Nolan Analog – Das Filmische Werk des Christopher Nolan

Das Gartenbaukino feiert das Schaffen des britischen Hollywoodregisseurs Christopher Nolan mit dem Special „Nolan Analog“, bei welchem ab 16. September alle 12 Kinospielfilme des Regisseurs in 35 und 70mm laufen.

1 Regisseur, 12 Filme /// (c) Gartenbaukino

Seit 25 Jahren begeistert der britische Regisseur Christopher Nolan die Massen mit seinen Kinoerfolgen. Seine Filme sind mehr als nur Unterhaltung, sondern regen zum Nachdenken und Analysieren an. Nolan liebt das Kino. Dafür macht er Filme. Er will keinen Einheitsbrei machen, sondern dem Publikum etwas Neues präsentieren. Dafür geht er gern an die Grenzen des Vorstellbar-Möglichen, und schafft es, das umzusetzen. Er macht Genre, spielt aber mit dessen Konventionen und lotet seine Grenzen aus. Dabei bietet er dem Publikum stets spektakuläre Bilder und Szenen, stellt diese aber nie über die Handlung oder die Figuren. Seit The Prestige hat er sich auch in das Konzept von Schlussmontagen verliebt und setzt sie seitdem in jedem seiner Filme ein.

Zeit der Schuld

Am liebsten dreht Nolan analog auf Film, zusätzlich sind IMAX-Filmkameras seit The Dark Knight ein fixer Bestandteil seines Schaffens.  Ein Hauptthema seiner Filme ist Zeit und der Umgang damit, manchmal ist es Teil der Handlung (Interstellar, Inception, Tenet), manchmal Teil des Storytellings (Memento, Tenet, Dunkirk, The Dark Knight), oder oft einfach nur klassisch als narratives Stilmittel für Rückblenden (Following, The Prestige, Oppenheimer) verwendet. Seine männlichen Protagonisten sind meist traumatisierte, gebrochene weiße Männer, die sich ihrer eigenen Schuld (Will Dormer in Insomnia, Bruce Wayne in der Dark Knight-Trilogie, Cobb in Inception, Borden und Angier in The Prestige etc) stellen müssen.

Der Kritik, dass er keine guten Frauenfiguren habe, kann ich nur bedingt zustimmen. Mal in Inception, Kitty Oppenheimer in Oppenheimer, Selina Kyle in The Dark Knight Rises, Murph Cooper in Interstellar, Ellie Burr in Insomnia: sie alle sind mehr als bloßes Beiwerk, sondern tiefgründige Figuren. In Tenet sehen wir auch Frauen als Wissenschaftlerinnen, Waffenlieferantinnen und Hoffnungsträgerinnen für eine bessere Zukunft. Weibliche Figuren nehmen immer wichtigere Positionen in Nolans Filmen ein, hoffentlich auch irgendwann bald einmal als Protagonistinnen.

Nolan ist ein akribisch arbeitender Regisseur, der gerne mit denselben Leuten vor und hinter der Kamera zusammenarbeitet. Seine Frau Emma Thomas produziert zusammen mit Charles Roven all seine Filme; sein Bruder Jonathan schrieb viele seiner Drehbücher mit. Bis The Dark Knight Rises war Wally Pfister der DoP seines Vertrauens, seit Intersteller filmt Hoyte van Hoytema die Szenen. Michael Caine spielt von Batman Begins bis Tenet in all seinen Filmen mit, Cillian Murphy hat in seiner fünften Zusammenarbeit mit Nolan erstmals auch die Hauptrolle. Mit Hans Zimmer arbeitet er seit Batman Begins zusammen, seine letzten beiden Filme wurden musikalisch allerdings von Ludwig Göransson vertont. Über sein Privatleben gibt Nolan nicht viel Preis, aber neben seiner Frau Emma baut er auch immer wieder seine Kinder in seine Filme mit ein; so spielt seine Tochter zB. ein Atombombenopfer in Oppenheimer.

