Beau is Afraid – And so am I

Ari Asters‘ neues Machwerk spaltet die Gemüter – Aber warum eigentlich? Und warum oder wovor ist Beau jetzt eigentlich so „Afraid“? Ari Aster bombardiert uns auch in seinem neuen Film mit einem Haufen Fragezeichen – im Folgenden habe ich versucht zumindest ein paar davon zu beantworten.

Beau, afraid. /// A24 (c)

“Wovon zur Hölle wurde ich da gerade Zeuge“ & „Warum fühle ich mich gerade so absolut unwohl“ – waren meine ersten Gedanken, als ich gestern aus dem Kino kam. Aber von vorne: „Beau is Afraid“ ist der 3. Langspielfilm von Ari Aster, welcher sich durch seine letzten beiden Filme, „Hereditary“ und „Midsommar“, einen bestimmten Ruf und Beliebtheit innerhalb der Filmcommunity erarbeitet hat – was sich wohl auch in Zahlen niedergeschlagen hat. Nicht anders ist zu erklären, dass ihm A24 ein Produktionsbudget von 35 Millionen US Dollar für seinen aktuellen Film, genehmigt hat.

So einzigartig wie diese große Menge Geld für dieser Art Film ist auch der Film selbst. Die visuelle Welt, die Ari Aster uns ab der Hälfte des Filmes eröffnet, ist einzigartig, nicht unbedingt wegen der Farben oder Animationen, aber wegen der Art und Weise, wie sich die Schauspieler in diese absolut künstliche Welt einfügen und bewegen. Als wäre es die natürlichste Sache der Welt, fügt sich diese sehr bunte, teilweise kindlich anmutende Welt um Joaquin Phoenix und seine Schauspielkolleg*Innen, an vielen Stellen wirkt sie dabei trotz dieser Künstlichkeit plastisch und glaubhaft.

„Where is my mind?“

Den Film inhaltlich zusammen zu fassen, fällt dabei etwas schwerer aus. Ari Aster selbst tut sich in Interviews schwer, auf die Frage zu antworten, worum es in dem Film überhaupt geht. Ich werde an der Stelle trotzdem versuchen, eine ungefähre Auflistung der Geschehnisse innerhalb des Filmes zu geben, ohne dabei zu viel vorwegzunehmen: Beau Wasserman, ein von Angststörung und Depression gezeichneter, mittelalterlicher Mann, beschließt, seine Mutter zu besuchen. In einem Gespräch mit seinem Therapeuten zu Beginn des Filmes erfahren wir, dass sich das Verhältnis zu dieser in der Vergangenheit wohl alles andere als leicht gestaltet hat – Manipulation spielt dabei ebenso eine Rolle, wie emotionaler Missbrauch. Nachdem er den geplanten Flug verpasst, entspinnt sich für Beau eine absolute horrorartig anmutende Odyssee, während dieser er versucht, doch noch bei seiner Mutter anzukommen.

Mann im Wald /// A24 (c)

Als Zuschauer wird man dabei lange im Unklaren gelassen, welche Art Film wir hier vor uns haben, aber spätestens bei der animierten Sequenz wird klar, dass sich „Beau is Afraid“ ganz klar von einem realistischen Ansatz lossagt. Die Welt und die Geschehnisse, die wir erleben, unterliegen keinem objektiven Blick, sondern wir als Zuschauer*Innen sind von Beginn des Filmes an in einer Welt, die vom subjektiven psychologisierten Blick von Beau geprägt ist. Aber selbst, wenn wir das verstanden haben, erschließt sich uns der Film noch nicht endgültig – zu wirr, abstrakt und unzusammenhängend wirkt das Geschehen auf der Leinwand. Es gibt zwar immer wieder viele Hinweise, die in Teilen auf Beaus‘ Vergangenheit und Kindheit deuten, eine endgültige Erklärung des Gezeigten bleibt der Film aber fürs‘ Erste schuldig.

Psychologischer Horror & Ebenen der Angst

An dieser Stelle ist ein guter Zeitpunkt, um ein paar Worte darüber zu verlieren, was der Film in mir körperlich ausgelöst hat, denn wer einen klassischen Horrorfilm mit Angst- und Schockeffekten erwartet, wird enttäuscht. Angst ist aber trotzdem ein gutes Stichwort, nur auf einer ganz anderen Ebene als im gewöhnlichen Horror Kino. Beau wird uns als eine Figur präsentiert, die geprägt ist durch seine Angst bzw. seine Angststörung, bei jeder Handlung wird abgewogen, was wohl der schlimmstmögliche Ausgang ist.

Im Laufe des Filmes überträgt sich Beaus‘ Ängstlichkeit auch auf uns als Zuschauer*Innen. Was dabei bestimmt ein hilfreicher Faktor ist, ist die Laufzeit des Filmes von  über 3 Stunden und die Tatsache, dass wir die Welt durch die Augen von Beau wahrnehmen.

Jetzt verhält es sich im Laufe des Filmes so, dass sich Beau das schlimmstmögliche Szenario nicht ausmalt, sondern dass dieses tatsächlich eintritt, und so werden wir gemeinsam mit Beau im Laufe des Filmes immer angespannter. Ari Aster gönnt uns zwar auch einige Ruhephasen, die angesprochene animierte Sequenz fungiert als eine davon, aber diese sind im Verhältnis zum gesamten Film sehr kurz. Das Ganze gipfelt darin, dass die Ängstlichkeit, die uns dieser Film fühlen lässt, intensiver ist, als es uns jedes Monster oder jeder Killer fühlen lassen könnte. Natürlich löst es auch in mir stress aus, wenn das Monster die Teenager um die Hütte am See jagt, aber den Stress, den dieser Film ausgelöst hat, geht tiefer und langanhaltender als jede Form von Horror die ich zuvor hatte. Auch heute, einen Tag nach der Sichtung, verspüre ich immer noch ein Unwohlsein und leichte Nervosität, die mir tief in den Knochen sitzt.

Intensiver Trip, aber mit Vorsicht zu genießen

Das alles und die Tatsache, dass der Film auch lustige Elemente hat, die eine*n zum Schmunzeln, sogar zum Lachen bringen, macht“ Beau is Afraid“ zu einem der intensivsten Kinoerfahrungen, an die ich mich zumindest erinnern kann. Trotzdem tu ich mir schwer eine klare Empfehlung für den Film abzugeben, kann er durch die heiklen Themen und der Intensität doch zu Retraumatisierung führen.

Denn ein Grund, warum der Film bei mir so gut funktioniert hat, ist bestimmt auch die Tatsache, dass ich schon meine eigenen intensiven Erfahrungen mit Anxiety habe. Ich würde aber so weit gehen und sagen, dass es sich vor allem für diejenigen, die ähnlichen Erfahrungen haben, lohnt, einen Blick auf „Beau is Afraid“ zu werfen. Motiviert uns der Film doch, sich unseren Ängsten zu stellen und sich nicht wie Beau davon dominieren zu lassen, ja das ganze Leben danach auszurichten.

“Beau is Afraid” ist also eine sehr einzigartige Erfahrung und Erlebnis, dass ich wahrscheinlich in seiner Gänze nicht so schnell wiederholen werde, besonders wegen seiner Länge. Ich kann verstehen, wenn man anhand der wirren Vorkommnisse und der Überlänge, eher verwirrt, überfordert oder sogar enttäuscht ist, für mich persönlich ist der Funken aber übergesprungen. Sollte der Film uns also über einschlägige Streaming Services in unsere Wohnzimmer geliefert werden, werde ich einzelnen Teilen des Filmes definitiv nochmal einen Blick widmen.

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