Wo kein Wille, da auch kein Weg

Die Premiere von Serge im Akademietheater bietet eine merkwürdige Aufarbeitung einer jüdischen Familiengeschichte und lässt sein Publikum ratlos zurück.

Im Wartezimmer /// (c) Matthias Horn

Zum fünften Mal kommt nun ein Text der Autorin und Dramatikerin Yasmina Reza auf die Bühne des Burgtheaters – diesmal unter der Regie von Lily Sykes. Der Erfolg des ersten Abends hält sich jedoch deutlich in Grenzen: Schulterzucken im Saal und frühzeitiges Verlassen des Theaters sind keine Anzeichen einer gelungenen Premiere.

Ein Roadtrip der besonderen Art

Wir beobachten die jüdischen Familienmitglieder Jean (Michael Maertens), Serge (Roland Koch), Nana (Alexandra Henkel) und Joséphine (Lilith Häßle) dabei, wie sie sich dazu entscheiden, gemeinsam einen Ausflug nach Auschwitz zu unternehmen. Man müsse die Familiengeschichte aufarbeiten. Gesagt, getan: Die Reise beginnt und wird untermauert mit Flashbacks in die Kindheit und Jugend der Protagonist*innen. Besonders viel über ihre jüdische Identität und die Geschichte ihrer Vorfahr*innen lernen wir dabei jedoch nicht – eher geht es um gemeinsame Kindheitserinnerungen. Kann ein Ort, der vor Generationen noch Vernichtung bedeutet hatte, hier zerrüttete Familienverhältnisse retten?

Türnummern, Hotelzimmernummern und…?

Das Bühnenbild stellt ein typisches Wartezimmer dar, im Hintergrund sind einige Türen zu sehen – jede mit einem Nummernschild. Im Laufe des Abends erhalten diese Nummern unterschiedliche Bedeutungen: Sie grenzen unterschiedliche Praxiszimmer voneinander ab, teilen ein Hotel in Zimmer ein und dienen als Ausstellungsräume der Gedenkstätte. Als schließlich eine der Nummern heruntergenommen wird, nachdem die Figuren, sowie die Zuschauenden erfahren, dass ein Überlebender des Holocausts gestorben war, ist klar, wofür die Nummern außerdem stehen.

Ein Ort, viele Umgangsformen

Dass ein Besuch in einer KZ-Gedenkstätte aufwühlend sein wird, ist zu erwarten. So ein Ausflug bedeutet, sich mit Geschehnissen auseinanderzusetzen, die unbeschreiblich und unvorstellbar sind. Vergleichbar mit einer Schulklasse, die auf Exkursion geschickt wird, sind bei den Protagonist*innen die Reaktionen auf das Gesehene sehr unterschiedlich, allerdings nicht besonders eingebungsvoll. Trotzdem wird hier Szene für Szene die Vielfalt der möglichen Umgangsweisen verdeutlicht: Joséphine kann zum Beispiel nicht aufhören alles zu fotografieren. Einer klischeehaften Darstellung der heutigen Jugend konnte also nicht entgangen werden. Währenddessen wehrt sich Serge dagegen, die Räume von innen zu sehen. Die Streitigkeiten scheinen kein Ende zu haben. Das Gefühl von unausgeschöpftem Potenzial macht sich breit.

Und jetzt?

Das fragte man sich wiederholt im Laufe der Vorstellung und hoffte auf eine Antwort, die leider auf sich warten ließ. Wie der Vergleich mit anderen Stücken, die sich sehr gelungen mit der Vergangenheitsaufarbeitung im Kontext des Holocausts auseinandersetzen („Mein Kampf“, „Jeder stirbt für sich allein“, „(K)ein Heimatland“ etc.) zeigt, ist eine auf der Bühne gezeigte „Schlag-ins-Gesicht“-Fahrt nach Auschwitz vielleicht nicht unbedingt notwendig, um ins Schwarze zu treffen. Eher wird so nur um den heißen Brei der furchtbaren Ereignisse geredet. Und das in nicht besonders schillernden Dialogen der eigentlich sonst so begabten Darsteller*innen.

Serge ist noch bis zum 23. März im Akademietheater zu sehen.

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