Gladiator II: Brot & Spiele für den Machthunger

Gladiator II ist Ridley Scotts bester Film seit Jahren, kann aber gleichzeitig seinem großartigen Vorgänger nicht das Wasser reichen. Trotz Affen, Nashörnern und Pedro Pascal.

© Paramount Pictures

Nach 24 Jahren bringt Regie-Altmeister Ridley Scott eine Fortsetzung seines Oscar-Hits Gladiator heraus. Im Filmuniversum sind aber nur 16 Jahre vergangen. Paul Mescal folgt Russell Crowe nach und schlüpft in die Rolle des nunmehr erwachsenen Lucius Aurelius, der, obwohl er der eigentliche Thronfolger wäre, abgeschieden von Rom und der korrupten Politik im nordafrikanischen Numidien sein beschauliches Leben führt. Doch als die römische Armee unter Führung des Generals Marcus Acacius (Pedro Pascal) für die beiden Zwillingskaiser Geta und Caracalla (Joseph Quinn und Fred Herchinger) seine Heimat angreift und überfällt, verliert Lucius alles und wird zum Sklaven. Er gerät in die Hände des zwielichtigen Geschäftsmannes Macrinus (Denzel Washington), welcher ihn zum Gladiator ausbildet. Macrinus verspricht ihm zudem den Kopf von Acacius, nicht wissend, dass dieser der Ehemann von Lucius‘ Mutter Lucilla (Connie Nielsen) ist. Und so nimmt diese Tragödie à la Shakespeare ihren Lauf.

What we do in life echoes in the sequel

Gleich mal vorweg: Gladiator II ist ein guter Film. Am besten funktioniert er, wenn er sich nicht an den ersten Teil anbiedert. Zu oft versucht er allerdings, wie der Vorgänger zu sein und erinnert an ihn. Die Anfangscredits laufen über eine Montage der ikonischsten Momente des Originals im Schnelldurchlauf, erst dann folgt ein einführender Text über den Zustand der Welt. Die erste richtige Einstellung des Sequels, Hände, die in Korn greifen, ist dann auch eine optische Referenz auf das erste Bild aus dem Vorgänger, in eine Hand über die Getreidehalme streift. Auf der Bildebene gibt es noch viele weitere Anspielungen und Referenzen, nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Figuren: Lucilla erkennt ihren Sohn erstmals daran, dass er dieselbe Gestik beim Kampf gegen ein Nashorn hat wie einst Maximus im Kampf gegen Tigris und die drei Tiger.

Die Präsenz von Russell Crowes‘ Maximus ist allgegenwärtig im Film, dient dem Streifen dadurch aber eher als Damoklesschwert. Es gibt Rückblenden mit ihm, seine Rüstung wird im Kolosseum aufgebahrt und sein Name wird ehrfürchtig ausgesprochen. Selbst in Abwesenheit solcher direkten Referenzen ist sein Erbe spürbar, denn Paul Mescal ist kein Russell Crowe und hat nicht dessen Aura. Natürlich spielt er nicht dieselbe Figur und legt seinen Lucius auch gänzlich anders an, als Crowe es mit Maximus tat, aber die Parallelen sind offensichtlich. „Ich bin kein General“, beginnt Lucius eine an Heinrich V. erinnernde Motivationsrede an seine Gladiatoren-Kumpanen. Im Subtext heißt es für das Publikum, dass er auch nicht Russell Crowe ist. Das soll Mescals Leistung aber keineswegs kleinreden. Denn er gibt eine souveräne Performance ab. Er hat nur nicht dieselbe Präsenz wie einst Crow, dessen Darstellung des Maximus nicht umsonst mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde.

Den Vergleich mit Crowe braucht Pedro Pascal als Acacius hingegen nicht zu fürchten. Was wäre, wenn Maximus damals das Angebot von Commodus (Joaquin Phoenix) angenommen hätte und in dessen Dienst getreten wäre? Die Antwort liefert die Figur des Marcus Acacius. Loyal bis zum Ende, droht er gleichzeitig durch den Kriegsdienst für die beiden Herrscher zu zerbrechen. Er ist eben nicht der erwartete klassische Antagonist, sondern lediglich ein Mann, der das Beste für sein Volk und seine Familie möchte.

Auch Denzel Washington hat sichtlich Spaß in seiner Rolle und überzeugt als Macrinus, der deutlich mehr weiß, als er zugibt. Neben Pascal und den epischen Schlachten eindeutig ein weiteres Highlight des Filmes.

Das große Problem des Filmes ist jedoch, dass der emotionale Konflikt mit dem Ende des zweiten Aktes seinen Höhepunkt erreicht. Es ist ein Shakespeare’scher Konflikt, auf den alles hinausläuft, ähnlich denen in Hamlet oder Romeo & Julia. Danach geht der Film aber noch eine Weile weiter. Der eigentliche Showdown kann anschließend nicht dieselben Höhen erreichen wie der vorige Kampf, etwaige Plot-Twists hin oder her.

