Mozart par excellence
Pianist Sir András Schiff beschenkte uns im Konzerthaus mit einem nahezu perfekten Abend mozartischer Musik.
Kennen Sie den Pianisten Andrea Barca? Nein, es handelt sich dabei nicht um die italianisierte Version des in Ungarn geborenen András Schiff, sondern auch um einen fast vollkommen in Vergessenheit geratenen Namensvetter. Andrea Barca, circa 20 Jahre älter als Mozart, soll diesem bei einem Konzert des Wunderknaben 1770 einmal umgeblättert haben und sein Leben danach der Interpretation der Musik des Salzburgers gewidmet haben. Dass dieser Andrea Barca, den man nicht einmal in einschlägigen Musiklexika findet, nun aber just András Schiffs Privatorchester als Namensspender dient, regt sprachaffine Musikliebhaber zumindest zum Schmunzeln an.
Ein rot lackierter Bösendorfer als Hingucker
Dass Schiff, der österreichische und britische Staatsbürger ist und von der Queen für seine Verdienste sogar zum Ritter geschlagen wurde, aufgrund der politischen Lage in Ungarn dort nicht mehr auftritt, ist bekannt. Dass er dies während der ersten schwarz-blauen Bundesregierung ab 2000 mit Österreich genauso hielt, wird hierzulande gerne vergessen. Und dass Schiff ein großer Fan und treuer Kunde von Bösendorfer ist, ist ebenso bekannt. Wenn man ihn allerdings zum ersten Mal an seinem rot lackierten Mahagoniflügel sitzen sieht, haut es einem schon mal die Augen aus.
Über die Person András Schiff ließe sich also durchaus einiges sagen und schreiben. Dass all dies bei ihm allerdings nie im Vordergrund steht, ist aber einer Tatsache zu verdanken: Dass er ein grandioser, feinfühliger und intelligenter Musiker ist. Am Donnerstagabend präsentierte er nun wie tags zuvor im Musikverein ein lupenreines Programm der Wiener Klassik. Zuerst Mozarts „Jeunehomme“ Klavierkonzert Nr. 9, dann Schuberts 5. Sinfonie und nach der Pause Mozarts Klavierkonzert Nr. 27.
Ein Orchester aus Solist*innen
Die Cappella Andrea Barca ist kein fixes Orchester, sondern eine Gruppe von ausgezeichneten Solistinnen, Orchester- und vor allem Kammermusiker*innen, die Schiff seit nunmehr 20 Jahren immer wieder um sich schart. Es sind Musiker wie zum Beispiel Erich Höbarth als Konzertmeister, die den Geist der historisch informierten Aufführungspraxis atmen und sich auf die Musik der Wiener Klassik bestens verstehen. Und es sind diese Musiker, die von sich aus dafür sorgten, dass Schuberts 5., die letzte seiner Jugendsinfonien, in denen er seine eigene musikalische Sprache entwickelte und sich an die Stile verschiedenster Komponisten anlehnte (im konkreten Fall der 5. an Mozart), eine gute, beherzte Aufführung erlebte.
András Schiff versuchte erst gar nicht, allzu sehr als Dirigent in den Vordergrund zu treten. Er war einfach präsent und gar eine gewisse Grundrichtung vor, überließ den Rest aber dem kammermusikalischen Talent seiner Musiker. Gewiss - wäre dem Orchester jemand vorgestanden wäre, der vom Dirigieren etwas mehr verstünde, man hätte noch mehr aus Schuberts Musik rausholen können.
Primus inter pares: Flügel mitten im Orchester
Die wahre Klasse spielten András Schiff und die Cappella allerdings in den beiden Klavierkonzerten aus. Nicht klassisch vorne an der Rampe, sondern schräg in Mitte des Orchesters stand der Bösendorfer. In den Konzerten hielt sich Schiff mit dem Dirigieren noch mehr zurück, nahm vollkommen die Rolle eines primus inter pares ein. Die Kommunikation funktionierte quasi blind. Schon im Konzert KV 271 begann das Orchester leicht und spritzig, im zweiten Satz hingegen dunkel-melancholisch. Und in der Mitte der perfekten Einheit Schiff am Klavier, immer klar und warm im Klang, rhythmisch und dynamisch unglaublich fein gestaltet.
Ebenso im B-Dur-Konzert KV 595, Mozarts letztem Klavierkonzert. Die lange orchestrale Einleitung klang so luftig, nicht so breit wie oft der Fall, und bereitete den perfekten Boden für den Einstieg des Klaviers. Bei Schiff sitzt einfach jede Phrase, ergibt sich jede Phrase organisch aus der vorigen. Himmlisch sanft lässt er sich in synkopische Überhänge hineinfallen, spielt die Läufe glasklar.
Ein besonderer Moment ereignete sich im dritten Satz für die, die es merkten. Das Thema des Schlusssatzes verwendete Mozart wenige Tage nach der Komposition des Klavierkonzerts für sein Lied Sehnsucht nach dem Frühling („Komm, lieber Mai, und mache.“) in etwas angewandelter Form wieder. Dies ließ Schiff schon bei der Vorstellung fast spitzbübisch-keck klingen. In der Solokadenz des Satzes ließ er es sich dann nicht nehmen, einmal die komplette Melodie des bekannten Lieds erklingen zu lassen. Ein musikalischer Witz nach Mozarts Vorbild. András Schiff kann Mozart nicht nur unglaublich gut spielen, er hat ihn auch verstanden.