Leonardo DiCaprio (links) mit Nolan am Set von Inception /// (c) Warner Bros.

Die Filmographie: Crime-Thriller mit Schuldgefühlen

Mit Following startete Nolan 1998 seine Kinofilmkarriere. In dem in Schwarz-Weiß-gedrehten Film-Noir beginnt ein unter Schreibblockade leidender Autor, wahllos Menschen zu folgen. Bis er eines Tages auf den mysteriösen Dieb Cobb trifft, der ihn überzeugt, einen Schritt weiterzugehen und in die Wohnungen anderer Leute einzusteigen. Natürlich ist da noch die mysteriöse Femme Fatale, welche den Protagonisten ins Verderben stürzen könnte.

Seinen Durchbruch in Hollywood schaffte Nolan 2000 mit Memento, dem Rachethriller mit einem besonderen narrativen Gimmick: Der Film ist rückwärts erzählt. Damit lässt Nolan die Zuschauer*innen an der Verwirrtheit und dem Leiden des Protagonisten Leonard (Guy Pierce) teilhaben. Denn dieser leidet an einer besonderen Form von Amnesie, bei der er alle 15 Minuten alles vergisst, was nach der Ermordung seiner Frau passiert ist. Dennoch will er deren Mörder schnappen, weshalb er akribisch Notizen macht und seinen Körper mit den wichtigsten Infos tätowiert. Selten ist Einsamkeit unter Menschenmengen so gut und gruslig portraitiert worden. Wem kann Leonard vertrauen, wenn er sich nichts sicher sein kann?

Mit Insomnia (2002) hat Nolan sein erstes US-Remake eines skandinavischen Thrillers gemacht. Die Fahndung nach einem Mädchenmörder bringt einen Polizisten in den hohen Norden, zu einer Jahreszeit, an der die Sonne nie untergeht. Die daraus resultierende Schlaflosigkeit führt dann zu einem folgenschweren Vorfall, bei welchem der Polizist (Al Pacino) seinen Partner erschießt. War es ein Unfall, oder doch Absicht? Nur der vermeintlich Tatverdächtige (Robin Williams). Das ewige Tageslicht lässt keinen Raum für kriminelles Handeln im geheimen Dunkeln und beleuchtet so manch dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit.

Nolan vor dem Batsignal, Batman Begins (2005) /// (c) Warner Bros.

Die Filmographie: Die Batman-Jahre

Bei der Roman-Verfilmung The Prestige (2006) lässt Nolan Hugh Jackman und Christian Bale als rivalisierende Magier im 19. Jahrhundert gegeneinander antreten. In immer waghalsigeren Aktionen versuchen sie, einander zu übertreffen, und wenden dabei sogar den ‘unzuverlässigen Erzähler’ gegeneinander ein, ein Stilmittel, welches Nolan schon in Memento einsetzt. Der Regisseur ermutigt uns zu Beginn, „genau hinzusehen“. Denn eigentlich ist der ganze Film ein Zaubertrick, und zugleich eine Analogie des Filmemachens. Denn worum geht es denn sonst anderes als um Reaktionen und Emotione?

Mit Batman Begins (2005) startet Nolan in seine Comicverfilmungsphase. Anders als andere Superheld*innenfilme dieser Zeit erdet er die Welt seines Helden Batman, und macht ihn in diesem Reboot realistischer als noch zu Burton und Schumacher-Zeiten. Die zentrale Frage, die Nolan aufwirft, ist, was einen Menschen dazu bringt, extreme Dinge zu tun. In dem von Batman: Year One inspirierten Batman Begins widmet er sich ganz Bruce Wayne und dem Thema der Angst. In der Fortsetzung The Dark Knight (2008) lehrt der Joker (Heath Ledger) als Agent des Chaos Staatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhardt), dass es oft nur einen miesen Tag braucht, um alle Prinzipien und Werte über Bord zu werfen. Und in The Dark Knight Rises (2012) zeigt Nolan, dass hinter der Wand aus Schmerz und Trauma Hoffnung gibt, doch noch ein erfülltes Leben führen zu können.

