Zukunftsmythen und lautes Wroom Wroom

Mit Furiosa: A Mad Max Saga bringt Kultregisseur George Miller die Vorgeschichte der weiblichen Hauptfigur aus Fury Road auf die Leinwand und präsentiert ein bildgewaltiges Racheepos.

Action! /// (c) Warner Bros. Pictures

Mad Max: Fury Road ist einer jener Filme, bei denen ich es bereue, dass ich ihn nur einmal im Kino erleben durfte. Der 2-stündige Actionblockbuster ist der vierte Teil der Mad Max-Reihe und ist als solcher nicht nur der beste Film des Jahre 2015 gewesen, sondern auch einer der besten Action-Filme aller Zeiten. Wie gesagt, im Kino habe ich ihn nur einmal gesehen. Denselben Fehler will ich bei Furiosa nicht machen.

Neun Jahre nach Fury Road kehrt Kultregisseur George Miller in die Welt von Mad Max zurück. Im Prequel Furiosa: A Mad Max Saga erzählt er die Vorgeschichte zur weiblichen Hauptfigur aus dem letzten Film. Statt Charlize Theron schlüpft diesmal Anya Taylor-Joy in die Titelrolle.

Nach dem apokalyptischen Untergang der menschlichen Zivilisation lebt inmitten einer weiten Wüstenlandschaft die kleine Furiosa in dem vermutlich letzten Stück grüner Erde. Das verstecke Idyll wird aber von einer Bikergang entdeckt, und Furiosa wird bei dem Versuch, das Geheimnis um den Ort zu bewahren, verschleppt und gerät in die Hände des nomadischen Kriegsherren Dementus (Chris Hemsworth). Auf der Irrfahrt nach dem grünen Ort gelangen sie zur von Immortan Joe (Lachy Hulme) beherrschten Zitadelle. Während ein brüchiges und intrigantes Handelsabkommen geschmiedet wird, versucht Furiosa alles, um zu fliehen und doch noch nach Hause zurückzukehren.

Die Action hinterm Lenkrad & die Brutalität am Beifahrersitz

Wie die anderen Filme der Reihe ist auch Furiosa actiongeladen. Und die sieht wirklich gut aus. Nach den akrobatischen Stangenmanövern in den Verfolgunsjagden von Fury Road sind diesmal sogar Flugstunts mit an Bord. Zudem darf während einer 15-minütigen Actionsequenz unter und neben einem fahrenden Vehikel herumgekraxelt werden, was das Zeug hält.

Wie schon in Fury Road: auch Furiosa wartet mit Verfolgungsjagden auf /// (c) Warner Bros. Pictures

Ja, der Film sieht gut aus, aber nicht so gut wie Fury Road. Digitale Effekte, der Einsatz von Greenscreen und Compositing sind wesentlich markanter, als sie es noch vor neun Jahren waren. Ist es gar fehlende Zeit, oder das Budget, die Gewöhnung des Auges oder die Weiterentwicklung der Technologie, aber der Green Screen ist vor allem in der ersten Filmhälfte viel zu oft deutlich erkennbar. Das macht dem Sehgenuss von Furiosa aber nur bedingt einen Abbruch. Zum einen gewöhnt man sich im Lauf des Filmes daran, zum anderen fügt es sich in die surrealistische Atmosphäre des Filmes ein.

Die Brutalität ist jedoch nicht zu unterschätzen. Kopfschüsse unmittelbar vor der Kamera sind da noch das Harmloseste. Kehlen werden aufgeschnitten bzw. aufgerissen und es gibt eine Menge an echtem Kunstblut und digitalen Blutspritzern. Vor allem aber gibt es jede Menge abgetrennter Gliedmaßen. Eine Person wird von Motorrädern gefünfteilt, eine Szene spielt in einer Höhle voller mit Maden übersäten menschlichen Kadavern von der Decke hängend, und natürlich wird auch gezeigt, wie Furiosa ihren Arm verliert. Also nichts für schwache Nerven.

Mythos (der) Zukunft

Miller versucht sich hier an einem Actionepos, angesiedelt in seiner postapokalyptischen Welt. „The Question is: Do you have it in you to make it epic?“ fragt Dementus beim doch recht Shakespeare’igen Showdown. Diese Frage kann man getrost mit Ja beantworten. Mit zweieinhalb Stunden Laufzeit hat der Film schon eine beachtliche Länge. Zusätzlich erzählt der Filme eine Zeitspanne von etwa 15 Jahren, was u.a. dazu führt, dass Hauptdarstellerin Anya Taylor-Joy erst nach etwa einer Stunde erstmals vorkommt. Sie selbst redet kaum, das „Sprechen“ übernehmen hauptsächlich die Stunts und die Wahn-Monologe von Dementus. Zwischentitel unterteilen den Film in 5 Kapitel.

(c) Warner Bros. Pictures

Furiosa hat nicht nur epischen, sondern auch mythologischen Charakter. Vor allem bezieht er sich auf alte Mythen in seiner Narrative: Der Grüne Ort ist eine Metapher für den biblischen Garten Eden, das verlorene Paradies. Ein Apfel ist das Erste, was man zu sehen bekommt, das Pflücken eines solchen ist der Auslöser für die Entführung und weitere Handlung. Dementus‘ Streitwagen wird von 3 Motorrädern gezogen, während er selber mit einem wehenden roten Umhang darauf thront, wobei er wie eine Karikatur seiner eigenen Marvelfigur Thor wirkt. Jemand wird wie Hector im trojanischen Krieg dahingeschliffen und Furiosa selbst wird im späteren Verlauf des Filmes als 5. Reiterin der Apokalypse und dunkelste aller Engel bezeichnet. Im letzten Akt wird der namenlose alte Erzähler, welcher die Geschicke der vorherigen Zivilisationen an die Nachwelt weitergibt, zur körperlosen Erzählstimme, und trägt auch die gegenwärtigen Ereignisse wie eine vergangene Geschichte vor, welche sich Leute am Lagerfeuer erzählen; mitsamt narrativen Abweichungen. Aber das ist auch nichts Neues in diesem Franchise.

Denn die Mad Max-Reihe ist keine zusammengehörige Geschichte und Kontinuität. Vielmehr sind es Lagerfeuergeschichten um den einsamen Cowboy/ Samurai/ Ritter, der hilflosen Menschen beisteht und Hoffnung liefert. Es ist eine altbekannte narrative Trope, doch Mad Max versetzt diese in eine Zukunft, die jede Hoffnung im Keim erstickt. „Where were you going? So full of hope. There is no hope!“, jubelt Dementus, der sich – ganz ala Nomen est Omen – wie alle anderen auch dem Wahnsinn hingegeben hat. Als Erinnerung an sein altes Leben trägt er den Teddybären seiner Kinder mit sich herum. Auch wenn Max als Figur nicht handlungstragend vorkommt, so ist der Archetyp doch in der Form von Prätor Jack (Tom Burke) im Film dabei. Dieselbe Ledergarnitur wie Max tragend, wird er zum Lehrmeister von Furiosa, und darf ihr selbst ein wenig Hoffnung schenken.

Furiosa nimmt Mythen und lässt sie zur Geschichte werden, während gleichzeitig die gegenwärtige Geschichte dieser dystopischen Zukunft zu Erzählungen wird. Zu Mythen und Legenden. Denn gerade dadurch können sie in dieser trostlosen Welt ein wenig Hoffnung schenken. Eben das sollte man auf einer möglichst großen Leinwand sehen.

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