Kennst du Josephine Nivison?
Bei Künstler*innenpaaren arbeiten zwei Kunstschaffende in der selben Zeitperiode eng beieinander, ihre Arbeit weist jedoch meist unterschiedliche Rezeptionen und Erfolge vor. Über ungleiche Verhältnisse in der Kunstwelt.
In der aktuellen Ausstellung Kollaborationen setzt sich das mumok Museum mit künstlerischen Kollektiven, Fragen nach gemeinsamer Autor*innenschaft und unterschiedlichen Formen des Zusammenwirkens in der Kunst der letzten 60 Jahre auseinander. Mit Marina Abramović & Ulay oder Anna & Bernhard Blume sind auch Künstlerinn*enpaare vertreten.
Dies brachte mich auf die Idee dieses Texts, denn von solchen Künstler*innenpaaren gibt es tatsächlich sehr viele - was einem jedoch oft entgeht, weil eine Person mitunter im Schatten des Partners untergeht. So wird der Name des amerikanischen Realismus-Künstlers Edward Hopper den meisten Menschen schon einmal begegnet sein - der Name seiner Frau, welche ebenfalls Künstlerin war, werden viele erst in der Überschrift von diesem Text zum ersten Mal gelesen haben.
Dabei war sie zu dem Zeitpunkt, als die beiden sich kennenlernten, eine etablierte Künstlerin und viel erfolgreicher als der noch unbekannte Hopper. Sie unterstützte ihn während seines Aufstieges in der Kunstwelt - und stieg gleichzeitig selbst ab. Nicht nur ihr Name ist an vielen Stellen verloren gegangen, sondern auch ihr Œuvre - und dies ist ausgerechnet das Versäumnis eines Museums gewesen, dem Whitney Museum of American Art in New York, welches als Institution seine Aufgaben der Erhaltung und Archivierung hier vollends verfehlt hat. Nach dem Tode sowohl Edward Hoppers 1967 als auch Josephine Nivisons 1968 erhielt das Museum jeweils den künstlerischen Nachlass beider. Das Museum behielt Hoppers Werke, ein Großteil der Werke Nivisons wurde verschenkt oder ihr Verbleib ist nicht bekannt - fest steht, dass man die von ihr erhaltenen Werke an zwei Händen abzählen kann.
Als Bildsujet beliebt, als Bildschafferin verkannt
Es sind strukturell und gesellschaftlich tief verankerte Probleme, welche seit jeher dazu führen, dass Künstlerinnen* an vielen Stellen auf Benachteiligungen, Vorurteile und Hindernisse stoßen, denen sich Künstler* meist nicht stellen müssen. Künstler*innenpaare bieten sich zur Veranschaulichung gut an, da hier zwei Kunstschaffende in der gleichen Zeitperiode eng beieinander arbeiten und sich mitunter gegenseitig beeinflussen, ihre Arbeit jedoch unterschiedliche Rezeptionen und Erfolge vorweist.
Hier offenbaren sich die unterschiedlichsten Problematiken. Darunter schlechtere Erfolgschancen auf dem spekulativen Kunstmarkt, was zu finanziellen Unterschieden beiträgt, das Messen mit unfairen Maßstäben, welche strukturelle sowie soziale Hindernisse außer Acht lassen, die die Frau dem Mann gegenüber bei der Bewertung benachteiligen, das eigene Zurückstecken- und stellen der Frau zugunsten ihres Partners oder gar die aktive Sabotage und Herabsetzung ihres künstlerischen Schaffens. Diese Liste könnte man noch lange weiterführen.
Dabei spielt die Qualität der Kunst oft nur eine Nebenrolle, wie Vergleiche zeigen - das Urteil steht und fällt hier meist mit dem Namen und dem Geschlecht. Hier eine kleine Nebeneinanderstellung:
Eine nicht unwichtige Anekdote: Vielen wird es im Ohr klingeln, dass Picasso ein schwieriges Verhältnis zu Frauen gehabt haben soll. Gilot und Picasso führten von 1943 bis 1953 eine Beziehung und haben zwei gemeinsame Kinder. Nachdem sie die Beziehung beendete, schrieb Gilot zusammen mit dem Journalisten Carlton Lake das Buch Leben mit Picasso, in welchem sie die gemeinsamen Jahre und auch Picassos Ansichten gegenüber Frauen beschreibt, welche er gerne als Musen sah, jedoch nicht als gleichberechtigt. Infolge der Trennung widmete sich Gilot mehr ihrer eigenen künstlerischen Karriere, welcher Picasso stets negativ gegenüberstand, und ist heute im Besonderen dafür bekannt, sich ihm laut und öffentlich widersetzt zu haben. Picasso hatte nach der Trennung unter anderem Galerien untersagt, mit Gilot zusammenzuarbeiten oder ihre Werke zu erwerben. Sie arbeitete dennoch weiter und erschloss sich vor allem den Kunstmarkt der USA, wo Picasso weniger Einfluss genoss.
Mit solch einem Sexismus ist Picasso ein Kind seiner Zeit und ist zwar ein berühmter, aber kein Einzelfall, sowohl auf die Kunstwelt als auch die alltägliche Welt bezogen.
