I am from Austrofaschismus
Bringt Wiener Satireikone Sarganagel mit Opernball mehr als nur altbekannte Kritik an der Elitekultur auf die Bühne oder stiehlt Musiker Saló ihr die Show? Die austrofaschistische Tradition Opernball ist und bleibt unaufgearbeitete Geschichte. Was kann Satire da noch helfen?
Take that, Austrofaschismus /// Pertramer, Rabenhof ©
Leni Klum und Ed Westwick als internationale Stars oder Ex-Kanzler Kurz und Simone Lugner, alle und jede*r mit Namen und Geld ist da, um sich an einem Abend um ein für Menschen bis zur Mittelschicht unvorstellbaren Vermögens innerhalb einer Nacht zu erleichtern. Der Opernball ist Tradition und Gäst*innen sind letztendlich auch nur deshalb hier: Für Tradition, Prunk und vor allem Repräsentation. Nun hat sich diese Tradition aus dem Austrofaschismus fein gehalten und belebt wie eh und je den repräsentativen „Fremdenverkehr“ der Extraklasse in Wien. Die Entstehung des Opernballs liegt im Austrofaschismus. Dieser Begriff wird aber auch öfter kritisiert: es gäbe hier fehlenden Eigenschaften des Faschismus wie er im nationalistischen Italien oder Deutschland vorherrschte. In Österreich sei dies vergleichsweise auf der Stufe eines künstlich geschaffenen Patriotismus. Die Verharmlosung des Begriffs sei angesichts der Opfer jedoch problematisch.
Ist der Opernball damit ein Konstrukt dieses künstlich beworbenen Patriotismus, den die wenigen Reichen reanimieren sollen? Ein derart aufgeladenes Event, das einen historischen, politischen und machtverherrlichenden Status besitzt muss kontinuierlich re-evaluiert werden, wird aber normalisiert. Zurückversetzt sind wir in die gute alte Zeit der romantisierten Monarchie (und weniger orientiert and den Maskenbällen der Opernredoute der 20er), die wir uns doch sicherlich zurückwünschen genauso wie das Österreich von 1935? Unbeirrt weiter patriotisch wurde der Opernball auch 1956 nach der Besatzungszeit wieder eingeführt, um woran genau zu erinnern? Ach ja eben, dass das Land nach wie vor dasselbe ist.
Satire: eine Form der Gesellschaftskritik
Satire darf alles, so heißt es nach Kurt Tucholsky. Aber was muss Satire? Eine Theatershow mit Abrechnung über die Wiener Elite der Gesellschaft des Opernballs ist dringend nötig. Das Rabenhof-Theater beauftragte die Wiener Wort- und Satireikone Stefanie Sargnagel (Romane: Dicht und Iowa, Theaterproduktionen: JA, EH! Beisl, Bier und Bachmannpreis, HEIL – eine energetische Reinigung) sich in Form eines Theaterabends mit dem Opernball zu beschäftigen. Regisseurin Christina Tscharyiski inszeniert einen dynamisch unterhaltenden Abend nicht zuletzt dank eines überzeugenden satirischen Schauspielensembles.
Keine Panik mit so einem fetzigen Creative Team: Tscharyiski und Sargnagel /// Pertramer, Rabenhof ©
Von hinten durch die Publikumseingänge kommen die vier Schauspielenden auf die Bühne und reihen sich vor dem rot-samtigen Vorhang, wie ein bildhübsches Blumenarrangement auf. Denn das Kostüm besteht symbolbildlich aus bunten Blumen, die den ganzen Körper der Spielenden bedecken, eine aufgesetzte Verzierung, wie es die Opernballkostüme sind? Der Einstieg des Abends wirkt etwas holprig und erinnert eher an Stand-Up Comedy, wie die vier Witze und Anekdoten erzählen, während das Publikum wie im Live-Fernsehen mit einstudierten Lachern reagiert.
Der Hingucker des Abends: Saló
Vorhang auf. Saló und seine Band reißen von ihrer Nische links am Bühnenrand mit authentisch ungehaltenen Moves mit, sie haben dabei vermutlich selbst den meisten Spaß. Jede Skepsis, die es vielleicht vor der Neuen Neuen Deutsche Welle gab, ist Vergangenheit. Dieser Künstler zeigt, wie punkig-rockige Deutsche-Welle-Mukke funktioniert. Die Texte sind passend zum Stück, aber auch darüber hinaus, sind sie auf links-zynische und Weltschmerz optimistische Themen angepasst. Spätestens jetzt eine große Empfehlung Saló nicht nur zu hören, sondern zu sehen (vielleicht einfach ganz praktisch hier am Rabenhof Theater): Die Performance ist der Hingucker des Abends.
