Money can’t buy me love …

… aber dafür Opernkarten für Der Spieler bei den Salzburger Festspielen und damit die Freude, das noble Opernpublikum zu erleben, wie Regisseur Peter Sellars ihm ironisch den Spiegel vorhält, sowie nicht zuletzt auch einen starken Abend.

Schwarze Limousinen fahren vor der Felsenreitschule in Salzburg vor. Sie bringen die Gäst*innen, die sich Der Spieler, Prokofjews selten gespielte Oper nach Dostojewskis gleichnamigem Roman, ansehen wollen. Die Menschen, die aus den Autos steigen, tragen Paillettenkleider und auffallend gut sitzende Anzüge. Sie sind hier, um die Starsopranistin Asmik Grigorian singen zu hören. Der Regisseur Peter Sellars, der bereits seit den 90ern bei den Salzburger Festspielen inszeniert, kennt das betuchte und betagte Stammpublikum ebenfalls. Für eine einzige Opernkarte haben einige von ihnen Summen ausgegeben, die der Monatsmiete eines Wiener WG-Zimmers entsprechen.

Glanz und Gier

Dostojewski porträtiert in Der Spieler eine von Geldgier und Glückspielsucht geprägte Gesellschaft. Die Figuren tragen Militär- und Adelstitel. Zu Beginn der Vorstellung in Salzburg erscheinen die Darsteller*innen in Paillettenkleidern und gut sitzenden Anzügen auf der Bühne (Kostüme: Camille Assaf). Hätten sie vor zehn Minuten Champagner im Foyer getrunken, wären sie nicht aufgefallen. Die einzige Person, die in der Felsenreitschule (Bühne und Zuschauer*innenraum zusammengezählt) Jeans und Hoodie trägt, ist Asmik Grigorian in der Rolle der Generalstochter Polina. Sie betrachtet die von Geldgier getriebene Gesellschaft kritisch. Ihr Vater, der General (überzeugend gesungen von Peixin Chen), ist spielsüchtig und verschuldet. Er hofft auf den Tod der reichen Großmutter, um ihre Erbschaft zu erhalten. Als die Großmutter (eindrücklich von Violeta Urmana verkörpert) persönlich erscheint und die Hoffnung auf das umfangreiche Erbe zerplatzt, wendet die Geliebte des Generals ihre Aufmerksamkeit einem anderen Mann zu. Der Sogwirkung der kreisenden Roulettetische kann niemand entkommen. Im Casino trifft sich nicht nur der Adel und das Militär, sondern ein Querschnitt der von den Narrativen des Kapitalismus verführten Gesellschaft. Sie alle geraten in eine auswegslose Spirale immer größer werdender Verluste. Viele verlieren ihr Geld. Einer wird reich. Geliebt wird niemand.

Dostojewski lässt seinen Roman vom Hauslehrer Alexej erzählen. Auch in Prokofjews Oper nimmt Alexej die zentrale Rolle ein. In Salzburg wird sie vom jungen Tenor Sean Panikkar dargestellt, dem es gelingt, die anfängliche Liebe zu Polina und die folgende Obsession für das Glücksspiel in all ihrer Dramatik, Verzweiflung und Wahnhaftigkeit sängerisch scheinbar mühelos und darstellerisch erstklassig auf die Bühne zu bringen. Dass Asmik Grigorian eine herausragende Gesangsdarstellerin ist, konnte sie schon oft beweisen. In der Rolle der Polina hat sie leider nur selten die Gelegenheit dazu. Die Szenen, in denen sie die progressive Energie der antagonistischen Generalstochter entfesseln darf, wirken dafür umso intensiver. Einmal verführt sie Alexej dazu, einen Anschlag mit oranger Farbe auf einen Adeligen zu verüben. Das erinnert an die Farbanschläge von Klimaschutzaktivist*innen.

Im gezeigten Generationskonflikt wird deutlich, dass die modernen Spieler*innen diejenigen sind, die verantwortungslos mit dem Klima – und damit nicht nur mit ihrer eigenen Existenz sondern mit der der gesamten Menschheit – spielen. Die Gesellschaft, die Protestaktionen bestraft, anstatt nach Lösungen für die kritisierten Probleme zu suchen, ist dazu verurteilt, ohne Liebe unterzugehen.

Blinkende Roulettetische und futuristische Raumschiffe

Während das Kostümbild die unmittelbare Gegenwart abbildet, verweist das Bühnenbild von George Tsypin auf eine postapokalyptische Zukunft. Die Felswände der alten Reitschule sind mit Moos überwuchert. Über die Bühne schweben rätselhafte Objekte, die sowohl als narkotisch blinkende Roulettetische fungieren als auch wie futuristische Raumschiffe aussehen. Sind in den Raumschiffen diejenigen geflohen, die das nötige Geld dafür hatten, als die Menschheit endgültig ihren eigenen Lebensraum verspielte und zerstörte?

Peter Sellars ist bekannt dafür, in seinen Produktionen einen kritischen, fast urteilenden Blick auf die Gesellschaft zu werfen. Der Spieler inszeniert er als pessimistische Parabel über eine gierige Gesellschaft, die dazu bereit ist, ihre eigene Existenzgrundlage aufs Spiel zu setzen. Das Scheitern ist dem Glücksspiel eingeschrieben. Sellars stellt Bezüge zur Gegenwart und einer dystopischen Zukunft her und hält dem Champagner schlürfenden Festspielpublikum den Spiegel vor.

Die schillernde, teilweise fast lärmende Musik Prokofjews wird vom 30-jährigen Dirigenten Timur Zangiev mit großer Sicherheit und Transparenz dirigiert. Dass die fulminante Casino-Szene im letzten Akt sowohl zu einem szenischen als auch musikalischen Höhepunkt wird, verdankt sich vor allem der bis in die kleinsten Rollen exzellenten Besetzung und Zangievs souveränem Dirigat. Die Wiener Philharmoniker und die Sänger*innen beweisen selbst in dieser dynamisch Szene musikalische Erstklassigkeit. Wer sich ein Ticket leisten konnte (es gibt übrigens auch reduzierte U27-Angebote), bekam einen bewegenden Abend, der das Publikum dazu auffordert, die eigene Position zu reflektieren.

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