Mehr Zirkus als Klavierabend

Mit einer unverständlichen Mischung aus zeitlosen Klassikern und zugabewürdigen Virtuosostücken aus verschiedensten Epochen sorgte Khatia Buniatishvili im Konzerthaus, oft ohne Rücksicht auf Tempo- und Dynamikangaben, für mehr Verwirrung als Staunen.

Khatia Buniatishvili im Konzerthaus /// Carlos Suarez (c)

Schon von Anfang dieses Konzerts an wurde man mit jedem kurzen Stück von ein Jahrhundert ins nächste, von einer Emotion zur anderen gerissen. Aus Saties Gymnopédie wurde ein Scherzo von Chopin, dieses wiederum gefolgt von dem Air aus Bachs Orchestersuite. So plätscherte das Programm, aus zu vielen Beilagen und keiner wirklichen Hauptspeise bestehend, ohne wirkliche musikalische Bedeutung dahin.

Die ruhigeren Stücke, darunter ein Impromptu von Schubert, Les Barricades mystérieuses von Couperin und ein Ständchen von Liszt waren zwar technisch dezent, es mangelte ihnen allerdings an musikalischer Tiefe und sie ertönten, unabhängig von Komponist oder Epoche, allesamt gleich flach, monoton und fast emotionslos. Die wenigen und teilweise fragwürdig gesetzten Ritardandi brachten nur einen unehrlichen Effekt der Sentimentalität. Man atmete eine ganz andere musikalische Atmosphäre als noch bei Volodos.

Es rumpelte in Liszts Grab

Bei den eher lebhafteren Stücken im Programm, insbesondere Chopins Polonaise und Liszts Ungarischer Rhapsodie No. 2, kam es bei sonst so schönen und geheimnisvollen Passagen zu unverständlichen Crescendi und Accelerandi, oft übertönte die oktavenreiche linke Hand die rechte, die Hauptmelodie war in fff und in doppeltem Tempo kaum zu erkennen. Stellenweise stand Buniatishvili sogar auf, hämmerte das Finale förmlich ins Klavier.

Die Ungarische Rhapsodie, normalerweise ein 10-12 Minuten langes Stück, wurde gekürzt und ohne Rücksicht auf die Originalpartitur in weniger als 5 Minuten dahingepfuscht. Hätte ein Klassischer-Musikneuling davor nur eine mehr oder weniger partiturgetreue Oldschool-Interpretation dieses Stückes gehört, hätte er es wahrscheinlich nicht wiedererkannt. Liszt schuf zwar die Ethik der Gestik, aus seinem Grab in Bayreuth konnte man es trotzdem rumpeln hören.

Eine derartige Show mag vielleicht für ein unerfahrenes Publikum angebracht sein, welches die wilden, chaotischen Passagen für die höchste Stufe der musikalischen Interpretation hält. Aber für einen Ort voller Musik-Nerds und konservativen, grantigen Wiener*innen, wie dem Großen Saal des Konzerthauses, war es unpassend.

Noch ein Stück Cheesecake nach der Tortenverkostung

Dennoch fand sich am Ende des Programms ein tobender Applaus, der Buniatishvili zu 3 Zugaben überzeugte: Das Precipitato aus Prokofievs 7. Sonate, wo der Rhythmus der 7/8 komplett unterging, ein weiteres, komplett unpassendes Adagio von Bach, gefolgt von einem von Buniatishvili selbst bearbeiteten jazzhaften Schmankerl des französischen Sängers Serge Gainsbourg mit dem Namen La Javanaise aus dem Jahr 1968, welches wahrscheinlich noch am ehesten ihrem Aufführungsstil entgegenkam. Wie der Rest des Programms erschien die Zugabenabfolge wie ein verwirrender Sprung durch die Epochen, entweder übertrieben lebhaft oder emotionslos interpretiert. Sie wirkten nicht wie ein Sorbet nach der Mahlzeit, sondern ein letztes Stück Cheesecake nach einer üppigen Tortenverkostung.

So hinterließ sie den Großteil des Konzerthauses mit einem aufgewühlten Gefühl und dem Bedürfnis nach einem Beruhigungsschnapserl.

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