Romeo und Julia im digitalen Zeitalter

Eine moderne und multimediale Inszenierung im Theater am Werk, die die tragische Geschichte der beiden Liebenden in die Welt der Jugendkultur überträgt: Romeo <3 Julia.

Digital Bride /// (c) Igor Ripak

Liebe und Herzschmerz sind zeitlos, genau wie manche Geschichten. Doch sind es genau die Geschichten, die sich über Jahrhunderte hinweg behaupten können und uns jedes Mal aufs Neue an sich fesseln. 

Das beweist uns auch Nachwuchsregisseurin Cosmea Spelleken mit ihrem Stück Romeo <3 Julia, welches im Oktober zur Wiedereröffnung des Theater Am Werk am Petersplatz unter der Direktion von Esther Holland-Merten aufgeführt wurde. Spelleken schafft einen multimedialen, immersiven Raum, der es den Zusehenden ermöglicht, in die Welt der beiden hoffnungslos Verliebten einzutauchen und mitzufiebern. Doch (Achtung Spoiler!) auch hier bleibt das tragische Ende nicht aus. Ein Abend voller Emotionen und ehrlicher Schauspielkunst im Theater am Werk.

Liebe auf den ersten Schmus

Schon beim Betreten des Theaters wird man von pulsierenden Techno-Rhythmen und grellem Diskolicht empfangen und findet sich mitten im Geschehen wieder. Die Schauspieler*innen tanzen bereits ausgelassen im Theaterfoyer, ihre Gesichter hinter geheimnisvollen Masken verborgen. Plötzlich hört man die Schreie eines betrunkenen Romeos und seines Freundes Mercutio und das Stück beginnt. Die Grenzen zwischen Spielenden und Zuschauenden verschwimmen völlig, und jede*r Zuschauende kann seine eigene Perspektive auf die Geschichte einnehmen.

Wir werden Zeuge eines ersten, nicht ganz nüchternen Treffens zwischen Romeo Montague und Julia Capulet. Es ist Liebe auf den ersten Blick, und die beiden sind sich spätestens nach dem ausgelassenen Schmusen sicher, dass ihre Liebe stärker ist als die seit Jahrzehnten vorherrschende Feindschaft zwischen ihren Familien. Trunken (vor Glück) trennen sich ihre Wege, und die Zuschauerschaft wird in zwei getrennte Räume geführt. Während die eine Hälfte an der legendären Balkonszene in Julias Zimmer teilhaben darf, fiebert die andere Hälfte mit, wie der erste, Herzklopfen hervorrufende Chatkontakt zwischen Romeo und Julia stattfindet. Die Kontaktaufnahme über Instagrams Direct Messages trifft hierbei den Zahn der Zeit. Das vorwiegend junge Publikum kichert, nicht zuletzt etwas peinlich berührt, weil die Realität bei vielen gewiss nicht anders aussieht.

Multimedial vermittelte Emotionen

Spelleken, die auf der Filmakademie studiert, bedient sich bei der Inszenierung verschiedener Medien wie Film und Hörspiel, immer wieder unterbrochen von Live-Schauspiel. Man fühlt sich etwas wie ein*e sensationslüsterner Schaulustige*r, der/die private Einblicke in eine moderne Liebesbeziehung bekommt. Die Dialoge sind teils an die Jugendsprache angepasst, aber auch Originalzitate finden gekonnten Einsatz, gepaart mit Humor und einem Hauch von Kitsch. Die Schönheit der menschlichen Emotionen erstrahlt in all ihrer Pracht und Zerbrechlichkeit, und Romeo und Julia beschließen während des nächtlichen Balkontreffens zu heiraten, obwohl sie wissen, dass ihre Eltern dies aufgrund der Familienfehde ablehnen werden.

Doch sie können es einfach nicht lassen, die Liebe ist zu stark. In einer vorproduzierten Szene feiern die Verliebten ihre Vermählung und können ihr Glück kaum fassen. Alles könnte perfekt sein, wenn da nicht Julias gewaltbereiter Cousin Tybalt wäre, der in einer Auseinandersetzung den Tod von Romeos besten Freund Mercutio und schließlich auch seinen eigenen provoziert. Letzterer aus Romeos Hand, ein Fehler, der ihn ins Exil zwingt und letztendlich zum verheerenden Tod der beiden jungen Liebenden führt.

Tragik und Verwirrung

Das junge Ensemble, angeführt von Liam Noori als Romeo und Luz Kaufman als Julia, spielt authentisch und lässt die Illusion hinter sich. Es sind ehrliche Emotionen und reale, schmerzerfüllte Schreie, die durch Mark und Bein gehen und den Abend tragen. Denn als Zuseher*in fühlt man sich durch den multimedialen Mix und die Ortswechsel manchmal etwas verloren und alleingelassen. Da würde man sich doch glatt einen Romeo oder eine Julia wünschen, der/die einen selbst an die Hand nimmt. ;)

Alles in allem ist es Cosmea Spelleken dennoch definitiv gelungen, einen Shakespeare-Klassiker modern zugänglich zu machen und einen unterhaltsamer Abend zu gestalten, der durch seinen multimedialen Ansatz und die gelungene Schauspielkunst glänzt. Eine gelungene Auftaktveranstaltung für das Theater am Werk.

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