Eine queere Frau, in Flammen

Queere Repräsentation im Burgtheater auf einem hohen Niveau: Phädra, in Flammen im Akademietheater sorgt für Gänsehaut und Glücksgefühle.

(c) Marcella Ruiz Cruz

Inszenierung, in Flammen

Regisseurin Tina Lanik ist es gelungen, am Akademietheater eine ungewöhnlich elegante Mischung aus griechischer Antike und moderner Zeit zu inszenieren. Während in einigen anderen Stücken des Burgtheater-Repertoires unangenehm viel geflucht wird, scheint hier der Rhythmus, welcher aus ganz unterschiedlichen Sprachstilen besteht, perfekt abgemischt zu sein, was zu gleichen Teilen der einzigartigen In-Szene-Setzung und der ausgezeichneten Textvorlage von Nino Haratischwili zu verdanken ist.

Publikumsliebling Sophie von Kessel spielt Phädra, die, wie am Titel unschwer zu erkennen ist, in Flammen steht. Sie brennt – sowohl visuell, indem sie sich, ganz in Rot gekleidet in einem ebenso roten Bühnenbild, ihrem Palast, ihrem goldenen Käfig aufhält, als auch innerlich, denn sie ist unzufrieden, unbefriedigt und gelangweilt. Bis eine einzigartige junge Frau auftaucht, Persea (Dagna Litzenberger Vinet) – die nebenbei bemerkt Phädras Sohn heiraten soll (um zumindest einen Hauch von Inzest kommen wir nicht drumherum, griechische Antike, hallo!) – und ihre Welt vollkommen auf den Kopf stellt. Ob sich das Feuer durch diese Begegnung beruhigt oder umso mehr entflammt, scheint die Leitfrage des Abends zu sein.

Besonders hervorzuheben ist außerdem das Statist*innenensemble, welches mal mit dem Bühnenbild verschmilzt, mal die Wachen der Königsfamilie darstellt. Die komplett in rot gehaltenen Kostümen lassen lediglich eine Öffnung für den Mund – eine Metapher für den im Palast herrschenden Flurfunk, der jeden Skandal in Windeseile auffliegen lässt.

Repräsentation, in Flammen

Eine Frau im mittleren Alter verliebt sich in eine junge Frau. Diese Konstellation ist selbst im Jahre 2023 auf einer größeren Theaterbühne eine Rarität. Umso wichtiger scheint diese Inszenierung als ‚gute‘ Repräsentation von Queerness zu funktionieren. Der ‚bury your gays‘-trope wird zwar auch hier am Leben erhalten, das ‚Brennen‘ der Leidenschaft zweier queeren Frauen wird aber auf eine herzzerreißend-erfüllende Art inszeniert. Auch die allgegenwärtige Homophobie spielt in diesem Stück eine große Rolle – der Staat verbündet sich in einer Art Hexenjagd gegen Phädra und ihre Geliebte. Die Kirche und deren Stellvertreter Panopeus, gewohnt überzeugend gespielt von Philipp Hauss, kann als Hauptverantwortliche dieser Hetze gesehen werden.

Publikum, in Flammen

Die kathartische Wirkung einer griechischen Tragödie kann auch die überarbeitete Sprache nicht auslöschen – dass das Publikum auf die Folter gespannt wird, ist eine Untertreibung. Wiederholt löst der ergreifende Text und das tiefgehende Spiel der Schauspielenden Gänsehaut aus. Auf gewohnte Weise werden die Zuschauenden mit etwas *hust* konservativen Werten aussortiert, bis im Saal nur noch große Bewunderung und Begeisterung herrschen, welche in tosendem Applaus und lautem Jubel kulminieren.

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