Animals! Attack! Anthropozän! - Tierhorror in Zeiten des Klimawandels
Im Rahmen seiner vierzehnten Iteration zeigt das SLASH Filmfestival unter dem Titel Animals! Attack! neue und alte Filme, in denen mutierte, wildgewordene oder anderweitig besonders gefährliche Tiere das Leben der Protagonist*innen bedrohen. Gleichzeitig werden Ökokatastrophen immer häufiger. Ein Hinfiebern auf eine Programmreihe, die aktueller nicht sein könnte.
Kaum ein Genre hält uns die Probleme und Ängste unserer Gesellschaft so direkt vor wie der Horror. Das ist ja schon im Namen enthalten. Angst vor der Krankheit, Angst vor der Unfähigkeit oder, im Falle vom Tierhorror, Angst vor der eigenen Beziehung zur Natur. Viele der älteren Filme des Genres sind von den Nachkriegsgesellschaften, die sie hervorgebracht haben, nicht zu trennen. Mutierte Tiere werden hier zu Äquivalenten und Symptomen von Massenvernichtungswaffen und Atombomben. Trotzdem bleibt die Furcht, die Destruktion selber herbeigeführt zu haben, eher implizit. Sie wird ausgelagert auf andere Parteien, die für die Naturveränderungen zu verantworten sind, seien es verrückte Wissenschaftler, nebulöse Organisationen oder Kriegsfeinde. Die wildgewordenen Kreaturen bleiben eine Bedrohung von außen, die eine Gruppe an vernünftigen Menschen besiegen kann und muss.
So interessant diese Filme aus historischer Sicht sein mögen, um die Mentalität früherer Generationen zu verstehen, sind sie in ihren gesellschaftspolitischen Aussagen meistens doch ziemlich eindimensional. Zumindest, bis man sich bewusst wird, dass die Gefahr der Auslöschung durch Naturumstände immer greifbarer, aber gleichzeitig auch so komplex wird, dass der Status der Menschheit durch ein bloßes Überkommen von einzelnen Katastrophen nicht weniger prekär wird. Wie verändern sich diese Filme also vor dem Hintergrund des Klimawandels? Und können sie uns vielleicht neue Umgangsmöglichkeiten mit diesem anbieten?
Angriff von Unten
Was das diesjährige Slash-Programm so außergewöhnlich macht, ist, welche Tiere dort zum Gegenspieler gemacht werden. An die Stelle von ohnehin schon imposanten Raubtieren und gigantischen Fantasiemonstern treten meistens Spinnen, Insekten oder Amphibien. Es handelt sich kurz gesagt um eine Gefahr von unten. Lebewesen, die sonst am Ende der Nahrungskette stehen und im direkten Kampf einem Menschen stark unterlegen wären, erreichen durch plötzliche Überlegenheit in Größe oder Zahl einen Überraschungsvorteil.
Natürlich liegt genau in diesem Kontrast der wahre Horror des Genres. Weiter noch- er ist der Grund, warum diese Art von Film so merkwürdig gut altert. Denn ein plötzliches Ermächtigen der sonst schwächsten Kreaturen stellt nicht nur die Sicherheit von attackierten Einzelpersonen in Frage- sondern vor allem die Stabilität der menschgemachten Naturordnung. Die Konfrontation mit den unkontrollierbaren Potenzialen der Umwelt wird zum Bruch im eigenen Menschenbild. Daraus folgt, dass auch die Schuldzuschreibungen, die im frühen Tierhorror stattfinden, wegfallen. Anstatt einzelne Parteien für Mutationen und Experimente verantwortlich machen zu können, ist es das menschliche Selbstverständnis, das Verursacher und Geschädigter gleichzeitig wird. Und auch wenn die Held*innen im Film die Tiere zurückdrängen können und der Status Quo wiederhergestellt wird, ist dies für ein Publikum im 21sten Jahrhundert utopisch und dystopisch zugleich.
Zurückkrabbeln und zurückerobern
Denn so schön es auch wäre, einzelne Ökokatastrophen durch ein pures Überleben, Besiegen und Weitermachen hinter sich lassen zu können- reale Konflikte zwischen Mensch und Natur werden nur durch die Veränderung des Status Quo ein Ende finden können. Sei es durch einen Umgang mit der Umwelt, der die Nahrungskette und Artenhierarchie radikal umdenkt und Nachhaltigkeit nicht als gemäßigtes Beherrschen, sondern als Einlassen auf die Natur konstruiert- oder durch die Dezimierung der Menschlichen Spezies durch Ressourcenknappheit.
Am Ende beider Szenarien steht genau das, was der Tierhorror noch als externe Gefahr darstellt: Ein Erheben von Kreaturen und Krittern, die zuvor aus ihren Nischen und Lebensräumen gedrängt wurden und als Teil der symbiotischen Beziehungen ernstgenommen werden, ohne die kein Ökosystem funktionieren kann. Und auch wenn der Tierhorror meistens nicht im posthumanistischen Happy End oder der kompletten Verwüstung seine Katharsis findet, kann er zumindest wachrütteln. Die menschliche Abhängigkeit von der Natur wird sichtbar gemacht und Lebewesen, die sonst in Debatten um Umweltschutz als letztes genannt werden, können in ins Blickfeld der Öffentlichkeit krabbeln.
Die Tierhorror-Retrospektive Animals! Attack! ist vom 22. bis 30.9. beim SLASH-Filmfestival zu sehen. Genauere Infos, Daten und Tickets zu den Einzelfilmen finden sich hier.