Tod & Spiele

Das Kolosseum sei „der größte Tempel, den Rom je erbaut habe.“ Der große Antagonist des Filmes ist weniger eine Person als vielmehr das System der Korruption und der Verfall des Imperiums. Die Zwillingskaiser sind auf Eroberung aus, um ihren eigenen Ruhm zu mehren. Und während sie in ihrer Dekadenz leben und teure Kriege von anderen ausführen lassen, hungert das Volk. „Das römische Imperium hat zahlreiche Untergebenen, die hungrig sind“ – „Sie können Krieg essen,“ lautet die Antwort von Caracalla. Anstatt sich ernsthaft mit Problemen und Tagespolitik zu befassen, werden weiters Spiele für den Ruhm Roms ausgeführt. Wer dafür zahlen soll? „Die Zukunft,“ antwortet Lucilla verbittert. Die Staatsreserven und die Getreidevorräte sollen dem Volk genommen und für die Spektakel verwendet werden. Brot & Spiele als Opium für das Volk. Der Drang nach Freiheit und das Feuer des Aufstandes sollen durch blutige Spektakel im Keim erstickt werden. Die Gladiatoren sind mehr wert als Sklaven und zum Teil andere niedrige Schichten des Volkes. Denn Lucius wird für einen Auftritt bezahlt und kommt in den Genuss eines Bads. Für viele Bewohner*innen Roms ist sogar das ein unerreichbarer Luxus.

Selbst Machtpolitik findet mittlerweile im Kolosseum statt, während im Senat ein Affe das Sagen hat. Es ist ein mögliches und trauriges Erbe des Finales des ersten Teils, in welchem Imperator Commodus im Kolosseum durch die Hand des Gladiators Maximus fällt. So heroisch das Ende von Gladiator auch war, es trug zur Perversion der Politik des Reiches bei: Ein blutiger Machtwechsel nicht in den Hallen des politischen Lebens, sondern auf dem sandigen Boden der Unterhaltungsbranche. Gladiator II kritisiert diese Entwicklung und macht sich daher über seine Protagonist*innen zum Ziel, den – historisch schließlich unvermeidbaren – Untergang Roms, angefacht durch dessen eigene Hybris und Dekadenz, aufzuhalten.

Wir schei*en jetzt mal auf historische Akkuratesse

Gladiator II ist ein Sandalenepos wie auch sein Vorgänger, der anno 2000 das Genre nach über 40 Jahren wiederbelebt hatte. Es folgten Blockbuster wie Troja, Ben Hur (sowohl im TV als auch im Kino), der TV-Film Held der Gladiatoren, Pompeii, Königreich der Himmel und mehr. Allerdings sind die beiden Gladiator-Filme nur bedingt echte Historienepen. Sowohl Gladiator als auch Gladiator II setzen historische Persönlichkeiten in ein fiktives Setting und spielen mit deren Biografien. Commodus hat seinen Vater, Marcus Aurelius, nie ermordet und starb auch nicht in der Arena. Ebenso sind sich Macrinus und die Zwillingskaiser vermutlich nie begegnet.

Ähnlich verhält es sich mit den Kämpfen im Kolosseum. Tiere hatten ihre eigene Show, also sind Szenen mit Kämpfen der Gladiatoren gegen wütende Paviane oder einem Reiter auf einem Nashorn eher unwahrscheinlich. Das Kolosseum in Rom konnte zwar mit Wasser gefüllt werden, jedoch nicht in dem Ausmaß, dass wie im Film Seeschlachten mit voll besetzten Schiffen komplett nachgestellt werden konnten. Und menschenfressenden Haie wurden auch keine vom Meer ins Kolosseum transportiert. Auf diese Diskrepanzen angesprochen, meint Ridley Scott zynisch zu einem Historiker: „Sind Sie etwa dort gewesen?“ Die Wahrheit ist aber, dass es im Grunde genommen auch egal ist. Scott spielt mit der Geschichte und präsentiert einen fiktionalen Actionfilm in einem historischen Setting. Sein Rom ist nicht mit dem antiken Rom gleichzusetzen. Figuren lesen Zeitungen, Wände sind mit Graffiti besprüht, es gibt Demonstrationen und auch bürgerkriegsähnliche Zustände, eine Szene zitiert sogar Kubricks Spartacus. Mit derartig intertextuellen Referenzen hat sich Scott im ersten Teil noch zurückgehalten.

Dieses Rom ist eher eine Metapher der heutigen USA: Ständig wird vom „römischen Traum“ gesprochen, ohne diesen näher zu definieren. Vielmehr kann er als Pendant zum amerikanischen Traum gesehen werden: Dass man als freier Mensch alles erreichen kann, was man will. Der letzte Akt kulminiert schlussendlich in der Perversion dieses Traumes durch die Ambitionen und Lügen eines machthungrigen Entertainers und Immobilienbesitzers, der den Zorn junger Männer für seine Zwecke nutzen will. Der Film könnte wahrlich in Gegenwart spielen.

Dass Gladiator II es mit der historischen Akkuratesse nicht ganz genau nimmt, kann man übrigens schon bei der Titel-Einblendung zu Beginn des Filmes sehen: Denn hier wird der Film als „GladIIator“ geschrieben – die römische 2 rückt an die Stelle des i. Es ist cringe und sehr postmodern, weil es zeigt, dass sich der Film sich selbst nicht ganz ernst nimmt. Gleichzeitig ist es aber auch mutig für ein Sandalenepos – und eigentlich auch generell Filmsequels, denn das einzig andere Franchise, welches einen derartig kreativen Umgang mit Betitelungen hat, ist The Fast and the Furious – und bezeichnend für ein Sequel, auf das niemand wirklich gewartet hat, und welches nun, ähnlich wie die Spektakel im Kolosseum des alten Roms, die Massen in die Unterhaltungstempel der Moderne locken soll.

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