Arbeit im Schatten & Hintergrund
Zwei Künstlerinnen, welche neben ihrer eigenen Karriere die ihrer Ehepartner unterstützten, sei es als Managerin, emotionale und alltägliche Unterstützung oder Kontakt-Vermittlerin, waren Elaine de Kooning, Frau von Willem de Kooning, und Lee Krasner, Frau von Jackson Pollock; beide waren unter anderem Vertreterinnen des Abstrakten Expressionismus. Elaine de Kooning prägte als Malerin, Kunstkritikerin, Autorin und Kunstprofessorin die moderne Kunst in den USA nach 1945 nicht unerheblich mit. Trotz ihres eigenen Erfolges und ihrer Durchsetzungskraft in männlich dominierten Bereichen soll sie sich stets des Gefälles in ihrer Stellung gegenüber ihres Mannes bewusst gewesen sein. Während ihrer langen, turbulenten Beziehung unterstützte sie ihn vielseitig in seiner Karriere, verlor ihre eigene aber nicht aus den Augen.
Hingegen fast gänzlich der Kunst und Karriere ihres Mannes wandte sich Lee Krasner zu, welche als Erbin und Nachlassverwalterin seines Œuvres auch noch nach Pollocks Tode durch die Verbreitung seiner Werke seinen Erfolg mitprägte. Es sei ihr schwer gefallen, im Vergleich und Wettstreit mit ihrem Mann ihre künstlerische Motivation beizubehalten, obwohl sie am Beginn ihrer Karriere und Ausbildung als durchsetzungsfähige und talentierte Künstlerin galt.
Erst jetzt in letzter Zeit wird sie als eigenständige Künstlerin und bedeutende Vertreterin des Abstrakten Expressionismus wiederentdeckt und gewürdigt.
Zu guter Letzt eine meiner persönlichen Lieblingskünstlerinnen: Ana Mendieta. Das Werk der kubanisch-US amerikanischen Künstlerin umfasst in ihrer kurzen Schaffensperiode während der 1970er Fotografie, Performance, Skulptur und Land Art. Am Liebsten arbeitete sie mit natürlichen Materialien sowie ihrem eigenen Körper und setzte sich mit Fragen der Identität, dem menschlichen Körper oder der Sexualität auseinander; als kubanische Einwanderin in den USA lagen ihr Themen wie Transkulturalität, die Suche nach dem Selbst an einem fremden Ort und die Verbindung zur Natur und Landschaft am Herzen.
Am 8. September 1985 starb Mendieta mit nur 36 Jahren durch einen Sturz aus dem Fenster des Hochhauses, in welchem sie mit ihrem Ehemann und Minimalismus-Künstler Carl Andre gelebt hat. Was genau passiert war, ist bis heute ungeklärt. Carl Andre stand wegen Verdacht des Mordes an seiner Frau vor Gericht, wurde jedoch trotz einiger Indizien und Ungereimtheiten in seinen Aussagen freigesprochen. Jene mysteriösen Umstände ihres Ablebens und ihre Ehe zu Carl Andre sind bis heute in der Diskussion über Künstler*innen-Ehepaare und der unterschiedlichen Behandlung von Männern* und Frauen* in der Kunstwelt vertreten, so ist gerade auch in aktivistisch-feministischen Kreisen Ana Mendieta zu einer wichtigen Figur geworden. Beispielsweise gründete sich die Bewegung WHEREISANAMENDIETA (Wo ist Ana Mendieta), ein "internationales Kollektiv von Menschen, die gegen die Gleichgültigkeit kultureller Institutionen gegenüber Frauen/Frauen of Color/ethnischen Minderheiten/trans/unterdrückten und marginalisierten Gruppen kämpfen".
Gleichgültigkeit ist hier ein treffendes Wort - jedes Museum, jede Galerie, jede Person und Institution, welche immer noch weibliche* künstlerische Positionen übersieht, obwohl es mindestens genauso viele hochwertige Künstlerinnen wie Künstler gibt und obwohl die Aufarbeitung und (Wieder-)Entdeckung vergangener Künstlerinnen momentan stetig vorangeht, übersieht sie nicht unabsichtlich. Es ist eine Entscheidung. Dahingehend, patriarchalen und traditionellen Parametern verhaften zu bleiben und den profitableren und in gewisser Weise auch sichereren Weg zu gehen. Altbewährt, unreflektiert, halbherzig und Auf-Nummer-Sicher raubt jedoch die Chance, anderen spannenden künstlerischen Positionen und Blickwinkeln die Aufmerksamkeit und Anerkennung zu geben, die sie verdient hätten, vergisst Problematiken und Benachteiligungen, denen viele Personen(Gruppen) ausgesetzt waren und weiterhin sind und nimmt der Kunstwelt an Vielfältigkeit, für welche sie doch eigentlich prädestiniert ist.
Hier daher ein paar kleine Aufgaben, die den nächsten Museumsbesuch begleiten könnten. Wenn Du in einem Museum oder einer Ausstellung bist, könntest Du zählen, wieviele Namen von Künstlerinnen* Du findest; achte darauf, ob Du ein Werk tatsächlich schön und faszinierend findest oder nur die Tatsache, dass ein Monet oder Rembrandt es gemalt hat; schau nach, ob es neben dem Künstler, welcher ausgestellt ist, nicht auch eine Künstlerin* aus der selben Epoche oder Stilrichtung gibt, welche es nicht in die Ausstellung geschafft hat und deren Namen du vielleicht noch nicht kennst.