Sie ist alles, was der Fall ist

Einsamkeit, Katzen, eine blutende Ilias: Protagonistin Kate kuratiert in “Wittgensteins Mistress” im Kosmos Theater ihre eigene Gedankenwelt.

Kate’s Welt /// (c) Bettina Frenzel

Was hatte die Katze, die Rembrandt theoretisch einmal gehabt haben könnte, mit van Goghs abgeschnittenem Ohr zu tun? Warum wird das alles von einer Frau erzählt, welche die letzte übergebliebene Person auf der Welt zu sein scheint und wo kommt Kate Bush plötzlich her? Diese Fragen stellt sich das Publikum des Kosmos Theaters während der Premiere von Wittgensteins Mistress. Bei diesem tragikomödischen Ritt durch die Jahrhunderte erzählt Kate (Sophie Hutter) unter der Regie von Anna Laner von ihrer Welt, ohne klare Antworten auf diese Fragen zu geben – diese scheinen nicht notwendig zu sein, denn diese Welt ist alles, was der Fall ist.

Ein Museum der Gedankenwelt

Das Bühnenbild stellt einen Raum dar, wie man ihn aus einer Ausstellung in einem Museum oder einer Galerie kennt: Weißer Boden, weiße Wände, weiße Blöcke, weiße Leinwände. Ein möglichst steriler Raum mit neutralen Projektionsflächen für die Spiegelung von Kates Innenleben. Ein Raum, in dem Kate selbst als Guide durch diese Welt führt und dafür sorgt, dass das Publikum ihr voller Neugierde bei dieser Reise auf Schritt und Tritt folgt.

Ein Gedankenkarussel der Extraklasse

Kennt ihr das, wenn ihr so viele Gedanken zur selben Zeit im Kopf habt, dass ihr gar nicht klar reflektieren könnt, sondern von einem Punkt zum nächsten springt, wieder zurückkommt, über Hindernisse hinwegdenkt, einen Gedanken mit dem nächsten verbindet und euch schließlich in einem furchtbaren Wirrwarr aus zusammenhanglosen Gedanken wiederfindet? So sieht Kates Alltag aus. Ganz auf sich allein gestellt versucht sie, der langweiligen Leere ihres Lebens zu entfliehen, indem sie einerseits die alltäglichsten Situationen bis ins Detail beschreibt und andererseits Episoden aus der westlichen Kunst- und Kulturgeschichte rekapituliert. Ob durch Reenactments, in denen alle Rollen von Kate selbst gespielt werden, oder sprachliche Ausführungen, die an Witz nicht zu übertreffen sind: Kate findet Wege, sich die Zeit zu vertreiben und das Publikum versteht zwar die Langeweile, die sie empfindet, ist aber selbst durch das kurzweilige Chaos in Kates Kopf fasziniert.

Flüchtige Gedanken schaffen bleibende Eindrücke

Im Stück hat Kate keine direkten Ansprechpersonen, auf der Bühne jedoch begeistert Sympathieträgerin Sophie Hutter ihr Publikum mit Talent und Humor. Sie spricht mit sich selbst in Form von Projektionen, nimmt Gemälde auseinander oder erfindet wirre Geschichten, in denen Tennisbälle und Katzen in jeder Form eine große Rolle spielen. Man hat den Eindruck, in eine Welt entführt zu werden, in der man sich erst einmal umsehen muss, bis man ihre Funktionsweise nachvollziehen kann. Im Laufe des Stückes entstehen Insider, die man mit der Künstlerin zu teilen scheint. Und wenn man sich dann endlich auskennt und das bittersüße Gefühl der Einsamkeit aus dem bunten Chaos der Erzählungen einkehrt, ist das Stück auch schon vorbei.

Previous
Previous

Der Klügere tritt nach

Next
Next

Holzinger’s Got Talent