehren spiegeln sich in der Liebesthematik wider. Helena wird mit ihren langen blonden Haaren als stereotypisch schön dargestellt und es heißt, sie werde von allen begehrt. Nur Demetrius, von dem sie sich die Begierde wünscht, hasst sie wortwörtlich. So findet Helena sich selbst nicht schön oder begehrenswert, was dem Stück doch eine tieftraurige Note verleiht.

Die Kostüme sind eine Gratwanderung zwischen dem androgynen mit Hochsteckperrücke und Meerjungfrauenkleid ausgestatteten Gewandt der Titania und den vergleichsweisen schlichten und unmodernen Kostümen der anderen Rollen. Letztlich ist das Kostüm der Titania, das dem Schauspieler Markus Scheumann, feminine Kurven verleiht besonders effektiv und hebt das Spiel mit Geschlechterrollen hervor, das oft in Shakespeares Stücken akzentuiert wird.

Damit einhergehend ist angenehm, dass die teils gegensätzliche Besetzung von Frauenrollen mit männlichen Schauspielern und vice versa einfach umgesetzt wird und nicht zum großen Thema im Stück gemacht wird. Hervorragend zu erwähnen ist hier Marie-Luise Stockinger, die einen charismatischen mit spitzfindigem Humor ausgestatteten Lysander abgibt. Im Endeffekt kann sich gesamtbildlich nicht vom Abend abraten lassen, dennoch war die Begeisterung über einen Shakespeareabend schon mal größer.

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