In die erste Spielzeit gestolpert

Die Neueröffnung des Theaters am Werk startet mit der Premiere von „Die Verlorenen“ von Palmetshofer. Ziemlich komödiantisch für ein tragisch-ernsthaftes Thema.

Theater am Werk /// (c) Matthias Heschl

Es sind die simplen Dinge, wie das Piepen der Mikrowelle, wenn man sich schnell nochmal was warm gemacht hat. Das Bier, das jeden Tag am Kiosk mit denselben Leuten getrunken wird. Es ist die Lebenssituation, in der man sich irgendwie festgefahren hat. Nach einer Trennung, vom eigenen Kind entfremdet und von allen nur als „die Komische“ abgetan: Clara fühlt sich verloren.

Sie nimmt sich im alten Landhaus ihrer Großmutter eine Auszeit. Fern von ihrem Sohn und Ex-Mann mit der neuen Ehefrau versucht sie wieder Klarheit zu finden. Am Land angekommen, tritt ein Trio bestehend aus der Kiosk-Verkäuferin und ihren zwei Stammgästen auf. Zusätzlich funktioniert der Kiosk auch als Diskothek, wo Clara den deutlich jüngeren Kevin kennenlernt. Als sie dann am nächsten Morgen  neben Kevin aufwacht und plötzlich Sohn, Ex-Mann und dessen neue Ehefrau anklopfen, ist das Desaster komplett. Doch der bis jetzt still gebliebene Sohn Florentin hat noch etwas weitaus Entsetzlicheres zu verbergen. Clara findet heraus, wieso ihr Sohn von der Schule verwiesen werden soll.

Dynamisch und vertraut

Zunächst ist die Dynamik der Abläufe im Ensemble überragend. Vertraut und eingespielt ergänzen sie einander: Sie laufen präzise und auf die Sekunde abgestimmt aneinander vorbei oder bewegen sich lautlos. Währen ein paar Figuren eingefroren wirken, geht es ohne Verzögerung in einer neuen Szene weiter. Dieser technisch rund laufende Aspekt ist der tragende Stützfeiler der Inszenierung.

Jedoch wird die die Neueröffnungspremiere beim Theater am Werk dem dramatisch anmutenden Titel “Die Verlorenen” nicht gerecht. Die Erwartung beim renommierten Dramatiker Ewald Palmetshofer, einer tiefsinnigen, vielleicht sogar ironisch-traurigen Inszenierung wird nicht erfüllt. Die Inszenierung lebt überwiegend von komödiantischen bis hin zu Slapstick-artigen Aspekten. Und diese sind nun oft durch doch sehr stumpfen trockenen Humor beispielsweise eines schlechten Anmachspruches in einem Club zu wenig haltbar für dieses Stück. Das Bühnenbild ist offen und bruchstückartig im Raum verteilt. Dadurch ist es zwar vielfältig nutzbar, doch einige Teile wie der Kühlschrank ganz vorne an der Bühne oder die Zimmerpflanzen auf einem erhöhten Steg, wirken überflüssig. Vielleicht wäre hier weniger mehr gewesen, besonders um auch den Fokus mehr auf Palmetshofers Text zu lenken.

Balance?

Ein eher tiefsinniger Moment entsteht erst dann – auch eher klischeehaft – reichlich alkoholisiert nach einer Klubnacht. Dort driftet Kevin in einem kurzen Monolog über Klassenkritik ab. Leider kommen diese ehrlichen und wahren Worte am Abend viel zu kurz. Angesichts des ernsten Endes des Stücks, dass die unbemerkte Radikalisierung einer Figur offenbart, hätte die Balance aus Komödie und ernstem Drama ausgewogener sein müssen.

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