Saló stiehlt fast die Show /// Pertramer, Rabenhof ©
Der Abend kommt richtig ins Rollen, als Sargnagels eigentliches Narrativ beginnt. Sie ist auf den Opernball eingeladen und erzählt uns den Verlauf ihres Abends wie eine Mischung aus Escape-Room Reality-Show und Saturday -Night-Live-Sketchen mit wiederkehrenden musikalischen Intermissionen Salós. Dabei wird auch klar der ein oder andere wienerische politische oder popkulturell prominente Name genannt. Von TV Journalist Dominic Heinzl (selbst im Premierenpublikum), Dompfarrer Toni Faber, Roboter-Abklatsch von der ehemaligen Politikerin Susanne Raab bis zum selbsternannten „Volkskanszler“ Kickl, der die Gäst*innen im goldenen Pisseregen tanzen lässt, ist einiges abgedeckt. Das Highlight ist der von der anwesenden Elite verhasste Auftritt von Richard Lugner, der sich von Securities umringt mit Priscilla am Arm durch die Menge begibt.
Das Tanzparkett und der Marmorsaal werden durch das Öffnen von glitzernden Vorhängen enthüllt, die immer mehr Ebenen der Bühne freigeben. Die Schriftstellerin und ihre Begleitung können sich hier unerwartet einfach in die Gesellschaft einfügen, jedoch bleibt ihnen der Zutritt zur Mitarbeiter*innenkantine verwehrt. Hier beginnt der substanzgebende Teil der Inszenierung. Sargnagel hinterfragt die Stellung des durchaus akzeptierten Aufstiegs des Künstlers, denn
„Der Künstler ist der einzige Lump, der unverstellt die Klasse wechseln darf.“
Und obwohl es ihr widerstrebt, lässt sie sich nach mehrfacher Schmeichelei doch in eine Loge einladen. Trotz ihrer Kritik an denen, die Jemand mit Namen sind, ist sie selber aus der Subkultur ein Jemand geworden. Sind die Künstler*innen nur die Belustigungsapparatur der Reichen, die sie dulden, weil sie ihre schärfsten Kritiker*innen gerne in Greifweite haben? Das Unbehagen gegenüber des Opernprunks seitens Sargnagel bleibt sichtlich bestehen.
Die Satire über den Opernball und das Schießen gegen die Reichen ist nichts Neues, dennoch eine gern gesehene Erinnerung, dass dies Elitenkultur immer noch existiert. Damit trifft die Satire die Mindestanforderung, die sich Tucholsky erdachte. Witzeleien über die Perspektive der sich fehl am Platz befindenden Besuchenden, hier die Schriftstellerin und Begleitung, die aus der Sicht der Opernballeingesessenen als bedrohlich gelesen werden und als Klimaklebende Radikalisierte (gar Islamist*innen) wahrgenommen werden, sind etwas konkreter. Diese Bemerkung trifft nachdrücklich eine permanent offene Wunde der deutsch-österreichischen Gesellschaft. Hiermit ist beispielhaft markiert, was Satire kann, und muss, und muss, und wirklich muss! Sie soll uns unverschont erinnern, was hier gerade radikal schiefläuft. Deswegen brauchen wir dieses Stück und sogar noch mehr davon: denn Satire darf mehr.
Irrelevanz und Müdigkeit
Der Opernball ist ein immer wieder stattfindendes Ereignis, das scheinbar in einer Zeit der Krisenzuspitzung, einfach von Irrelevanz und Müdigkeit zeugt. So waren die physischen Proteste wie Demonstrationen schon mal lauter und die Kritik sichtbarer. Sargnagels Stück ruft uns dies in Erinnerung. Historisch gesehen zwickt die unaufgearbeitete Existenz dieser Tradition das Gewissen der kümmerlichen Aufarbeitungsmentalität dieses traditionsklammernden Landes.
Quellen: https://dasrotewien.at/seite/austrofaschismus,
https://kurier.at/stars/austropromis/opernball-2025-kleider-fotos-gaeste-zitate-stars/403016067