Gemäß dem Motto ‘Träumst du noch, oder lebst du schon’ widmet sich Inception (2010) dem Thema Träumen. Cobb (Leonardo DiCaprio) ist wie sein Namensvetter in Following ein Dieb, nur, dass er anstatt in Häuser einzudringen die Träume der Menschen entert. Um seinen persönlichen Traum zu verwirklichen, und seine Kinder wiederzusehen, willigt er ein, etwas eine Idee einzupflanzen, anstatt sie zu stehlen. Nur dass sich ihm seine eigenen Schuldgefühle in Form seiner toten Frau Mal (Marion Cotillard) in den Weg stellen. Inception ist nicht nur ein cleverer Heist-Film, er ist auch - wie auch zuvor The Prestige - eine Analogie übers Filmemachen.

Nolan wirft mit Cillian Murpy einen Blick in die Ferne, Oppenheimer (2023) /// (c) Universal

Die Filmographie: Epischer Optimismus

In Interstellar (2014) versucht eine Astronauten-Crew, einen neuen bewohnbaren Planeten für die Menschheit zu finden, während auf der Erde die zurückgebliebenen verzweifelt versuchen, die Geburtsstätte der Menschheit zu verlassen. Obwohl zeitlich und räumlich voneinander getrennt, befinden sich beide Erzählstränge in einem Wettlauf ums Überleben der Menschheit, zusammenführt. Die Idee der Rettung der Menschheit wird dabei über die Geschichte einer Familie (Matthew McConaughey, McKenzie Foy, Jessica Chastain, Ellen Burstyn, John Lithgow, Timothee Chalamet, Casey Affleck). Übrigens hat Interstellar durch seine neuen Erkenntnisse über schwarze Löcher – Dank der Zusammenarbeit mit dem Theoretischen Physiker Kip Thorne - gleich zwei wissenschaftliche Arbeiten inspiriert.

Dunkirk (2017) ist Nolans erster waschechter historischer Kriegsfilm, und thematisiert die Belagerung der französischen Stadt Dünkirchen und der anschließenden Rettung der dort gestrandeten Alliierten. Auf drei Zeitebenen erzählt der Film von den Tagen davor und während der Aktion, an Land, zu Wasser und in der Luft, und kulminiert das Ganze am Ende in einem tosendem Crescendo. Popmusikfreunde werden sich über das Schauspieldebüt des Sängers Harry Styles freuen.

Mit Tenet“ (2020) schreibt Nolan zugleich zwei Liebesbriefe: Dem einen an die Globetrotter-Geheimagenten-Filme der James Bond-Reihe, zum anderen an die Zurückspiel-Funktion des Videorekorders. Gleichzeitig ist der Actionthriller auch eine Parabel fürs  - nein, nicht Filmemachen per se sondern allgemein: Geschichten-Erzählen: Der namenlose Protagonist (John David Washington) bereist die Welt und wird wortwörtlich von einem roten Faden immer wieder auf den richtigen Weg zurückgebracht, um die Erde vor der Zerstörung durch einen suizidalen russischen Oligarchen (Kenneth Branagh) zu bewahren. Dabei werden Naturgesetze nicht gebrochen, sondern invertiert, wenn Objekte und Menschen sich rückwärts bewegen.

Und zu guter Letzt Oppenheimer (2023), Nolans Biographie über den ‘Vater der Atombombe’, einen Mann (Cillian Murphy), der Großes für die Wissenschaft geleistet hat, dafür zeitlebens die Schuld trägt und versucht, Pandoras Büchse wieder zu schließen. Wie schon bei Memento greift Nolan auf Schwarz-Weiß als Stilmittel für eine andere Erzählebene zurück. Für eine tiefergehende Analyse verweise ich auf mein Review zu dem Film.

Das Gesamtwerk von Christopher Nolan ist im Rahmen des Specials Nolan Analog ab dem 16. September im Gartenbaukino zu sehen.

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